annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 9. November 2000
Espace libre Centre Pasquart Biel/Bienne: Markus Furrer – Was heisst das eigentlich, wohnen?
Fragen sind der rote Faden im Schaffen des Bielers Markus Furrer. Auf Einladung der Künstlergesellschaft GSMBA fragt er im Espace libre des PasquArt, was es denn eigentlich mit dem Wohnen auf sich habe.
Ein versetzt gerasterter Turm aus präzise geschnittenen Metallelementen bildet das Zentrum der Ausstellung von Markus Furrer im Espace libre des Centre PasquArt. Wer die Architektur Biels im Kopf hat, erkennt darin die Struktur des 1960 von Roland Rohn erbauten Wohn- und Geschäftshauses «Jura» am Neumarktplatz. Und liegt damit richtig.
«Gesicht» eines Gebäudes
Furrer hat die kürzlich renovierte Fassade des Baus für seine Kunst kopiert. Allerdings ist ihm der architektonische Aspekt dabei unwichtig. Ihn interessiert das «Gesicht» des Gebäudes. Der geometrisch spannende Wechsel von offenen und geschlossenen Zonen als Ausdruck eines Systems, in dem Menschen sich ihre Wohnstätten einrichten. Was heisst das eigentlich, wohnen, scheint die Frage zu sein.
In der Umsetzung in durchbrochene vertikale Elemente, die als Vieleck zu einer turmartigen Skulptur gefügt sind, löst sich die Arbeit vom Vorbild. Die Rhythmen von Durchblicken und Fronten, die optischen Schichten und Überschneidungen werden zum Thema. «In der offenen Struktur treffen Realität und Konstruktion aufeinander», schreibt Markus Furrer.
Plastiker als Gäste
Von der im Frühjahr 2000 formulierten Zielsetzung hat allerdings nur diese abstrakte Fassette Gestalt angenommen. Der Aspekt, der die Skulptur stilistisch in die Nähe der europäischen Minimal Art situiert. Kein Wunder, waren unter den Vernissage-Gästen die Plastiker Peter Gysi und René Zäch zu sehen, die beide auf ihre Art ähnlich arbeiten.
Die Pläne, das Gebäude in eine Modellsituation überzuführen, in deren Innerem anhand von Objekten, Fotografien, Projektionen und Tonaufnahmen Untersuchungen zu Körper, Raum und Stadt stattfinden, hat Markus Furrer schliesslich wieder verworfen. Obwohl er mit Sicherheit viel darüber nachgedacht hat.
Das Hinterfragen, das Zögern und schliesslich immer mehr Reduzieren, so sagen Bieler Insider, gehöre halt zu ihm. Darum sei er in der Stadt zugleich bekannt wie unbekannt.
Girlanden aus Blumen
Es ist eine zweite Arbeit im Espace libre, die emotionale Momente direkter einbringt. Auf Tischen zeigt Furrer gepauste Fragmente von Blumengirlanden. Wer seine «Roberts» kennt, macht den richtigen Link. Es handelt sich um Blumen aus den Kränzen, welche Philippe Roberts tanzende Frauengestalten im Bild «Die vier Jahreszeiten» im Wartsaal des Bahnhofs Biel miteinander verbinden. Doch wiederum interessiert Furrer nicht der Künstler, sondern das Ablösen von Bestehendem und In-einen-neuen-Kontext-Stellen.
Man könnte, so Markus Furrer, die Pausen nehmen und sie auf die Wände einer Wohnung kopieren und wieder zu Blumen-Bildern machen. Und damit das Ab-Bild der Blumen als weitere Bild-Schicht zu sich nehmen.
Roter Faden
Schon vor gut zehn Jahren hat Furrer im Rahmen von Andreas Meiers Aktion «Wartsaal» die robertschen Bildschichten untersucht und freigelegt. In Markus Furrers Schaffen gibt es durchaus einen roten Faden. Es ist die Kurzlebigkeit unserer Zeit, die vergisst weiträumige Zusammenhänge zu vernetzen.
Espace libre/Centre PasquArt: Markus Furrer. Bis 26. November. Mi – Fr 14 – 18, Sa/So 11 – 18 Uhr.