Fokus Hannah Villiger Kunstmuseum Basel 2008

Fotografien gehören in den Kühlschrank

annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Mittelland-Zeitung vom 11. Nov. 2008

Das Museum für Gegenwartskunst Basel erinnert  an die durch ihre fotografischen Körper-„Skulpturen“  bekannt gewordene Aargauer Künstlerin Hannah Villiger und fragt nach der Zukunft.

Den Anstoss für „Fokus Hannah Villiger“, welcher die sich in öffentlichen Basler Sammlungen befindlichen Werke der 1997 verstorbenen Künstlerin vereinigt, gab Nikola Dietrich, die neue Direktorin des Museums. In einer Diskussion sagte sie: „Beim Durchstöbern der Sammlung sprang mich die Kraft dieser mir bisher unbekannten Arbeiten förmlich an“.

Und Mendes Bürgi, Direktor des Kunstmuseums Basel, ergänzte: „Wir erkennen heute, dass Villigers Umgang mit dem Körper nicht ‚zeitgeistig’ war, sondern so intensiv wirkt wie vor 20 Jahren“. Der interessanteste Kommentar zu den auf Polaroïd-Aufnahmen beruhenden Körper-„Skulpturen“ kam von einer Museumspädagogin, die auf die faszinierte Reaktion von Jugendlichen hinwies, die Villigers Vorgehen mit der auf den eigenen Körper gerichteten Pola-Kamera in der Hand durch ihre Handy-Fotos sehr gut nachvollziehen könnten.

Das Erstaunliche an der ein ganzes Stockwerk bespielenden und um Werke aus dem Nachlass erweiterten Präsentation ist die Fülle der Motive. Die Rezeption Villgers konzentriert sich fast immer auf die Art und Weise wie sie den Körper als „Material“ einsetzte, wie sie versuchte dem Körper habhaft zu werden indem sie ihn in performativen Selbstbildern in den Raum stellte. Doch erst ab 1983 arbeitete die 1951 geborene Aargauer Künstlerin primär mit dem eigenen Körper.

Ab 1975 fotografierte sie Objekte im Luftraum, Zeppelins zum Beispiel, oder sie liess sich von Trix Wetter fotografieren wie sie mit einem als Skulptur geschaffenen Holzspeer durch einen Hof rennt. „Krieger müssen Waffen haben“, sagte sie in der Aufbruchzeit der Frauen zu eigenem Körper- und Kunstbewusstsein.

Auch später, als sie in Paris lebte, suchte sie städtische Räume, meist aus der Vogelperspektive aufgenommen, den Körpersetzungen gleichzustellen. Vertreten sind auch die Anfänge der Körper zeigenden und sie dem gewohnten Abbild zugleich entziehenden Arbeiten, die sie oft mit ihrer damaligen Freundin Susann Wyss als Modell realisierte. Fazit: Obwohl Sammlungspräsentation ist die Ausstellung Retrospektive. Die letzte ihrer Art möglicherweise.

„Es war uns ein grosses Anliegen, die Arbeiten noch einmal so zu zeigen, wie es die Künstlerin wollte“, sagte Bürgi, nämlich als ungeschützte Vergrösserungen auf dünnstem Aluminium.

Der aus Wettingen stammende Künstler Eric Hattan, Nachlassverwalter Villigers, machte hingegen auf die extreme Fragilität der Arbeiten aufmerksam. Nicht nur indem er sagte, dass Fotografien zur Lagerung in den Kühlschrank gehörten, sondern auch indem er  hervorhob wie wichtig es sei, die technisch bald einmal nicht mehr reproduzierbaren, analogen Abzüge zu bewahren.

Obwohl auch die ehemalige Video-Künstlerin Anna Winteler, die Villiger sehr gut kannte,  im Gespräch  betonte, Hannah habe dieses Dünnhäutige ihrer Fotografien gewollt, werden sie wohl demnächst aus konservatorischen Gründen nur noch in Rahmen gezeigt werden.

„Fokus Hannah Villiger“ im Museum für Gegenwartskunst in Basel ist bis Februar  2009 zu sehen. Kataloge, Texte und TV-Dokumente ergänzen die Bilder.