135 x Kunst unter dem Weihnachtsbaum

Bern: Kunsthalle, Kunstmuseum und Progr spannen zusammen. Bis 16.01.2005

Erstmals seit 22 Jahren findet in Bern wieder eine grosse Weihnachtsausstellung statt. 135 Kunstschaffende aus der Region Bern/Burgdorf zeigen je eine Arbeit in der Kunsthalle, dem Museum und dem Progr.

Die von der Künstlergesellschaft „visarte“ organsierte 120te Weihnachtsausstellung der Berner Künstlerinnen und Künstler ist mehr als eine Jubiläumsschau. Sie manifestiert in ihrer Breite den Elan, den die aktuelle Berner Kunstszene auszeichnet. Sie wurde im Vorfeld als „unjuriert“ angekündigt, ist dies aber klugerweise nur bedingt. Den Voraussetzung für die Teilnahme war eine mindestens 50%ige freiberufliche künstlerische Tätigkeit. Dieser Guillotine fiel sage und schreibe die Hälfte der Anmeldungen zum Opfer. Und zwar nicht nur die Freizeit-Künstler, sondern ebenso die mit grossen Pensen an Schulen Unterrichtenden zum Beispiel. Während andererseits die 100%-Studenten an den Berner Kunstschulen einen Freipass hatten. Dass auch dieser Modus Zoff gab, versteht sich von selbst.

Quintessenz ist aber doch eine andere Weihnachtsausstellung. Eine, deren Ränder weiter aussen sind als in der traditionell jurierten Bieler Version. Da ist zum Beispiel das Bild „Mein Garten im Herbst“ der 85-jährigen Ruth Schwob, das stilistisch 1:1 aus den 1930er-Jahren stammt. Und man freut sich darüber. Da ist auch wieder einmal eine gewobene Wand-Arbeit (Madeleine Gfeller) und eine klassische Holzplastik (Max Roth). Auch eine leicht ver-rückte „stoffige“ Installation von Vera Goulart. Werke, die gängige Juries kaum passieren würden. Summa summarum bilden die Ränder jedoch mit der Mitte eine Einheit. Und fordern den Blick heraus.

Denn die „Jury“ sind diesmal die Besucher. Gerade im Bereich der ausnehmend gut vertretenen Fotografie ist das Auge gefordert – was ist einfach nur Abbild oder Software und was wird durch seine Präsenz zum Geheimnis. Elisabeth Zahnds weiche, malerische Unschärfen stehen für letzteres und ebenso die plastische (Badezimmer)-Präsenz in „Gender Coice“ (Claudia) von Judith Schönenberger. Oft ist das eine Werk (ob einzeln oder mehrteilig) aber nicht mehr als ein „könnte“. Da ist unter anderem eine kleine Malerei von Caroline Elsässer (geb. 1969) – es zeigt eine junge Frau, nur in Braun-Schwarztönen, hinter grünen Ranken mit weissen Blüten. Irgendwie ist das Bild faszinierend und fremd zugleich, weder heutig noch traditionell. Doch ob das Gesamtschaffen der Künstlerin hält, was das eine Bild verspricht, ist nicht zu beantworten.

Der Modus brachte es mit sich, dass alle Generationen querbeet vertreten sind und dementsprechend auch Stile zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Selbst Altmeister Franz Fedier (1922) liess es sich nicht nehmen, mit einer neuen (!) Arbeit einen starken Akzent zu setzen. Da sind aber auch die 1930er (Leopold Schropp und Beatrix Sitter zum Beispiel), die 1940er (Dieter Seibt und Beatrice Gysin) usw. Bis hin zu Aquarellen von Maryna Shchipak (geb. 1983), die allerdings keineswegs „jung“ wirken. Den Schwerpunkt bilden, wie zur Zeit vielerorten, die 1960er-Jahrgänge.

So wichtig wie die Werke ist das Gespräch zwischen den Institutionen. In der aktuellen kulturpolitischen Situation Berns ist es geradezu Labsal, die Berner Kunstschaffenden in einem gut verlinkten Netzwerk zu sehen und zu spüren, dass es die Identifikation mit Kunsthalle, Museum und Progr als Ganzes gibt. Dass nur bei Heinrich Gartentor im Progr gepokert wird (diesmal gilt es, ihn im Mühlespiel zu schlagen) und nicht zwischen den Häusern.
Wer wo ausstellt, ist zum Teil die Wahl der einzelnen Häuser, zum Teil räumlich bedingt, zum Teil ausgelost. Die Kunsthalle wählte in der Folge das ABC als Platzanweiser, was zum Teil zu frechen Konstellationen führt. Das Kunstmuseum suchte mit Schwerpunkt „Malerei“ (auch malerische Fotografie u.a.) seinen Weg durch die (niedrigen) Räume, während der Progr etwas „wilder“ den Velofahrer im Soussol in die Wand und im zweiten Stock wieder aus der Wand fahren lässt (Dino Rigoli).