Joli mois de mai – Alte Krone – Biel

Das verflixte achte Jahr

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 9. Juni 2009

Nach 25 Ausstellungen mit 37 Bieler Kunstschaffenden ist der „Joli mois de mai“ 2009 seit Sonntag zu Ende. Das Stelldichein war ein Erfolg, überzeugte qualitativ aber weniger als 2008.

Während sieben Jahren konnte sich der von der „visarte“, Sektion Biel, veranstaltete Zyklus von Einabend-Ausstellungen in der Alten Krone von Jahr zu Jahr steigern. Obwohl juryfrei und im Ablauf zusammengewürfelt, entstand eine Atmosphäre, die letztes Jahr gar den Begriff des „Festivals“ aufkommen liess.  Es war nicht zuletzt die rege Beteiligung an Daniela de Maddalenas Kleinbild-Börse „Asupi“, die dazu beitrug. Auf diesen Lorbeeren ruhte sich die Bieler Kunstszene heuer quasi aus. Es gab Highlights, es gab Überraschungen, auch Neubegegnungen, aber summa summarum fehlte der Kick, der an der Finissage schon die Vorfreude auf 2010 lanciert hätte.

Robert Schüll, Präsident der Bieler Künstlergesellschaft, ist, vor allem auch was das Publikum anbetrifft, zufrieden, doch, so gestand er am Sonntag, „es gab Abende, da betete ich, dass die Kritikerin nicht erscheinen würde“. Fakt ist, dass der bilanzierende Eindruck jedes Festivals welcher Art auch immer Zufallsmomente beinhaltet, indem kaum jemand alle Darbietungen gesehen hat.

Manor-Preisträger San Keller, dessen Ausstellung im Museum Pasquart noch bis 14ten Juni läuft, postuliert unter anderem ein neues Miteinander unter den Kunstschaffenden: „Wir müssen wieder vermehrt zueinander in die Ateliers gehen“, schreibt er im Katalog und zeigt sich in einem Fotozyklus wie er an Werken von Kollegen arbeitet. Der „Joli mois de mai“ ist im Kern nichts anderes und hat genau darin einer seiner Trümpfe.

Das jährlich partiell wechselnde Stelldichein ist sowohl als Publikums-Veranstaltung wie als Austausch-Plattform unter den Mitgliedern der „visarte“ konzipiert. Im Gegensatz zum nationalen Trend, sind in  Biel sehr viele Kunstschaffende in der „visarte“ vereint, sodass diese mit Fug und Recht als Vertreterin der Kunstszene auftreten kann.

Mit der Führung des „Espace libre“ im Centre Pasquart und der Trägerschaft des „Joli mois de mai“ hat sie eine Präsenz wie – das sei behauptet – keine andere Sektion in der Schweiz. Dies obwohl sie – auch das ein Unikum – die einzige regionale Sektion ist; alle anderen sind kantonal geführt. Dass die ganz junge Garde (noch) nicht mit dabei ist, mag bedauerlich sein, hat aber wohl mehr mit Lebensalter zu tun als mit Ablehnung. Sie versammeln sich eher rund um das „Lokal.int“.

Die Grösse einer Sektion ist  indes nicht mit künstlerischer Qualität gleichzusetzen. Darum ist sie bei einer bewusst juryfreien Veranstaltung nicht vor einer durchzogenen Bilanz gefeit, je nachdem wer in der Jahreskonstellation mitmacht und wer nicht und, ganz wichtig, mit wie viel Engagement. Denn wer sich für eine Einabend-Ausstellung mit Eventcharakter nicht etwas Besonders ausdenkt, fällt durch.

Auf der positiven Seite kann das ein erster Einblick in eine neue Werkserie sein (Tiziana de Silvestro, Ruedy Schwyn, f&d cartier) oder – immer beliebt – eine Performance (Les Tricoteuses) respektive eine medial animierte Installation (sillypet). Das kann auch eine Kombination von visuellen und musikalischen Elementen (Monsignore Dies) sein, eine sich bewusst auf einen Tag konzentrierende Kunstproduktion (Barbara Krakenberger), die Präsentation im Lokalen, was original zum Beispiel in Korea stattfand (Daniela da Maddalena & susanne muller). Es kann auch ein Erstauftritt neu zur Bieler visarte gestossener Kunstschaffender sein (Seppo Verardi, Sabine Jo Balerna, Isabelle Hofer-Margraitner) und weiteres mehr.

