Mariann Oppliger im Kunstmuseum Boezingen

Neueröffnung mit Festessen

www.annelisezwez.ch, Bieler Tagblatt, 10. Juli 2008

Bözingen hat seit 1. Juli ein Kunstmuseum. Eines, wo Junge Kunst zu ihrer Lust anrichten. Kaninchen und Tomaten zum Beispiel, gesät, gemästet und gegrillt von Mariann Oppliger.

Es kam in letzter Zeit Bewegung in die Bieler Kunstszene. Der „Joli mois de mai“ ist im Aufwind, das „lokal.int“ hat jede Woche Vernissage und nun haben Sophie Hofer und Georges Blunier – beide aus dem Umfeld der Bieler Schule für Gestaltung stammend – auch noch das Kunstmuseum Bözingen gegründet. Es ist eine Art Schreber-Wintergarten, angebaut an die bereits dem Spitzhammer übereignete Liegenschaft Erguelweg 16. Vorläufig kann man da aber noch wohnen und tun.

Das Metallschild mit der Gravur „Kunstmuseum Bözingen, Musée Boujean“ signalisiert Seriosität und das ist auch durchaus so gemeint. Trash ist Kunst (manchmal) und off-spaces sind im Trend.

Als erste Künstlerin haben Sophie Hofer (Studentin an der HKGL, der Hochschule für Kunst und Gestaltung Luzern) und Georges Blunier (angehender Student der ZHdK, der Zürcher Hochschule der Künste) die in Meikirch aufgewachsene Absolventin der HKGL, Mariann Oppliger (geb. 1982), eingeladen. Sie bereitete für Bözingen ein „Essen in sieben Tagen“.

Das muss man sich so vorstellen: Am 1. Tag säte sie Tomaten und steckte zwei herzige Kaninchen in einen Stall. Täglich wurde gedüngt, gegossen, gefüttert und – wie einst bei Hänsel und Gretel – die Erfolge gemessen; der Zeit entsprechend mit Digital- und Videokamera. Am 7. Tag – man ahnt, aber glaubt es nicht ganz – doch, was solls, am 7. Tag wurde das Feuer geschürt, die geschlachteten Tiere in Alufolie gegrillt und die Freunde zum Kaninchenschmaus geladen. Auch die Tomaten hielten sich ans Konzept und präsentierten sich makellos und feuerrot.

Was da scheinbar naiv daher kam und überdies  den Trend zu mehr häuslicher Gemütlichkeit illustrierte, ist natürlich nicht ganz so scheinheilig, denn die Künstlerin durfte ganz ohne Zeigefinger damit rechnen, dass den meisten irgendwelche undefinierten Gedanken an neue Mastverfahren, an Hors-Sol-Wachstumsspritzen etc. aufkrochen und sich mancheiner fragte, ob  er  möglicherweise Testesser sei im Hinblick auf Hormon-Rückstände und andere Chemie-Substanzen. Und wer solches ausblendete, auch nicht überlegte, wer die Kaninchen tötete und warum keine Fotos davon im Museum hängen, den machte Oppliger ohne Worte zum Spiegel unserer realitätsfremden Gesellschaft. Sie selbst enthält sich der Stimme und sagt, es sei wie es sei.

Sophie Hofer und Georges Blunier verstehen sich als Leiter des Kunstmuseums Bözingen, aber nicht als Kuratoren, denn das Konzept sieht eine Kunststaffette vor, das heisst mit der Annahme der Einladung zur Ausstellung oder Aktion verpflichtet sich der oder die Kunstschaffende für die Fortsetzung. Wenn also am 20. Juli San Keller mit dem Projekt „Zürich – Bözingen – Zürich“ auftaucht (die Details sind noch nicht bekannt), so tut er das auf Einladung von Mariann Oppliger.

„Mir war wichtig“, sagt die zur Zeit als Stellvertreterin am Vorkurs der Bieler Schule für Gestaltung Tätige, „ dass das Projekt schnell aus dem ‚Kuchen’ der Bieler Schule  herauswächst und sich überregional vernetzt.“ Mit dem Aktionisten San Keller – mittlerweile eine Kultfigur der Schweizer Szene – ist das gesetzt. Wen er einladen wird und wie lange das Kunstmuseum Bözingen bestehen wird, ist offen, aber das gehört mit zum aktionistischen Charakter.
Info: Das aus Fenstern gebaute Museum ist rund um die Uhr einsehbar. Kontakt: kunstmuseumboezingen@gmx.ch 

Ergänzung vom 13. Juli:

azw. Wer sich wunderte, dass der dieser Tage zum ersten Berner Manor-Preisträger gekürte Aktionskünstler San Keller  das kleine, eben erst eröffnete Experimental-Kunstmuseum Bözingen (s. BT vom 10. Juli) unterstützt, erfährt jetzt warum. Keller dreht den Spiess um, wird nicht selber im engeren Sinn aktiv, sondern fordert die beiden jungen, relativ bequem auf ihrem Kuratoren-Posten ruhenden Museumsgründer heraus. 

Sein Konzept: “San Keller beauftragt die Initianten des Museums Bözingen – Georges Blunier und Sofie Hofer – bei den Bewohnern am Erguelweg das Geld für seine Reise von Zürich nach Bözingen (SBB 1. Klasse) zu sammeln und die Sammeltätigkeit mit Video festzuhalten.” Die Vernissage in Anwesenheit des in Zürich lebenden Berner Künstlers ist heute Montag (14. Juli) um 19 Uhr im Museum am Erguelweg 16 in Biel-Bözingen.

Ob San Keller da auch schon preis geben wird, wem er den Stafetten-Stab für die nächste Aktion oder Ausstellung im Musée Boujean  übergibt? Das Blunier/Hofer-Video seiner Aktion “Zürich – Bözingen – Zürich” ist anschliessend bis zum 20. Juli im Kunstmuseum zu sehen.