Patrick Harter im Espace libre Centre Pasquart 2009

Die geheimnisvolle Wandlung eines Ortes

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 14. Juli 2009


Die Raum-Installation des in Nidau lebenden Patrick Harter im Espace libre des Centre Pasquart ist ein unerwartetes Highlight des Bieler Kunst-Sommers.

Es vergeht nach dem Öffnen der Türe nur ein Bruchteil einer Sekunde bis der granitene Findling aus dem Goms auf der Beton-Bodenplatte des Espace libre zum überdimensionierten Kopf wird. Dann fällt der Blick auf die Ränder des Raumes – die Schottersteine zwischen Beton und Wand sind weg. Stattdessen ist da ein schwarzer Kanal mit frischem Wasser angelegt; rundherum. Das Licht ist zurückgenommen, aber doch so hell, dass sich der Raum im Wasser spiegelt, verdoppelt. Die bergseitigen Mauern mit den Spuren früherer Ausstellungen wirken herausgeputzt, geradezu „malerisch“. Sind wir in eine Felsen-Stätte geraten, wo eines Helden aus ferner Zeit gedacht wird?

Die beschriebene Verwandlung des bekannten Kunstraums in einen fremden Ort  würde genügen, um die Installation von Patrick Harter (geb. 1978)  als ausserordentlich zu bezeichnen. Doch es gibt noch eine zweite Überraschung. Schreitet man auf der nun wie eine Insel wirkenden Bodenplatte in den Raum hinein und dreht sich dann um, ist man verblüfft.
Der Findling, der wie ein Kopf aussieht und als Skulptur im Raum liegt,  ist innen hohl. Es ist ein hohler Stein – zwei Begriffe, die sich zu widersprechen scheinen. Blitzartig fragt man sich, ob man das in dieser Grösse und Radikalität schon je gesehen habe, doch nichts will einem in den Sinn kommen. „Mich interessiert die Oberfläche, die Wand, die Haut“, sagt der Master-Student an der Hochschule der Künste in Basel. Und auf die Frage nach dem enormen Aufwand, einen Granitstein auszuhöhlen, meint der gelernte Steinbildhauer: „Wenn ich am Material bin, ist Zeit kein Massstab“. Er gibt aber gleichwohl zu, dass trotz maschineller Unterstützung zwei Wochen nicht ausreichten. Handwerk, erstaunlicherweise gibt es das immer noch – oder vielleicht wieder? – in der jungen Kunst.

Handwerk ist für sich selbst keine Kunst. Hier ist es das Zufällige der Zeitgeschichte, die den Granit in Jahrtausenden zum „Kopf“ formte auf der einen, der Eingriff des gestaltenden Menschen auf der andern Seite, welche eine Kombination ergeben, die Gewohntes aus den Bahnen wirft, zum Nachdenken anregt und darum den Stein zum Kunstwerk macht. Die Skulptur steht überdies in Dialog mit Gips-Hohlgüssen, die der Künstler 2006 von seinem eigenen Kopf machte.

Anfänglich habe er eigentlich nur den Raum als Ort zwischen Fels (Berg), Wasser und Beton zeigen wollen, sagt Patrick Harter. Schon mehrfach hat er Installationen realisiert, die einem Raum durch gewagte Eingriffe  ein neues „Gesicht“ gaben. So schuf er unter anderem 2007 eine dicht vernetzte Gerüst-Konstruktion im  Innenraum des „Lokal.int“. Konzeptuell, das ist richtig, wäre die reduziert-radikale Installation, die nur mit den Gegebenheiten des „Espace“ selbst arbeitet, in sich schlüssig gewesen. Aber man geht mit dem Künstler ebenso einig, dass die Ergänzung um den Stein-„Kopf“ eine Steigerung bewirkt, die zwar nicht einseitig inhaltliche Gründe hat, aber ein Zusammentreffen darstellt, das herausfordert.

Patrick Harter ist im Aargau aufgewachsen, absolvierte in den Jahren 1997/98 den Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Biel und kam 2005 nach einer Steinbildhauer-Lehre in Nebikon (LU) zurück in die Region, „weil es mir hier gefällt“.
 
Info: Ausstellung bis 30. August 2009. Öffnungszeiten analog Centre Pasquart  von Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr.

Bildlegenden:

Raum-Gestaltung: Patrick Harter macht den Boden des Espace libre zur Insel und bestückt ihn mit einem Findling.  Bilder: azw 

Überraschung: Der Findling – ein „hohler Stein“.