Walter Kohler-Chevalier u. Markus Furrer im Kunstmuseum Moutier 2006

Über den Berg und durch die Zeit

www.annelisezwez.ch       Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 1. März 2006

Es gab und gibt immer wieder Bieler Künstler und Künstlerinnen, die für kürzere oder längere Zeit im Jura wohn(t)en und arbeite(te)n. In den 60er-Jahren waren das unter anderem Jeanne und Walter Kohler-Chevalier. Da wurzelt ein Teil – ein spannender Teil – der aktuellen Ausstellung von Kohler-Chevalier und Markus Furrer im jurassischen Kunstmuseum in Moutier. Die Zeit in Plagne war nämlich auch die Zeit, da der Museumsgründer Max Robert den Grundstock für die erstaunliche Sammlung des kleinen Museums anlegte; mit Walter Kohler-Chevalier als Berater und Jeanne Chevalier als „Hoffotografin“. Wer damals im Umfeld des Museums auftauchte, wurde porträtiert.

Erstmals fügen Kohler-Chevalier und Markus Furrer nun die durchwegs hervorragenden Fotografien – in neuen Abzügen – zusammen mit den damals (und später) in die Sammlung des Museums gelangten Arbeiten. Zum Teil sind das Trouvaillen und spannende „Passagen“ in eine bis 40 Jahre zurückliegende Zeit. Eines der Highlights: Der 2005 verstorbene jurassische Weltkünstler Rémy Zaugg als 20-Jähriger zusammen mit expressiven, figürlichen Linoldrucken, die niemand ohne Namensschild seinem äusserst reduzierten Werk zuordnen würde. Und sein Blick aus hagerem Gesicht: Durchdringend.

Da entdeckt man aber auch Marguerite Frey-Surbek (1887-1981), die den Gästen in schützendem Schurz ihre Bilder zeigt, oder den Basler Maler Max Kämpf und seine Julie (Schätzle), den Neuenburger Plastiker André Ramseyer als schönen jungen Mann, Lilly Keller (Cudrefin) als temperamentvolle junge Textilkünstlerin usw. Fast verblasst die Aufmerksamkeit für die Werke ob der Freude an den Fotografien, doch das hiesse der Sammlung (und den Künstlern) unrecht tun. Auch wenn es, den damaligen finanziellen Möglichkeiten entsprechend, nicht nur Grossformate – wie Florian Pfisters satte gelbe Leinwand „Midi“ (1963) – sind, sondern häufig auch Lithographien oder Multiples.

Walter Kohler-Chevalier und Markus Furrer – auch in der Sammlung Robert im Museum Neuhaus in Biel ein eingespieltes Team – beschränken sich keineswegs auf die Vergangenheit, sondern spannen einen aktiven Bogen in die Gegenwart des von Valentine Raymond umsichtig geführten, kleinen Museums. Zum Beispiel mit einer Installation. Markus Furrer wärmt eine Büste des Museumsgründers mit einer roten Infrarot-Lampe und zeigt in Heliogravüren wie der Kopf Roberts von einer jungen Frauenhand (jener der Museumsleiterin natürlich) umsichtig gestreichelt wird.

Im zweiten Teil der Ausstellung zeigen die beiden Bieler Kunstschaffenden eigene, neue Werke; Arbeiten sehr unterschiedlicher Art. „Passage“ meint hier nicht dasselbe. Für Walter Kohler-Chevalier (64) ist es ist der Pass zwischen zwei Bergen – der begehbare Weg – oder auch ein Tunnel oder eine Brücke. Dass er dies sinnbildlich meint, zeigt die bildnerische Umsetzung, die mit „Mischtechnik“ schlecht umschrieben ist, eher müsste man sagen „zwischen den Medien“. Es ist weder Fotografie, noch Aquarell, noch Monotypie, was schliesslich als grossformatiger Plot auf Leinwand ausgedruckt wird. Aber von allem etwas und eine wichtige Rolle spielt dabei ein Stempelkissen. In der Wahrnehmung sind es schliesslich Landschaften, die eher mit inneren als mit äusseren Bildern zu tun haben.

Für Markus Furrer (46) ist die Passage – so hat man den Eindruck – eine Art Fahrt, sowohl in der Zeit wie zwischen Sehen, Erkennen und Wandeln. Das eine Schiff, das durch den Raum „fährt“ ist so gebaut, dass man es auch auf dem Kopf tragen kann. Das andere hat seine Äusserlichkeiten abgelegt, es „schwimmt“ fast wie ein Fisch durch den Saal. Subtil wie die Schiffe – in furrerscher Handwerksperfektion – sowohl autonom fassbar sind wie „Passagen“ zu den Bildern Kohler-Chevaliers schaffen.

Das Verändern, um neu zu sehen, neu zu bedenken ist ein roter Faden im Werk des Bielers. Aufschlussreich ist ein Leuchtkasten, in dem sich ein Glas Wasser verbirgt, das indes nur als Schatten erscheint, während das Wasser das Licht sichtbar macht. Bildnerische Experimente, die vom Physikalischen ins Philosophische kippen, sind gewissermassen Furrers künstlerische Vision. „Kunst muss ein Ereignis sein“, sagt er, mit Blick auf einen zweiten Leuchtkasten, in dem die Fotografie einer Lawine zu sehen ist. Wie oft er sie manipuliert hat, verrät er nicht, wohl aber, dass das Original schon manches Jahr über seiner Atelier-Türe hängt. Furrer ist kein Kunstproduzent; bis er aus tausend Möglichkeiten eine wählt, dauert es oft lange. Unerschöpflichkeit ist denn auch ein weiteres Thema; auf einem langen Tisch im Soussol (unter der Erde somit) zeigt er rund 1200 Diapositive, die zu Themen gebündelt sind – von der Familie über die Architektur zur Natur. Wie ein Gehirn kommt einem dieser Bildkosmos vor, nur dass die im Kopf gespeicherten Bilder für einmal sichtbar sind; auch hier ist Vieldeutigkeit die Qualität.