Eidgenössischen Preisträger/-innen in der Kunsthalle Freiburg 2000

Video und Fotografie so weit das Auge reicht

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt  07_November  2000

In der Fülle des Wettbewerbes in Basel kaum greifbar, gibt die Sonder-Ausstellung der Eidgenössischen Preisträger/-innen jeweils einen spannenden Überblick der jungen Kunstszene Schweiz. Bis 23.12.2000 zu sehen in der Kunsthalle Freiburg (Fri-Art).

Die Eidgenössischen Preise für freie Kunst sind begehrt – sowohl als Finanzspritze wie als Eintrag ins Palmares. 504 Kunstschaffende unter 40 Jahren haben sich in diesem Jahr darum beworben. 18 Künstler und 10 Künstlerinnen (wovon 3 Duos) haben einen der Preise à 25 000 Franken erhalten; vier davon zum dritten und letzten Mal; acht zum zweiten Mal und zwölf zum ersten Mal. Damit zeigt die Eidgenössische Kunstkommission (EKK) Konsens und Risikofreudigkeit. Die Ausstellung in der Kunsthalle Freiburg (Fri-Art) und einer hinzugemieteten Industriehalle zeigt die Wahl in Werken.

Spannend sind zum Beispiel die vier Positionen, die in den letzten fünf Jahren das Maximum von drei Preisen erhielten. Trotz der Verfälschung durch die freie Wahl der Bewerbungsjahre (man kann sich insgesamt 7x bewerben) zeigen sie, welche Werke in den Augen der EKK so ausserordentlich sind, dass sich die Meinungen immer wieder darauf fokussieren. Es sind Olaf Breuning (1970), Heinrich Lüber (1961), Anna Amadio (1963) und Frédéric Moser/Philippe Schwinger (1966/61). Oder medial ausgedrückt: Inszenierte Fotografie und Video, Performance und Fotografie, Skulptur und Video, Video und Film. Inhaltlich kann man eine gemeinsames Interesse der vier an filmischen respektive theatralischen Effekten feststellen.

Der in Zürich lebende Olaf Breuning ist ein Shooting-Star. Die Trend-Galerie „ars futura“ hat den charmanten Schaffhauser in den internationalen Zirkus katapultiert. Ob er da die immer kürzer werdende Halbwertszeit der Modeströmungen überlebt, wird sich zeigen. Der mit Fotografie und Installation Arbeitende liebt Verkleidung und Rollentausch und spielt ästhetisch bravourös mit märchenhafter Romantik, filmischem Grusel und kindlichem Kitzel. In Freiburg zeigt er in einem unterirdischen Tunnel vier fotografische Szenen.

Der in Basel lebende St.Galler Lehrer Heinrich Lüber ist ein Spät- und Quereinsteiger In seinen Life-Performances verbindet er altes Gauklertum mit heutiger Eventkultur. Seine Aktionen sind Kunst-Stücke, dabei in ihrer raum- oder situationsbezogenen Anlage aber zugleich Skulptur. Erstmals präsentiert er sich in Freiburg nicht über Dokumentation, sondern durch ein „Kostüm“: Ein riesiges, stoffbespanntes Rad mit einem Loch in der Mitte und langen gelben Beinen. Für die Vernissage-Performance stieg er (fürs Publikum unsichtbar) ein und man wusste nicht so recht, ob es sich um einen Irdischen oder einen vom Himmel Gefallenen handelte.

Anna Amadio hat die drei Preise für zwei Epochen in ihrem Werk erhalten. Den ersten Preis (1996) erhielt die in Basel lebende für transparente Luft-Objekte, die sie zu Räumen in Räumen aufblies. In Freiburg präsentiert sie ein Video, allerdings kein gewöhnliches. Indem sie dem Filmbild durch Manipulation die Farbe entzog, blieb nur der bewegte, graue Strich. In der Projektion ergibt sich daraus ein der Realität entzogenes Wechselspiel von Aufscheinen und Absinken des Motivs (die Künstlerin, auf einem Sofa liegend und lesend, ihren Hund neben sich).

Den dritten Preis in Serie erhielt das Genfer Duo Frédéric Moser/Philippe Schwinger. Sie überzeugen in Freiburg ein weiteres Mal durch eine Video-Geschichte zwischen Theater und Film. Auch diesmal mit der Charakteristik, dass die Doppelprojektion nur Suggestiv-Bilder zeigt, u.a. einen Gefesselten, der sich zu befreien sucht im rechten und einen in seinem Garten ein Loch Aushebenden im linken Bild. Durch Verknüpfung im Kopf entsteht-– TV-gewohnt wie wir sind – ein Krimi; ob zu recht oder zu unrecht bleibt offen.

Das Muster des Möglichen, des verschieden Interpretierbaren wird häufig angewandt. Sehr pointiert bei der in Genf lebenden Deutschschweizerin Ingrid Wildi (1963). Sie zeigt eine Dreifach-Projektion mit drei einzeln aufgenommenen Männern, die in einer Art Video-Konferenz miteinander sprechen. Alle erzählen von einer Frau. Ob von derselben in verschiedenen Lebensabschnitten oder von drei Frauen, ist nicht eruierbar. Eine offene Interpretation in einem ganz anderen Sinn zeigen die Hand- und Pixel-Zeichnung, Comic und Fantasy-Welt kombinierenden Fotoprints von Dominique Lämmli. Und noch einmal anders die Party-Fotografien der jungen Alexia Walther (1977, Genf), die ihre Gäste in unspektakuläre, aber auch irritierende Posen erstarrt zeigt.

Ein stärkeres Gewicht als in früheren Jahren hat die Performance. Nicht zuletzt weil die Künstler/-innen gelernt haben, Performance und Dokumentation künstlerisch zu verknüpfen. Geneviève Favre (mit Jahrgang 1978 die jüngste) zum Beispiel ist auch während einer Life-Performance nur über Monitore sichtbar. Und Victorine Müller (1961) gestaltet ihre inszenierten Körper-Performances so bildhaft und farbbetont, dass sie life und als Dokumentation gleichwertig sind. Erstmals ist auch ein Net-Art-Werk ausgezeichnet worden: Monika Studer und Christoph van den Berg bieten Surfern virtuelle Ferien in einer virtuellen Landschaft.

Dass es neben Video, Fotografie und Internet auch Spannendes im Bereich der Installation geben kann, beweisen Jörg Lenzlingers vielfarbige Kunstdünger-Kristallisationen, die wie ein „Störfall“ in einem „hors sol“-Blumenbeet aussehen. Ästhetik und Künstlichkeit hat, so zeigt der Zürcher mit Schreinerdiplom, viele Gesichter. Dass Fiktion auch ins Reale kippen kann, zeigt umgekehrt das „bewaffnete“ Velo-Mobil von Valentin Carron. Der 23jährige Walliser ist der einzige unter den Preistragenden, der nicht in Basel, Zürich, Genf oder im Ausland lebt.