azw’s Newsletter September 2014
DAS Ereignis für mich war zweifellos „Le Mouvement“ , die 12. Schweizer Plastikausstellung in Biel/Bienne. Mit dem Thema „Körper im öffentlichen Raum“ schlug sie einen Bogen von Hubachers bronzenem „Tänzer“ (1945) vor dem Neuen Museum zu den live in der Stadt performenden „Skulpturen“ en mouvement. Mit Performance-Choreographien und -Konzepten von 1961 (Simone Fortis „Huddle“) bis 2014 („Titled Arc“ nach Richard Serra von Alexandra Pirici u.a.) wurde die neu-alte Aktualität des Themas unterstrichen. Die Live-Performances Ende August waren der Höhepunkt. Müsste ich eine „Rangordnung“ machen würde ich Luciana Achugars „Pleasure-Project“ (2014), das die Strasse (den Teerboden) so radikal und „schmerzhaft“ auslotete, dabei aber auch Menschennähe zuliess, zuoberst platzieren. Daneben würde ich aber gleich Willi Dorners „Bodies in Urban Spaces“ (s.Bild) stellen, weil die von Ort zu Ort flitzenden jungen, farbigen TänzerInnen den Stadtraum so köpernah, lebendig und lustvoll in Szene setzten. Obwohl beides aktuelle Choreographien sind, loten sie aus, was Jan Verwoert im Katalog als Unterschied zwischen den 60er/70er-Jahren und heute sieht: die nach Innen gerichtete Ernsthaftigkeit damals, die im Heute um den Faktor „lustvoll“ erweiterte Praxis.
Dieser Wandel zeigt sich auch in der (bis November 2014 dauernden) Ausstellung im Kunsthaus Pasquart. Hier haben die Kuratoren Jetzer/Sharp ihre Recherchen zum Thema mit Videos und Fotoserien zur Ausstellung inszeniert. Obwohl zum Teil etwas „schulmeisterlich“, ist die grosse internationale Auslegeordnung interessant. Sie reicht zum Beispiel von Valie Exports „Figurationszeichen“ (1976) bis zu Dara Friedmanns rhythmischen „Dancer“ in New Yorks Strassen (2011) oder von Dieter Meiers „Gehen“ (1969/70) bis zu Gelitins „Nella Nutella“ (Venedig 2001), schliesst aber auch Ikonen wie „Needle Woman“ von Kim Sooja mit ein.
Die 12. Schweiz. Plastikausstellung ist nicht unumstritten – viele vermochten den Wechsel zum „Körper als Skulptur“ nicht akzeptieren. Doch das Konzept entspricht dem Zeitgeist, der das Event (den Moment) dem Statischen vorzieht, der mobil und flüchtig ist. Und insofern richtig. Umsomehr als die Kuratoren ihr Thema strikte anwendeten indem nur der Körper als Sprache dient, keine Kostüme, keine Hilfsmittel. Und zwar ohne Ausnahme. Das mag limitieren, ist aber in der Konsequenz überzeugend und ermöglicht eine thematische Vertiefung im Umgang mit lebendigen Körpern (agierenden Menschen) im öffentlichen Raum, quer durch die Jahrzehnte und auch quer durch die städtischen Parameter, welche mitbestimmend sind. Wermutstropfen:Um den Katalog für die Vernissage der Ausstellung im Pasquart vom 30. August bereit zu haben, konnten keine Fotos der Live-Performances integriert werden. Das verwirrt; vor allem auch zukunftsbezogen. Da wäre es besser gewesen zu warten, um den Katalog zur Dokumentation zu machen.