Zwischen Poesie und Konstruktion
Christoph Rihs: «Heimspiel» im Centre PasquArt in Biel Bieler Tagblatt 24.März 2004
Zu den Aufgaben des Centre PasquArt gehört unter anderem die Repräsentation der regionalen Kunstszene. Schön, wenn lokal und international zusammenfallen wie bei den Installationen von Christoph Rihs.
«ego ver sum» nennt der Wahl-Weimarer Christoph Rihs die Ausstellungsreihe, die Installationen in der Galerie der Stadt Tuttlingen, im Centre PasquArt in Biel und in der Kunsthalle Weimar verbindet. «ego ver sum» – «ich wahr bin». Wer da rot sieht und denkt, der nimmt den Mund aber etwas gar voll, liegt falsch, respektive richtig und falsch.
Der rote Faden, der sich durch das in den letzten 20 Jahren entwickelte Werk zieht, ist die Beschäftigung mit Welt-Bildern, mit Welt-Erklärungen von der Renaissance über den Barock bis zur Gegenwart. Dabei ist der Ansatz eine Mischung zwischen Faszination und kritischer Distanz. «ego ver sum» ist also eher Dialog zwischen «egoversum» und «universum», denn «ich bin die Wahrheit». Der verhalten ironische Ansatz spiegelt sich auch in Rihs‘ Objekten, Skulpturen und Installationen. Denn fast mehr als die Inhaltlichkeit der Weltbilder, die er im Visier hat, interessiert den Künstler, wie er sie in plastische Materialität umsetzen kann. Wie er Wissenschaft, Poesie und Konstruktion so in einen bildnerischen Dialog bringen kann, dass er sich visuell vermittelt.
Lange diente ihm der «Globus» respektive die Thematik von Weltkarten als Grundlage. Getrieben vom Gedanken, dass Karten wohl nützlich sind, aber in ihrer Aussagekraft nicht mehr als Modelle, schuf er unter anderem halbhohe, röhrenförmige Skulpturen aus Holz, Wachs und Metall, die er so platzierte, dass man in beliebigen Schlaufen um die Welt spazieren konnte.
Mit diesen Arbeiten meldete sich Christoph Rihs 1991 quasi in die Schweiz, nach Biel zurück. Von wo er 1980 ausgezogen war, um in Düsseldorf zu studieren. Die Kunstakademie Düsseldorf war damals so etwas wie die «Berner Kunstakademie», lehrten dort doch zahlreiche Berner Künstler (Christian Megert, Franz Eggenschwiler, Alfonso Hüppi und andere mehr). Seither hatte Christoph Rihs vor allem in Deutschland zahlreiche Möglichkeiten, grosse, vielfach ortsspezifische Arbeiten zu realisieren und sein Werk weiterzuentwickeln, ohne dass man das hier so ganz realisierte. Vielleicht ist es typisch, dass er 2002 für die Freilichtausstellung «Art Canal» eine «Schilf-Arbeit» (aus Fischerruten) realisierte, die er am Ufer des Neuenburgersees platzierte, weitab vom Zentrum der Ausstellung am Zihlkanal.
«Ich bin ein Selbstläufer», sagt Christoph Rihs dazu. Was so viel heisst wie: «Ich arbeite entlang den Anfragen, Aufträgen, Wettbewerben etc., die an mich herangetragen werden. Mich selbst in Szene setzen fällt mir schwer.» Und offenbar funktioniert das im Fall von Christoph Rihs, sowohl was seine freie wie seine lehrende Tätigkeit anbetrifft.
Dass er inzwischen nicht mehr in Düsseldorf, sondern in Weimar lebt und arbeitet, hat persönliche Hintergründe: seine Frau, die amerikanische Künstlerin Liz Bachhuber, hat eine Professur an der Bauhaus-Universität in Weimar. «Einerseits ist es verrückt, so ins Offside zu ziehen», sagt er, «doch andererseits ist die Umbruch-Situation im Osten auch eine kritische Herausforderung.