Mit der Möglichkeit Gäste einzuladen, sollten Türen geöffnet werden; das ist ein guter Gedanke, auch wenn er heuer nicht geglückt ist, denn es gelang fast nur Lorenzo le kou Meyr, damit Bereicherung zu schaffen. Vermochten sich die Miniaturen seiner Mitausstellerin Aurélie Jossen (31) an den Bieler Jahresausstellun-gen bisher kaum Gehör zu verschaffen, gehört ihre Kleinst-Blei-Vase mit dem Schriftzug „moi“ und den eher herauswachsenden als eingestellten filigranen Ärmchen nun aus subjektiver Sicht zum bleibenden Erinnerungsschatz des „Jolimai“ 2009.

Zum Publikumserfolg der Veranstaltung – es gab keinen einzigen Abend mit gähnender Leere – trugen (neben Petrus, dem Wettermacher) ohne Zweifel „Susan & Ueli Engel“ bei, die nicht etwa ein Ausstellungs-Bistro führten, sondern einmal mehr temporärer kulinarischer Geheimtipp der Altstadt waren. Nichtsdestotrotz ist die für August 2009 angesetzte interne „Qualitätskonferenz“ von Nöten, will der „Jolimai“ nächstes Jahr wieder positive Schlagzeilen liefern.

Bildlegende:
Ausgetrunken: Nach 25 Einabend-Ausstellungen gehört der „Joli mois de mai“ 2009 der Vergangenheit an. Bild: Robert Schüll

2009 waren mit dabei
Monsignore Dies, Tiziana de Silvestro, Susa Mézquita, Sygrid von Gunten, Esther Lisette Ganz, Hubert Dechant

f&d cartier, Manette Fusenig & Jocelyne Rickli, Thomas Schori, Les Tricoteuses, Heini Stucki, sillypet, le kou Meyr & Aurélie & Sarah Jossen, Jean-Denis Zaech & Ruedy Schwyn, Daniel Schär

Sabine Jo Balerna & Barbara Krakenberger, Annemarie Würgler & Beat Breitenstein, Isabelle Hofer-Margraitner, Michael Medici & Zdevan Qumr

Eve Monnier, Daniela de Maddalena & susanne muller, Wolfgang Weiss, Seppo Verardi, Willi Müller & Michéle Dillier, Monika Loeffel.    (azw)

Kurztexte, erschienen im Laufe der Veranstaltung:

Faux pas beim Jolimai

azw. Das Festival der Bieler Kunstschaffenden, der „Joli mois de mai“ in der Alten Krone ist  gut gestartet. Einen Akzent setzten zum Beispiel die Fotoserien aus dem Kern der Street Parade von Tiziana de Silvestro. Vor zwei Tagen jedoch trat Hubert Dechant in ein Fettnäpfchen. Hätte der in Basel lebende Bieler ein stichhaltiges Konzept vorgelegt, warum er seinen „Platz“ in der Krone den Farbstift-Füchsen Foli und Foxi und ihren niedlichen Freunden aus der Hand der Freizeit-Kinderbuch-Illustratorin Erika Sutter überliess,  man vermutlich konstruktiv über das Verhältnis von Kunst und Nicht-Kunst diskutiert. Umsomehr als Dechant in seinem eigenen Schaffen immer wieder mit unorthodoxen Netzwerken arbeitet. So aber geriet seine Äusserung, wonach eh das Wenigste das im „Jolimai“ gezeigt werde Kunst sei, den Künstler-Freunden, die seinetwegen in die Altstadt gekommen waren, wohl in den falschen Hals. Die sich bisher aus einer positiven Konkurrenz heraus steigernde Qualität des Bieler Kunsttreffens erhielt einen Dämpfer, der bei den Verantwortlichen der Bieler Künstlergesellschaft Visarte wohl noch zu reden geben wird. Vorläufig aber ist Fortsetzung angesagt. Heute sind Manette Fusenig&Jocelyne Rickli am Ball, morgen Thomas Schori und am Sonntag „Les Tricoteuses“ (Carla Etter&Patricia Laurelin).

