Andreas Meier zur Eröffnung des Centre PasquArt_Interview 1999
Biel weiht Diener&Diener-Bau ein
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A. Zwez: Das alte CentrePasquArt hatte in der Schweiz eine Art Sonderstellung zwischen Museum und zeitgenössischem Experimentierfeld. Was wird sich mit dem künftig im Sinfonie-Konzert der Schweizer Kunstmuseen spielenden, neuen PasquArt daran ändern?
Andreas Meier: Zuerst möchte ich meine Begeisterung äussern über das in jeder Hinsicht gelungene Projekt. Ich meine damit das Gleichgewicht von alt und neu, die Ökonomie der inneren Verbindung und das vielfältige Raumangebot mit verschiedenen Lichtsituationen und Materialisationen. Ich freue mich darin auszustellen und würde es gegen kein anderes Ausstellungshaus in der Schweiz austauschen wollen.
Natürlich hat dieses Gebäude nun etwas Respekteinflössendes und wird auch Objekt der Bewunderung sein für viele Kunst- und Architekturkenner. Ob sich diese Bewunderung nun auch automatisch auf die ausgestellten Kunstwerke überträgt, das ist eine wichtige Frage. Einige Künstler haben mir Bedenken in diese Richtung geäussert.
Wir hoffen aber trotz der Perfektion des renovierten Gebäudes die experimentelle Haltung nicht verlassen zu müssen. Wir freuen uns zum Beispiel zu zeigen, mit wie vielen Ansätzen man den neuen grossen Oblichtsaal bespielen kann. Nicht zuletzt mit der Kunst selbst kann man erreichen, dass das Haus nicht zum Tempel der Kunstbewunderung wird, sondern weiterhin als Laboratorium funktioniert.
A. Zwez: Bisher hat sich das Centre PasquArt gleichzeitig als schweizerischen wie auch als regionalen Kunst-Ort verstanden. Nicht zuletzt die enge Zusammenarbeit mit dem Kunstverein und dem Photoforum liess die Seeländer ­p; die Kunstinteressierten ebenso wie die Kunstschaffenden ­p; von «ihrem» Museum sprechen. Wird das auch in Zukunft so sein?
Andreas Meier: Wir werden künftig das zweitgrösste Kunstmuseum im Kanton Bern sein. Trotzdem soll das PasquArt ganz klar ein Haus für die Region mit ihren rund 150 000 Einwohnern sein. Das heisst nicht einseitig ein Ausstellungsort für die regionale Künstlerschaft, sondern ein Haus für Aktivitäten, welche diese Region und Kunstinteressierte weit darüber hinaus interessieren können.
Dies wollen wir unter anderem durch die Zusammenarbeit mit dem Photoforum, das künftig doppelt so grosse Räume bespielen wird, dem Kunstverein, dem Filmpodium, dem «Espace libre» der GSMBA und weiteren Veranstaltern erreichen. Auch Architektur wird künftig ein Thema sein. Es soll autonome Pluralität spürbar werden.
A. Zwez: Die Aktivitäten der meisten Museen bestehen zum einen aus der Präsentation von Aspekten der Sammlung, zum anderen aus der Veranstaltung von Wechselausstellungen. Hat Biel überhaupt eine Sammlung, die ständig zu zeigen es sich lohnt?
Andreas Meier: Eine kunsthistorisch bedeutsame Permanent-Ausstellung können wir im Moment nicht bieten; aber wir werden, verstärkt durch Leihgaben aus Privatbe-sitz einen «halbpermanenten» Sammlungsbereich präsentieren, der länger dauert als eine zweimonatige Wechselausstellung und der sich dauernd transformiert, ähnlich wie dies, in grösserem Umfang, auch das Musée d’art moderne (Mamco) in Genf macht.
Dann wollen wir aber auch historische Einzelwerke aus der Sammlung der Stadt in einen spezifischen Kontext stellen. Die seit 1990 erworbenen und geschenkten Werke der Stiftung Kunsthaus-Sammlung werden zum ersten mal im April/Mai voll zur Geltung gebracht.
A. Zwez :Wenn der alte und der neue Direktor ein und derselbe sind, so ist das auch für ihn persönlich eine Herausforderung. Was bedeutet der «Aufstieg» des Pasquart in die Nationalliga A für Sie persönlich?
Andreas Meier: Nationalliga B ist wohl treffender. Das PasquArt wird nicht vergleichbar sein mit Häusern wie Basel, Bern oder Zürich, wohl aber mit Schaffhausen, St. Gallen, Chur, Zug, Solothurn und anderen. Zumindest flächenmässig. Finanziell und personell indes nicht; einer kürzlich erschienenen Studie zufolge sind wir personell 50% unterdotiert. Und finanziell wären wir schon froh, wir könnten zum Beispiel mit Solothurn gleichziehen, dessen Betriebs-Budget rund 1 Million beträgt, während wir allen Anstrengungen zum Trotz mit 750 000 Franken im Jahr durchkommen müssen.
Wichtigste Veränderung seit einem Jahr ist jedoch, dass aus der Ein-Mann-Leitung ein kleines Team geworden ist. Hélène Cagnard, französisch-sprachige Kunsthistorikerin aus Genf, ist an allen künstlerisch-gestalterischen Entscheidungen mitbeteiligt. Zusammen teilen wir uns künftig in eine 150%-Stelle.
A.Zwez : Wie würden Sie ihre Vorlieben in der Kunst umschreiben? Was muss Kunst für Sie erfüllen, um als kreative Kraft bedeutsam zu sein?
