Katharina Vogel „Black Song“ Biel 2011
Reisen durch die Regungen des Körpers
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 21. September 2011
Am 28. September 2011 hat die neueste Tanz-Performance der Bieler Künstlerin Katharina Vogel Première. Black Song ist ihr zwölftes Projekt. Ein Porträt.
In Black Song will ich noch weiter eintauchen, noch mehr Raum für Atem, Stille, reine Präsenz schaffen, sagt Katharina Vogel. Sie wird die Besuchenden damit herausfordern. Denn erfahren wird ihre lyrische Tanz-Performance nur, wer nicht einseitig Augen und Ohren zur Wahrnehmung einsetzt, sondern bereit ist, mit der Künstlerin durch die Regungen des Körpers zu reisen. Mitzuspüren wie Gefühle sich festsetzen, vibrieren, fliessen. Nicht zufällig spricht Katharina Vogel von der Celebration oft he Unknown Das galt sowohl für sie selbst im Entwicklungsprozess der Performance und gilt mit jeder Aufführung neu, wie auch für das Publikum.
Entwicklung als Erforschen eigener Wege, eigener Wahrnehmungsmöglichkeiten, prägt Vogels künstlerischen Werdegang seit ihrer Jugend. Wohl gibt es da eine Butoh-Tänzerin, die sie stark beeinflusst hat Carlotta Ikedas Urschrei habe sie heute noch in den Ohren aber gesamthaft betrachtet ist Vogel nie einer Richtung gefolgt. Sie hat in ausgedehnten Ausbildungsmodulen im Bereich Ballett, Modern Dance, Pantomime (Mimik), Butoh, Körperarbeit und mehr vielfältige Anregungen gesammelt, für sich gebündelt und schliesslich zu Ausdruck gebracht.
Aufgewachsen ist die 1962 Geborene im Raum Aarau, wo sie zunächst eine Bauchzeichnerlehre absolviert, doch folgt dem Berufseinstieg sogleich der Ausstieg. Sie steht Künstlern Modell, arbeitet als Serviererin, um sich Ausbildungen in Zürich, in Wien, später (mit einem Aargauer Stipendium) an der Tanz-Akademie Rotterdam leisten zu können. Für längere Zeit wegweisend wird zu Beginn der 1990er-Jahre die Zusammenarbeit mit dem Land Art-Künstler, -performer und Musiker Nick Parkin in Wales/England. Mit ihm kommt die Natur ins Spiel das Ich, der Körper und die Landschaft verweben sich zu intimen Inszenierungen von grosser Schönheit. Ein Foto-Essay erzählt davon. Die beiden reisen durch Europa, präsentieren sich hier und dort, machen Halt auf Sizilien, leben in der Binz-Stiftung in Schuls.
Doch dann empfindet Vogel das Unstete plötzlich als Sackgasse. Sie zieht 1994 nach Biel, in die Nähe ihres Bruders, der damals Koch im Kreuz in Nidau war. In nur einem Jahr entwickelt sie aus der Summe ihren bisherigen Erfahrungen die Produktion Chief Josef, die bei ihrer Erstaufführung 1995 in Bern Furore macht. Die Tanz-Szene ist im Aufbruch und Katharina Vogel steht mit der Radikalität, mit welcher sie östliche und westliche Traditionen verbindet und nicht mehr zwischen Tanz, Performance und Kunst unterscheidet, am entscheidenden Wendepunkt. Stimmungen wuchern und wachsen wie emotionelle Schachtelhalme aus Raum und Körper schreibt der Bund dazu und das Oltner Tagblatt meint: Ihre geschmeidigen, kraftvollen Rumpfbewegungen kneten den leeren Raum. Sie verwandelt ihren Körper in eine von unterirdischen Kräften attackierte Landschaft. Der Première in Bern folgt eine ausgedehnte, internationale Tournee.
Der weitere Weg ist ein Abtasten will sie allein weiter gehen, sich auf Kollaborationen einlassen? Die folgenden Projekte gehen in die eine und andere Richtung, wobei Velvet Iglu (2000) mit dem englischen Sänger Phil Minton und dem Bieler Cellisten Martin Schütz vielleicht am wegweisendsten ist. Denn immer wieder sind seither Produktionen in direktem Dialog zwischen Körper-Ausdruck und Musik-Improvisation entstanden. Sehr bestimmend in Ohr (2010) mit Christian Müller, sehr fein und subtil im kommenden Black Song mit Frank Heierli (Cello).
Doch eines ist klar: Auch wenn Katharina Vogel heute in der zeitgenössischen Schweizer Tanz-Szene ein fester Begriff ist, so ist heisst das noch lange nicht, dass ihre Position einem breiteren Publikum bekannt wäre. Ähnlich wie die Neue Musik sind auch die Ränder des Tanzes eine für viele unbekannte Insel. Von grossen Besucherzahlen kann Katharina Vogel nur träumen. Uns fehlt eine Lobby, sagt sie und weiter: Wir haben keine Veranstalter, wir sind Einzel-Unternehmende, das führt uns an Grenzen. Natürlich möchte sie wie in den 1990er-Jahren international auftreten und erzählt begeistert von einem Festival in Kapstadt, zu dem sie 2008 eingeladen war. Sogleich fügt sie indes bei: Die Stadt Biel und der Kanton Bern haben mich immer unterstützt, so dass ich meine künstlerische Arbeit bisher zielgerichtet weiter entwickeln konnte. Doch in Zukunft?
Ein wichtiges Ereignis prägt Katharina Vogels Gegenwart zusätzlich: 2005 kam ihre Tochter Lina zur Welt. Wunderbar ist die Erinnerung an die Produktion raum berühren, die sie im Ried in Biel unter freiem Himmel zeigte und ohne dass man als Besuchende zunächst ganz sicher war eigentliche eine Hymne an die Schwangerschaft war, an die Verbindung des Körpers mit Himmel und Erde. Das Erkunden weiblicher Sinnlichkeit war auch in Speak tenderness (2008) zentral und wird auch in Black Song ein Thema sein. Wie kann ich jenseits aller vorgegebenen Codes das sinnliche Sein im Körper, die Liebe, die alles sieht, in mir finden?, fragt sie in ihren Notizen.
Die Aufführungen
Katharina Vogel zeigt ihre Produktionen in Biel im Espace culturel am Rennweg.
Das war schon bei corps liquide (2002) blut (2003), speak tenderness (2008) und ohr (2010) der Fall.
Die Bühnenbilder waren abgestimmt auf die Produktionen. Verena Lafargue schuf die Bühne für blut, Saskia Edens für speak tenderness, René Zäch für ohr .
Black Song verzichtet auf ein Bühnenbild, setzt auf Kostüm (Barbara Krämer) und Frank Heierli mit seinem (lädierten) Cello.
Première: Mittwoch, 28. September 2011, 20.30 Uhr . Weitere Aufführungen in Biel: Donnerstag, 29., Freitag, 30.September, Samstag, 1. Oktober.
Frühjahr 2012: Teilnahme am Festival Heimspiel in der Dampfzentrale in Bern.
Bildlegenden:
Katharina Vogel: Dance from Landscape, frühe 1990er-Jahre. Foto: Nick Parkin
Szenenbild aus Speak tenderness (2008). Foto: Georgios Kefalas