www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 26. Juli 2011mountainsphoto

Die Würfel sind gefallen: Felicity Lunn wird neue Direktorin des Centre Pasquart. Vieles spricht dafür, dass die Stiftung mit der 48-jährigen Kunstfachfrau eine gute Wahl getroffen hat. 

Männiglich war gespannt: Wer würde Nachfolger oder Nachfolgerin der per Ende Jahr zurücktretenden Dolores Denaro als Direktorin des Museum Pasquart. Würde, wie seinerzeit bei Denaro, eine sehr junge Person zum Zug kommen, der man damit ein Sprungbrett bietet? Oder würde eine erfahrene Fachperson gewählt werden, die das Haus weiter entwickelt? Die beiden Optionen, so Urs Dickerhof, Mitglied der Auswahlkommission und künftiger Präsident der Stiftung Pasquart, wurden eingehend diskutiert, beides wäre möglich gewesen. Angesichts der Persönlichkeit von Felicity Lunn entschied man sich aber schliesslich einstimmig für die Option „Erfahrung“, das heisst für die weitere Stärkung des Labels „Pasquart“ im nationalen Museums-Konzert.

Die Wahl der in Zürich lebenden Engländerin war indes nicht von Anfang gesetzt. Ihr Palmares war unter den 22 ernsthaft geprüften Dossiers nicht das spektakulärste. Aber, so Jean-Pierre Bechtel, Präsident der Findungskommission, ihre Dossier-kenntnis, die Souveränität, mit welcher sie ihre Ideen präsentierte, überzeugte alle. Auch der Gesamtstiftungsrat schloss sich nach eingeforderter, persönlicher Anhörung ohne Opposition dieser Meinung an. Insbesondere ihre Offenheit gegenüber Zusammenarbeitsformen, ihre hervorragenden Kenntnisse der Schweizer Kunstszene auf beiden Seiten des Röschtigrabens und ihre Sprachensicherheit zwischen Englisch, Deutsch und Französisch, beeindruckte die Findungskommission, in der neben fünf Stiftungsräten auch Bernhard Fibicher (Lausanne) und Adrian Brönnimann (Assessment-Fachmann) vertreten waren. Dabei, so betonte Urs Dickerhof im Gespräch, sei Lunn in der Endrunde namhafte Konkurrenz gegenüber gestanden.

Felicity Lunn hat zurzeit eine Stelle als Kuratorin Schweiz/Europa bei der UBS Art Collection inne. 2007/08 war sie Leiterin des Kunstvereins Freiburg i. Breisgau. Zuvor war die Kunsthistorikerin (Master of Arts, Universität Essex) Kuratorin in der renommierten Whitechapel Art Gallery in London. In der Schweiz ist sie immer wieder durch fundierte Texte in Büchern und Katalogen aufgefallen. Seit einigen Jahren ist Lunn mit dem Schweizer Künstler Pascal Danz verheiratet.

„Für mich“, so Urs Dickerhof, „spiegelt ihre Biographie eine typische Frauenlaufbahn; die Zeit, da die Kinder (Lunn hat zwei Söhne im Alter von 16 und 18 Jahren) heranwachsen, sind Grenzen gesetzt, danach starten engagierte Frauen nochmals durch; für Biel kann das nur ein Gewinn sein.“

Bei der Wahl ging es nicht nur um künstlerische Kompetenz, sondern auch um die Situation des Hauses. Wer würde fähig sein, das nach der Ablehnung höherer Subventionen mit minimalem Budget operierende Haus über seine Verhältnisse aber ohne Defizit zu führen. „Bewerbende, die bisher mit komfortablen Budgets arbeiteten, kamen für uns aus diesem Grund oft nicht in Frage“, kommentierte Jean-Pierre Bechtel die Sachlage. Lunn soll sich jedoch überzeugt gezeigt haben, dass ein gut geführtes Haus gute Sponsoren anziehen könne und dass überdies durch Kooperationen mit anderen Kunsthäusern Geld gespart werden könne.

Einen Beweis hiefür hat sie in ihrer  Zeit in Freiburg erbracht, als es ihr in kurzer Zeit gelang, die aufgelaufene Schuld des Vereins zu tilgen. Als dann aber darüber hinaus die Subventionen gekürzt wurden, gab sie Forfait. In einem Interview (Lynn weilt zurzeit in den Ferien und ist persönlich nicht erreichbar) sagte sie damals, sie hätte gerne weiterhin mutige, spannende und nicht unbedingt einfach zu konsumierende Kunst gezeigt. Das dürfte sie nun in Biel umzusetzen suchen. Etwas radikaler als sie es bei den Ankäufen für die Kunstsammlung der UBS tun konnte. „Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Freiheit sie lockte“, sagt ihre Vorgesetzte bei der UBS, Irene Zortea. „Allerdings“, so ergänzte sie sogleich, „bei Problemen bot Felicity Lunn immer Hand zu pragmatischen Lösungen.“ Überdies könne sie in einem Museum ihre ausserordentliche Fähigkeit des Vermittelns verstärkt einsetzen und dies, ihrem Naturell entsprechend, wie immer mit einer guten Portion englischen Humors.

 

Kurzkommentar:

 

Info:

Felicity Lunn ist seit 2001 in der Schweiz tätig.

Sie hat sich als Kuratorin, Kritikerin und Dozentin ein breites Wissen der Schweizer Kunstszene angeeignet.

Sie  kuratierte in verschiedenen Kooperationsformen für das Migros Museum Zürich („When humour becomes painful“),  das Aargauer Kunsthaus (Lutz/Guggisberg), das Kunstmuseum Thun („Images of Society“)  und weitere Häuser mehr.

Als Autorin schrieb sie unter anderem namhafte Texte zu Martin Disler, Caro Niederer, Hans-Peter Hoffmann, Reto Boller, Pascal Danz, Peter Aerschmann, Nika Spalinger.

Als Dozentin war sie zum Beispiel für die Fachhochschule Nordwestschweiz, die F+F Schule für Kunst und Mediendesign, die Ecole Cantonale d’Art du Valais tätig.  (azw)

 

Aufschlagseite:

Der Rat der Stiftung Centre Pasquart hat dieser Tage die 48jährige Engländerin Felicity Lunn ohne Opposition zur Nachfolgerin von Dolores Denaro gewählt. „Ich bin überzeugt, dass wir die beste Wahl getroffen haben“, sagte Jean-Pierre Bechtel gestern im Gespräch. Lunn lebt seit 10 Jahren in der Schweiz und ist bestens mit den hiesigen Verhältnissen vertraut.

Auf die Ausschreibung in den Medien hin hatten 67 Personen die Unterlagen eingefordert.  50 von Ihnen reichten eine Bewerbung ein. 22 von ihnen kamen in die engere Wahl. Sechs wurden zur Präsentation eingeladen; drei Frauen und drei Männer, die einen deutsch-, die anderen französischsprachig. Die Forderung nach Zweisprachigkeit wurde den Romands zum Teil zum Verhängnis. Felicity Lunns Muttersprache ist englisch, sie spricht indes fliessend deutsch und französisch.