Les Tricoteuses am Jolimai

Es ist ein köstliches Kapitel, das Les Tricoteuses am Sonntagabend dem „Schönen Monat Mai“ in der Alten Krone beifügten: Den Streit um einen langen roten gestrickten Schal. Denn dass die schwarz gewandete Patricia Laurelin mit ihren kleinen Teufelshörnern ihn genüsslich auflöst, bringt die rote Performance-Partnerin Carla Etter in Rage. Aufgeregt knüpft sie die losen Fäden wieder zusammen, ruft das Publikum zu Hilfe. Doch die Teufelin lässt sich nicht beeindrucken und ruft ihrerseits zur Unterstützung auf, um „endlich ein Glas Wein trinken gehen zu können“. So performen schliesslich die Hilfsgeister statt die Protagonistinnen.
Weltbewegend war die Idee nicht, aber weil Gestricktes so viel Gender-Symbolik impliziert und auch die Thematik von anreissen und schliesslich die Arbeit anderen überlassen viele Facetten hat,  war die 10te Vernissage des kleinen Bieler Kunstfestivals eine durchaus gelungene. Rund 50 Personen wohnten dem kurzen Spektakel bei. Schon die Tage zuvor mit einem vom barocken Geist Venedigs inspirierten, medial neuen Kapitel geheimnisvoller „Fotografie“ des Duos f & d cartier sowie die Präsentationen von Manette Fusenig & Jocequlyne Rickli sowie Thomas Schori lockten ein zahlreiches Publikum an. Auch diese Woche geht es Schlag auf Schlag. Mittwoch (18-20 Uhr):  Heini Stucki, Donnerstag: Sillypet, Freitag: Le kou Meyr, Aurélie und Sarah Jossen, Samstag: Jean-Denis Zaech & Ruedy Schwyn, Sonntag: Daniel Schär.

Joli mois de juin

Seit 20 Tagen kehrt ein harter Kern und eine wechselnde Entourage von Mittwoch- bis Sonntagabend  täglich in der Alten Krone in der Bieler Altstadt ein. 20 Ein-Abend-Ausstellungen von Bieler und Seeländer Kunstschaffenden haben stattgefunden, sieben stehen noch bevor. Aus Joli mois de mai wird Joli mois de juin.
Ein Highlight dieser Woche waren die grossformatigen Aktions-Skizzen von Barbara Krakenberger. Nicht nur weil die Erlacherin eine hervorragende „Theaterzeichnerin“ ist, sondern weil sie das Wesen der Kunst-„Eintagsfliegen“ auf den Punkt brachte.
Sie hatte einen Stapel von starkem fleischrosafarbenem, vom Gebrauch geknittertem Verpackungsapier, Bleistifte und einen Rotstift bei sich, als sie am Mittwochnachmittag mit Sabine Jo Balerna vor Ort eintraf.
Wie sich diese ans Aufhängen ihrer mit Blumenmotiven verdichteten Bildserien macht, glättet Krakenberger ihre Papiere und beginnt die Tätigkeit ihre Kollegin aufs Papier zu bannen. Messen, nageln, prüfen, lachen; nichts steht still, alles ist in Bewegung, der Bleistift hält fest, was sich verdichtet, lässt zurück, was allzu schnell wieder verschwindet.
Der Rotstift markiert die Zehennägel und den Hammerstiel, aber auch die Zeichnung selbst, die sich mit  Schwung in die kantigen Knitterspuren eingewoben hat. Es ist ein Eintages-Werk wie es dem Jolimai entspricht.
Heute abend haben Michael Medici & Zdevan Qumr ihren Auftritt, morgen Sonntag Eve Monnier (je 18 Uhr). Dann stehen (ab Mittwoch) noch Auftritte von Daniela de Maddalena & susanne muller, Wolfgang Weiss, Seppo Verardi, Willi Müller & Michéle Dillier sowie Monika Loeffel an.