muller susanne Lichtinstallation Môtier 2001

Die Landschaft_der Winter_die Nacht_das Licht

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 19. Januar 2001

Hundert je 1,65 Meter lange Neon-Röhren ziehen sich als Lichttanz durch die Winterlandschaft des Val de Travers. Die Seeländer Künstlerin susanne muller hat eine einzigartige Installation realisiert.

Wer das Gefühl hat, er habe den Winter dieses Jahr noch nicht erlebt, dem bietet das Val de Travers eine einzigartige Möglichkeit dazu: Bis zum 31. Januar, eventuell auch länger, ist nachts in der offenen Landschaft zwischen Boveresse und Môtier eine rund 150 Meter lange und 10 Meter hohe Installation mit 100 an 60 Baumstämmen befestigten, weiss und rosa leuchtenden Neon-Röhren zu sehen. Projektiert und mit einem Team von Freunden und ortsansässigen Handwerkern realisiert von der in Prêles und Berlin lebenden Künstlerin susanne muller (1953). Ein einmaliges – nicht zu verpassendes – Erlebnis, das Kraft und Raum, Bewegung und Stille miteinander verknüpft, mitten in der Nacht, mitten im Winter, mitten im Jura.

Der Jura, die Nacht und das Licht – drei Dinge, die sich anzuziehen scheinen. Doch die aufwändige Installation, welche susanne muller mit grossem Einsatz in die Tat umsetzte, hat nichts mit Viniterra zu tun, der Rebberg-Lichtzeichnung, die der Solothurner Künstler Ueli Studer an Ostern 2000 von Biel bis La Neuveville inszenierte. Zwar geht es auch hier um das Licht in der Landschaft in der Nacht, doch das Interesse der Künstlerin gilt der Bewegung, die sich als künstlicher Lichttanz durch den stillen Raum zieht. Den nervigen Strichen in ihren Arbeiten auf Papier, dem roten Laserstrahl in ihren vibrierenden Raumzeichnungen entsprechend. Obwohl de facto statisch, scheinen sich die 100 in verschiedenen Winkeln zueinander stehenden Lichtröhren zu bewegen. Je nach Blickrichtung und Standort gehört die Installation zum Tal, zum Dorf oder zu den Hügeln. Wer punkt halb neun da ist, erlebt sie gar in Wechselwirkung zur Lichtspur des röhrenden TGV auf dem Weg nach Paris.

„Wenn man in der Nacht durch den Jura fährt, erscheinen die Dörfer zuweilen wie lebendige Lichtbänder vor dem Dunkel der Bergzüge, das inspirierte mich“, sagt die Künstlerin. Mit dem aus dem Landschaftserlebnis gewachsenen Projekt bewarb sich susanne muller im Herbst 1999 an einem Wettbewerb zum 20-Jahr-Jubiläum des Centre culturel du Val de Travers mit Sitz in Môtier, einst bekannt für national beachtete Freilicht-Ausstellungen. Als eines von vier unter 80 Vorschlägen erhielt ihr Projekt den Zuschlag für die Realisation. Da sich die Suche nach zusätzlichen Sponsoren in die Länge zog (ach, wie bekannt!), hat sich die Umsetzung ihrer „déclaration d’amour au jura“ verzögert und ist nun zur vielleicht ersten künstlerische Freilicht-Installation im Winter geworden. Was für ein Glück! Denn Helligkeit im Dunkel hat auch in unseren Breitengraden im Januar eine um ein Vielfaches verstärkte Wirkung. Auch wenn es hier inhaltlich nicht um Mystisches geht, sondern um die Sichtbarmachung von Vitalität im Austausch mit der Landschaft einerseits und dem von Menschen besiedelten Raum andererseits.
Dazu gehört, dass die Künstlerin die rund 500 Meter Kabel nicht zu verstecken sucht, sondern als schwingende Elemente zwischen den Stämmen sichtbar belässt. Dazu gehört, dass ihr die Assoziation zu „Baugerüsten“ als Zeichen für Architektur willkommen ist. Und die Installation als Ganzes, so betrachtet, zu einer Zone der Wechselwirkung von gestaltetem und gewachsenem Raum wird. Etwas, das die Künstlerin – allein oder in wechselnden Teams – seit langem und im Rahmen von urbanistischen und Kunst am Bau-Projekte, Installationen und Interventionen (neuestens sogar im Bundeshaus) fassettenreich beschäftigt.

Die Lichtinstallation verläuft parallel zur Allee, die von Boveresse (Strasse Neuenburg – Pontarlier) in Richtung Môtier über die Areuse führt.