In Centre PasquArt zeigt Christoph Rihs drei sehr verschiedene Arbeiten, die indes die ebenso poetische wie aufklärerische Denk- und Arbeitsweise des Künstlers eindrücklich spiegeln.
Im Zentrum steht die «Landschaft» in der Salle Poma. Eine Installation, die der Künstler in Biel fertigte und vor Ort zusammenbaute. «Landschaft» verweist auf Raum und Begehbarkeit. Dass die Gäste der Ausstellung das ohne Hinweis begreifen, zeigt sich täglich. Ob allein, zu zweit oder mit Kinderwagen – zwischen den offenen, skelettartigen Sperrholzkelchen verschiedener Grösse wird munter hin und her und rundherum spaziert.
Die Arbeit gehört in eine neuere Reihe, die Naturformen (hier Eukalyptuskerne) von ihrer mikrokosmischen Konstruktion her begreift und als Modelle unterschiedlicher Skalierung in den uns vertrauten Makro-Raum stellt. Damit wird klein und gross relativ in Bezug auf seine (Welt-) Bedeutung. Etwas, das uns die Physik in den letzten Jahren fast täglich lehrt (man denke an die Quantenphysik, an die immer kleiner werdenden Datenträger).
Aber so weit geht Rihs nicht; er weiss das zwar, doch will er das Phänomen vielmehr erfahrbar machen. So steht denn hinter der scheinbar zufälligen Anordnung der Rippen-Schalen, die auch als Parabole gelesen werden können, eine subtile Auseiandersetzung mit dem Raum, seinen Ausdehnungen, dem vom oben kommenden Licht, dem Verhältnis von gefassten und offenen Zonen. Da ist der Künstler an der Arbeit, der mit den Sinnen gestaltet, was die Idee im Kopf entwickelt hat. PC-Programme, Projektionsapparate und gutes altes Handwerk sind seine «Helfer» bei der Realisierung.
Eine zweite Arbeit im Vorraum der Salle Poma setzt sich aus Sperrholzwürfeln zusammen, in die Zeichen aus dem «I Ging», dem chinesischen «Buch der Wandlungen» eingebrannt sind. Es ist eine Arbeit, die an der Basis 2003 in Südkorea entstand (das die Zeichen in seinem Wappen hat). Das West-Ost-Thema will Rihs indes verallgemeinert verstanden wissen, als (kritische) Frage an Zufall, Bestimmung und Weissagung. Möglich, dass das auf Menschen, die sich spirituell mit östlichem Gedankengut auseinandersetzen etwas gar oberflächlich wirkt.
Überzeugender ist die dritte Arbeit der aktuellen Ausstellung im Foyer des Museums. Da breiten sich offene Regenschirme zu einem Feld mit vielen kleinen Himmeln aus. Denn die Innenseite der schwarzen Dächer zeigen auf Stoff übertragene Himmelsfotografien. An Tiefe gewinnt die Arbeit mit der Zusatzinformation, dass es sich um den Himmel über der Waffenstillstands-Linie zwischen Süd- und Nordkorea handelt. Was auf der Erde bestimmend ist für ganze Völker, verbindet sich im Blick zum «Himmel» zum ungetrennten Ganzen…
«Ich wollte diese Arbeit hier zeigen, weil sie mich an die Situation meiner Kindheit in Biel an der Grenze zwischen Deutschschweiz und Romandie erinnert», sagt der Künstler. Mögen das all jene, die aktuell mit Themen des Bilinguismus beschäftigt sind, bedenken.
Zur Ausstellung erscheint ein Übersichtskatalog, der mit Ergänzungen allen drei Stationen der sich von Ort zu Ort wandelnden Ausstellung als Publikation dient.
Christoph Rihs in der Installation «Landschaft» in der Salle Poma des Centre PasquArt. Eukalyptuskerne dienten dem Künstler als Basis für die Konstruktion der aus Sperrholz gefertigten «Parabol-Skelette». Bild: Stefan Wermuth