Ariane Epars im Museum Allerheiligen Schaffhausen 1999

Eine brutal-zarte Raum-Inszenierung

Annelise Zwez, bis 05.12.1999

Haben die „Hallen für neue Kunst“ in die Museumsräume des Kunstvereins disloziert? Die Frage stellt sich angesichts der Raum-Inszenierung von Ariane Epars.

Die Wandmalerei von Ariane Epars im Wechselausstellungsraum des Museums Allerheiligen ist mit Sicherheit die künstlerisch reduzierteste, die je hier stattfand. Es ist als hätte die 40jährige Künstlerin aus der Romandie aus je einem Bild von Robert Ryman und Agnes Martin einen ganzen Raum gestaltet. Wer jedoch in der Stille des gestreiften Weiss in Weiss ausharrt und das da und dort über die Künstlerin Gehörte zu reflektieren beginnt, wird die Leere bald als präzise Fülle erleben. Und dabei auch den Unterschied zu den amerikanischen 60er Jahren spüren.

Da ist zunächst einmal das mehrfach gefaltete, weiss-beige Einladungsblatt, in dem die Künstlerin zuinnerst Abbildungen von zwei romanischen Reliefs mit äusserst dramatischen Szenen zeigt; eine martialische Enthauptung hier, eine Geburt ins geistige Jenseits da. Der Kontrast zu ihrer jegliche Erzählstruktur verweigernden Arbeit scheint unauflösbar. Es sei denn, man betrachte den Gegensatz als Verweis auf zwei emotionale Ebenen im selben Haus (die Reliefs gehören zum Museumsgut), die sich im Kern nur in ihrer äusseren Erscheiungsform unterscheiden.

Dazu braucht es indes mehr, zum Beispiel der Hinweis darauf, dass Ariane Epars alles andere als eine Konzeptkünstlerin ist, die – wenn man an die Wandmalereien von Sol LeWitt in den Hallen für neues Kunst denkt – ihre Ideen von irgendjemandem ausführen lassen könnte. Sie lädt sich vielmehr in der Auseinandersetzung mit dem Ort so lange auf, bis sie ihn spiegelbildlich in sich trägt. Wie man hört, kam sie während fast eines Jahres immer wieder nach Schaffhausen und erkundete das Museum vom Keller durchs „Kesslerloch“ bis hinauf in den Estrich. Parallel dazu „kämpfte“ sie mit dem in seinen Proportionen ausgesprochen schwierigen Ausstellungsraum. Projekte entstanden und wurden wieder verworfen, bis wenige Wochen vor der Vernissage; dann endlich der Entschluss, die Ausführung, die Befreiung, das „Glücklichsein“.

Diesen Prozess, in welchen der Ausstellungsmacher gnadenlos eingebunden ist, als Tod in der Welt und Geburt im Geistigen im Sinne der beiden Reliefs zu bezeichnen, mag zu dramatisch sein, ist aber so falsch auch nicht. Denn im Wandel von der Erfahrung im Realraum zum künstlerischen Produkt, das sich als Streifenspur des mit einem dünnen Handschuh geschützten Handballens zeigt, manifestiert sich eine tiefgreifende Transformation. Nicht zufällig sprach die Künstlerin von einer „brutal-zarten“ Arbeit und vom Museumsraum als einer „umgekehrten Höhle“.

Der Leidensdruck des Prozesses zeigt sich daran, dass Ariane Epars nach jeder Ausstellung – und solche werden ihr von immer prominenteren Orten angeboten – beschliesst, es sich fortan einfacher zu machen, Bilder zu malen … um beim nächsten Mal dann doch wieder das Konzept aufzugreifen, das ihr bis jetzt als das letztlich einzig gültige erschien. Die Materialbandbreite reicht dabei von einfachen Kreidelinien über Betonguss bis zu textilen Fasern.

Die Radikalität der erkämpften Position zeigt sich in Schaffhausen auch daran, dass Ariane Epars darauf verzichtete, im Foyer eine Dokumentation früherer Arbeiten zu zeigen. Sie zwingt die Besucher damit quasi, sich auf das scheinbare Nichts einzulassen. Die Gefahr des nicht verstanden Werdens muss sie im Raum stehen lassen. Auch die kleine Publikation hat sie als „Künstlerbuch“ gestaltet, auch wenn das Medium die Sprache ist. Die Beobachtungen, oft Schilderungen dessen, was sie durchs Fenster ihres jeweiligen Aufenthaltsortes, sei es in Lausanne, Paris, Berlin, wo auch immer, sieht, entsprechen, ähnlich wie bei der Malerei im Raum, einer entmaterialisierenden Transformation; diesmal von Sehen in Sprache. Die beim Lesen wiedererstehenden Bilder, sind dabei nicht mehr jene der Künstlerin, sondern der Lesenden; analog dem – schwierigeren – Prozess im Museum selbst. Nur ist das Bild im Hintergrund hier der Ort, seine Geschichte, die Kunst, die Architektur. Hier wie dort geht es darum, das Aussen „einzukörpern“, um es in neuer Form wieder auszustülpen, die Höhle umzukehren. Dass der Titel der Arbeit, „Lascaux 2060, brillant“, der nichts als den Markenname des verwendeten Transparent-Lacks benennt, ins Deutungskonzert einstimmt, ist zu-fälliges Sur-Plus.

Was bei Ariane Epars den ganzen Körper bis hin zur Ausführung der Arbeit auf einem Rollgerüst einbezieht und analog auch den ganzen Raum betrifft, war in den malerischen Ausformungen der Minimal Art nicht nur auf das Tafelbild konzentriert, sondern auch in einem kunstgeschichtlich sehr viel theoretischeren Sinn Reduktion auf die Basis der Malerei als Farbe und Linie auf einem Träger. Bei Ariane Epars hingegen vollzieht sich der Prozess der Reduktion bei jedem Projekt neu und anders. Dennoch wundert es nicht, dass der einzige Künstlername, der im Begleitbüchlein erwähnt ist, ausgerechnet jener von Agnes Martin ist.