Andreas Meier: Mich interessiert das Innovative, Initiierende, Unkonventionelle, aber das gilt wohl für alle Museumsleute. Im mehr philosophischen Sinne geht es uns darum, mit überzeugender Kunst Möglichkeiten des Umgangs mit Bildwelten zu ermöglichen, das heisst kritischer Umgang mit der alltäglichen Bilderflut, eine Verlangsamung der Wahrnehmung erzielen, die auch Selbstfindung und Reflexion ermöglicht. Über heutige Kunst kann man seine Sehfähigkeit regenerieren.
Vom monochromen Bild bis zum ironischen Umgang mit den virtuellen Bildwelten gibt es alles, was in der gegenwärtigen Kunst vorkommt. Die spielerische Seite bei Hervé Graumann oder bei Pipilotti Rist finde ich sehr spannend, aber auch dem Meditativ-Philosophischen in einem Werk von Hermann de Vries oder der sehr expressiven Seite eines Martin Disler fühle ich mich sehr nahe.
A. Zwez : Darf das neue CentrePasquArt ihre persönliche Auffassung von Kunst und Museum heute spiegeln oder ist da eine Verpflichtung, Vielfalt an Meinungen und Haltungen einzubringen?
Andreas Meier: Ein subventioniertes Haus darf nicht eine einzige Linie verfolgen, sondern muss mit einem Höchstmass an Offenheit agieren und Vielfalt zeigen. Im übrigen bin ich auf allen Ebenen für eine gesunde Rotation, sei das nun in Jurys, in Kommissionen oder was eine Kunsthaus-Leitung anbetrifft. Denn es gibt in Sachen Kunst keine objektive Position, die ein anderer nicht in Frage stellen könnte.
A. Zwez: Die Schweiz hat möglicherweise die grösse Dichte an Kunstmuseen in der Welt. Ein Museum so führen, dass seine Stimme wahrgenommen wird, seine Ausstellungen Publikum finden, ist darum eine grosse Herausforderung. Was ist hier ihr Konzept?
Andreas Meier: Das Konzept des CentrePasquArt basiert auf öffentlich geführten Diskussionen. Unsere Ausrichtung ist tendenziell auf jüngere Kunst gerichtet und sucht die direkte Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden, die noch nicht voll vom Kunstbetrieb vereinnahmt sind. Neben den längerfristig geplanten Ausstellung von überregionaler Ausstrahlung, wird unsere Spezialität sein, auch kurzfristig reagieren zu können, zum Beispiel im Kabinettraum. Im übrigen hoffe ich natürlich auf die nachhaltige Zusammenarbeit mit einer ganzen Reihe interessanter Sammler aus der Region. Aus dem ganzen Netz von Galerien, der Fondation Saner und dem Kunsthaus entsteht vielleicht einmal ein Klima für ambitiösere Pläne.
A. Zwez: Wenn ich an das Legat von Paul A. Poma denke und sehe, was er damit erreicht hat, dann denke ich, es würde den Erblasser mit grosser Freude erfüllen. Doch die Finanzen aufbringen, um eine Museum zu bauen ist eines, es dann im Rahmen eines Budgets zu betreiben ein anderes. Wie sieht hier die Situation für das PasquArt aus?
Andreas Meier: Ich denke auch, dass Monsieur Poma seine Freude hätte und der Moment der Eröffnung ist auch nicht der Zeitpunkt für Klagen, jetzt wo wir mit der Unterstützung von 47 Gemeinden der Region rechnen können. Seit der Gründung 1990 gab es nicht nur das grosse Wunder der Erbschaft Poma, sondern immerhin weit über eine Million an kleineren und grösseren Donationen und Projektbeiträgen. Es zählen auch die kleinen Beiträge. Eine wunderbare Unterstützung einer Personengruppe von jährlich 10 000 Franken konnte für museumspädagogische Anliegen gefunden werden.
Vielleicht finden wir jemanden, der uns hilft, unsere schweizweit einmalige DVD-Video-Juke-Box durch Ankäufe von Videos zu unterstützen oder der uns hilft, einen digitalen Schnittplatz für Künstler einzurichten, die hier am Ort arbeiten möchten. Zwei Gästezimmer können wir schon jetzt zur Verfügung stellen für kurz- oder langfristige Residenzprojekte.
A. Zwez: Die Ausstellung, die nach der Millenniumsnacht am 1. Januar um 11 Uhr, quasi drei Wochen vor der offiziellen Eröffnung, still ihre Tore öffnet, trägt den Titel «Au centre, l’artiste». Warum stellen Sie gerade die Thematik des Selbstporträts an den Anfang?
Andreas Meier: Da gibt es mehrere Aspekte. Zum einen wollen wir, Hélène Cagnard und ich, eine Ausstellung realisieren, die kunstgeschichtlich in etwa dieselbe Epoche abdeckt wie die beiden Häuser des PasquArt, um sie nicht nur architektonisch, sondern auch künstlerisch als Balance zu zeigen. Analog kann so auch ein breites Publikum angesprochen werden, das innerhalb der Ausstellung vom Vertrauten zum (vielleicht) Unbekannten geführt wird.
Das heisst von der Malerei Amiets und Hodlers bis zu jüngsten Stipendiaten/-innen des eidgenössischen Kunstwettbewerbs und der Bieler Künstlergruppe relax. Es war auch ein ideales Thema für eine Gegenüberstellung von Malerei und Fotografie, realisiert in bisher einmaliger Zusammenarbeit mit Francis Siegfried und dem Photoforum. Der Titel der Ausstellung bezieht sich nicht nur auf den Spannungsbogen zwischen Selbstporträt und Selbstinszenierung, er drückt auch aus, dass im PasquArt die Kunstschaffenden im Zentrum stehen sollen.