Rudolf Urech-Seon Galerie Aquatinta Lenzburg 2009

Er trotzte der Zeit und ging seinen Weg

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Aargauer Zeitung vom 14. Mai 2009

Vor 50 Jahren starb Rudolf Urech-Seon, der erste abstrakt malende Aargauer Künstler. Sein Werk fasziniert noch heute. Das zeigt eine Ausstellung in Lenzburg.

Als die Schweizer Malerei in den 1930er-Jahren die Idylle suchte, schaute er genau hin und suchte in der Natur die geometrische Form: Der spät zur Kunst berufene Seoner Flachmaler und Absolvent der Kunstakademie München, Rudolf Urech (1876-1959). Die ungegenständliche Kunst war damals längst erfunden, doch im Aargau blühte nach wie vor der Spätimpressionismus und die Moderne löste nicht nur Kopfschütteln aus, man bekämpfte sie. Urech-Seon  hatte somit nur eine Möglichkeit: Seinen Weg allein zu suchen.

Er war dabei nicht ein Grossstädter in ländlicher Umgebung, sondern ein Einzelgänger, der die abstrakte Kunst für sich noch einmal erfand; in seinem Atelier-Schopf in Seon. Dass dies in den Landschaft abstrahierenden und zu freier Gestaltung mit Farbe und Form entwickelten Werken deutlich sichtbar ist, macht sein Schaffen und die Ausstellung in der Galerie Aquatinta so besonders. Er fand die Geometrie nicht im Mathematikbuch, sondern auf Spaziergängen durchs Seetal,  im Beobachten der Hügel, der Bäume und Horizonte, der Baumstämme am Weg, der Wolken am Himmel, aber auch der Häuser und Bahnschienen im Dorf.

Klar wusste Urech-Seon um die Aufbrüche der Kunst, doch er war kein Tänzer, der Picasso gleich Stile spürte und für sich kombinierte; Urech-Seon war ein Konservativer und ein Pionier in einem. Auch die surreale Phase der 1940er-Jahre, mit welcher er auf die Schrecken des Krieges reagierte, sind keine wilden Ausbrüche, sondern folgen seiner von Cézanne abgeleiteten Devise, dass Motiv und Form nicht zweierlei, sondern Komposition in der Fläche sei. Etwas, das die letzte und vielleicht schönste Phase im Werk des Künstlers immer freier, immer leuchtender, immer sicherer bestimmte.

Als Urech-Seon 1959 starb, hatte er zwar die Genugtuung, dass man in der progressiven Zürcher „Allianz“ sein Schaffen anerkannte, doch im Aargau vergass man ihn in der Folge weitgehend. Es gab zwar die eine und andere Retrospektive, doch so richtig stolz ist der Aargau auf seinen Pionier bis heute nicht. Vielleicht weil in der Rezeption bisher immer der latente Vorwurf hinterwäldlerischen Denkens mitschwang.

Kürzlich musste das Atelier des Künstlers geräumt werden. Der Umzug des Nachlasses nach Bern war für Daniel Gutscher, den Enkel des Künstlers, Ansporn sich erneut intensiv mit dem Werk zu befassen. Die Ausstellung bei Helene Emmenegger lässt das spüren. Sie vermittelt keinerlei Nachlass-Mief, ist vielmehr eine gültige Retrospektive, die indes dem landschaftlichen Frühwerk der 1920er-Jahre dem forschenden Suchen des Künstlers nach den prägenden Formen in der Natur breiteren Raum gewährt als frühere Ausstellungen.

Damit wird Urech als Maler, aber auch als Zweifler, als Suchender spürbar. Die 50er-Jahr-Werke mit ihrem sicheren Gespür für Rund- und Eckformen, „erzählerische“ Lineaturen und klare Farbsetzungen erscheinen so mehr denn je als Frucht lebenslanger Bildforschung. Diese spiegelt sich auch in der die Ausstellung elektronisch begleitenden Musik von Fabian Gutscher, dem Urenkel des Künstlers.

Info: Galerie Aquatinta, Stadtgässli 2, 5600 Lenzburg. Ausstellung Rudolf Urech-Seon bis 6. Juni. Offen: Do bis So 15-18.30 Uhr. www.aquatinta.ch

Bildlegenden:

Auf dem Weg in die Abstraktion: „Der Sturm“, Öl auf Leinwand, 1931. Bild: azw

Die Kraft des Alterswerkes: „Composition“ von 1952. Bild: azw