Das Heute im Blick zurück auf gestern
Kunstmuseum Olten zeigt Vivian Suter und Rut Himmelsbach. Bis 21.03.2004
Das Kunstmuseum Olten zeigt Werke von Vivian Suter und Rut Himmelsbach; beides Künstlerinnen, die Jean Christoph Ammann 1981 in der legendären Ausstellung „Künstler aus Basel“ zeigte.
In der Schweiz kam der Aufbruch der Frauen zu ich-bewusster Kunst erst einige Jahre nach dem Startschuss um 1968. in Zürich wird er 1975 mit der Ausstellung „Frauen sehen Frauen“ fassbar, in Basel braucht es Miriam Cahns „Mein Frausein ist mein öffentlicher Teil“ (1980), um das Bewusstsein aufzurütteln. Jean Christoph ammann bündelt die Szene 1981, als er in der Kunsthalle unter dem Stichwort „Basler Künstler“(!) sechs Frauen zeigt: Miriam Cahn, Anna Winteler, Rut Himmelsbach, Vivian Suter, Hannah Villiger und Christine Brodbeck.
23 Jahre später ist es interessant zu sehen, was aus ihnen geworden ist. Miriam Cahn hat Kunstgeschichte geschrieben (2001 war in Biel eine Retrospektive zu sehen). Anna Winteler hat im Bereich Performance und Video räumlich und landschaftlich Präzises geschaffen und dann die Kunst ad acta gelegt. Auch die Performerin Christine Brodbeck tritt nicht mehr öffentlich auf. Das Schaffen von Hannah Villiger (1951-1997) ist bis zu ihrem frühen Tod massgebend für die Fotografie in der Schweizer Kunst.
Vivian Suter wanderte Mitte der 80er-Jahre nach Guatemala aus und galt als „verschollen“, bis sie vor einem Jahr in die Schweiz zurückkehrte und nun in Olten erstmals die Fortsetzung ihres Schaffens zeigt. Auch die Fotografin, Malerin, Plastikerin und Sammlerin Rut Himmelsbach wurde zur Nomadin, sie pendelt zwischen der Schweiz, Asien und Lateinamerika. Doch im Gegensatz zu Vivian Suter haben Museumsausstellungen ihr Schaffen im Bewusstsein gehalten. In Olten zeigt es jetzt erneut und eindrücklich seine Vielfalt und den roten Faden, mit dem Ähnliches und Unähnliches versponnen sind.
Die Ausstellung Vivian Suter/Rut Himmelsbach setzt die Oltner Linie von Patricia Nussbaum fort, welche, neben Lokalem, nicht dem Mainstream entsprechende und doch aktuelle Positionen einer mittleren bis älteren Generation von Schweizer Kunstschaffenden zur Diskussion stellt. Dass sie Rut Himmelsbach zeigt, liegt auf der Hand, kuratierte sie doch schon 1994 als Interimsdirektorin des Museums für Gegenwartskunst in Basel eine Ausstellung der Künstlerin. Vivian Suters Auftritt hingegen soll wohl ganz bewusst eine Lücke schliessen und vielleicht auch so etwas wie eine neue Chance bieten.
Die grossformatigen Bilder von Vivian Suter zeigen deutlich, dass ihre Uhr in den letzten 20 Jahren anders tickte als jene im hektisch dem technischen Fortschritt nachrennenden Europa. Grossformatige Fotografien von autonomer Qualität zeigen den dichten, guatemaltekischen Natur-Umraum in dem sie entstanden sind. Üppigkeit, Fruchtbarkeit, Einsamkeit prägen die Malerei, die dort ihre höchste Qualität erreicht, wo äussere und innere Sicht sich wie auf einer Membran gegenseitig zu spiegeln scheinen, in Werken wie „Fare are my friends“ oder „volcanos escondidos“ zum Beispiel. Andere Bilder gehen zu wenig auf Distanz zu den uns vertrauten, expressiven Innerlichkeitsbildern der 80er-Jahre, um überraschend zu sein. Wobei Vivian Suter selbst das zeigt der Saal mit Arbeiten von 1983/85 damals paradoxerweise einer „indianisch“ anmutenden, sinnlich-satte Malerei auf frei gezackten Leinwandformen verpflichtet wrar. So ist der Eindruck ambivalent, findet jedoch in den neuen, quasi hier und dort reflektierenden fotografischen Arbeiten vielleicht den Weg in die Zukunft.
Rut Himmelsbach ist an der Basis Fotografin, wobei das was ihre Arbeit auszeichnet, ihr Blick ist, ihre Fähigkeit im Unerwarteten, Unverhofften die Kraft von Begegnungen zu sehen. Das Licht und die Pflanze, das Kind und den Baumstamm, die Verdoppelung der Pferdeköpfe oder eine Dohle in den Bergen zum einen, ein Schatten auf einem Bergmassiv auf der anderen, so als wäre es jener des Rabenvogels. Über das Motivische hinaus sind es die präzisen, klingenden Rhythmen und Proportionen, die ihre Bilder aufladen. Das Energetische, das im Zusammentreffen von Verschiedenartigem aufblitzt, ist wohl das entscheidende Moment. Wir spüren es ebenso in den Fotografien wie in der kleinen exotischen Skulptur in einem Tontopf, ebenso in den arabischen Architekturformen, die als Silhouetten aus Fotografien asiatischer Teppiche ausgeschnitten sind. Und ebenso in der neuen, malerisch-zeichnerischen Arbeit „Ineinander“, die einem ausgezogenen Faltbuch gleich das eine im anderen und im dritten thematisiert. Einen wichtigen Hintergrund gibt die Künstlerin in den Vitrinen, in denen sie „Objekte der Begierde“ als Schatztruhe für ihr intuitives und assoziatives Denken und Schauen versammelt. Der Reichtum und die Präzision sind die Qualität ihres Schaffens, das, obwohl erzählerischer und medial anders angelegt, zuweilen an Meret Oppenheim erinnert.
Sowohl zu Vivian Suter wie zu Rut Himmelsbach sind kleine, dichte Publikationen erschienen, die eher Künstlerbücher als Kataloge sind, dennoch aber auch informativ.