Catherine Bolle Abbatiale de Bellelay 2001

Dem Wasser gleich Bild und Raum durchziehen

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Mittelland Zeitung 28. Juli 2001

Im Zentrum des Kunstschaffens von Catherine Bolle (45) steht die Druckgrafik. Wie sie das Medium an seine Ränder führt, gar in Skulptur überträgt, zeigt ihre eindrücklich inszenierte Ausstellung in Bellelay.

Das ehemalige Kloster Bellelay im Berner Jura stand in den letzten Wochen ganz im Zeichen der Neueröffnung des landwirtschaftlichen Gutsbetriebes. Das künstlerische Forschungsprojekt, das der Solothurner Künstler Ueli Studer in diesem Zusammenhang als Direktauftrag des Bundes realisiert hat, wird im September vorgestellt. Bellelay steht indes seit Jahrzehnten für bildende Kunst. Jeden Sommer wird die „Abbatiale de Bellelay“ einem Künstler oder einer Künstlerin für eine umfassende Ausstellung zur Verfügung gestellt. Dieses Jahr ist es die in Pully bei Lausanne arbeitende Catherine Bolle, die sich insbesondere im Bereich der Druckgrafik einen überregionalen Namen geschaffen hat.

Trotz des grossen Angebotes an virtuellen Medien, hat die Druckgrafik eine Vielzahl von Künstlerinnen und Künstlern immer wieder fasziniert. Der Widerstand der Druckstöcke und –platten, das Unwägbare der Umsetzung, die Möglichkeit der Überlagerung, das Entdecken unbekannter Effekte gibt dem Medium seine eigene, spezifische Art. Catherine Bolle nutzt den Druck indem sie die „Spur“ zur Sprache macht. Anders als der zeichnerische Strich auf dem Papier, schliesst die „Spur“ auf der Kupferplatte das tastende Suchen, das Eingraben in die Unterlage mit ein und zeigt die Struktur der verwendeten „Werkzeuge“. Catherine Bolle geht noch weiter, indem sie Malerei und Druckgrafik kombiniert, das Druckpapier durch Plexiglas oder Aluminium ersetzt oder gar das eine über das andere legt.

Blickfang der Ausstellung sind zwölf halbrunde Plexiglaselememente, die sich wellenförmig durch Schiff und Chor der Kirche schlängeln. Im Hin und Wieder der Bogen wird die Installation zum Fluss der den Raum ohne Anfang und ohne Ende durchzieht. Wasser fasziniert die Künstlerin in vielen Arbeiten. Mass nimmt sie dabei an der Natur, wo Wasser rinnt, anstösst, neue Wege sucht, hinunterfällt, sich schlängelt, Wirbel formt. Malerisch eingefärbte Ätzungen spezieller Technik ziehen als „Wasser“-Spuren über die gut eineinhalb Meter hohen und fast drei Meter breiten Raum –Wellen; von der einen wie der anderen Seite, von vorne wie von hinten.

Dass Grafik als Skulptur daherkommt, ist äusserst selten. Catherine Bolle gelingt es damit, von der traditionellen druckgrafischen Erscheinungsweise wegzukommen und ihre Eigenheiten trotzdem beizubehalten. In einer weiteren, etwas älteren Arbeit in Bellelay kombiniert die Künstlerin figürlich/architektonisch bearbeitete Kuben aus mineralischem Glas mit kubischen Holz-Druckstöcken zu einer Art Mauer-Element. Als Relief erscheinen ferner die Kombinationen von hochrechteckigen Aluminium-Platten mit vorgelagerten Gläsern im selben Format, einzeln oder in Gruppen. Auch sie sind thematisch dem Wasser gewidmet.

Zahlenmässig und qualitativ Gewicht haben in der grossen Ausstellung aber auch die als „Journal Gravé“ bezeichneten Blätter, die nicht als Auflagen gedruckt wurden, sondern Unikat-Zustände darstellen. Sie zeigen „Spuren“ verschiedenster Strichqualiltät, die durch die Eigenschaften des „schreibenden“ Werkzeugs, durch Breite, Drehung, Geschwindigkeit, Druck und Kraftintensität Körperliches, Architektonisches und Landschaftliches, aber auch gänzlich Ungegenständliches in die Platte schreiben und ins Papier drucken. Hier und vor allem auch in weiteren Grossformaten wie „L’ombre des ondes“ ist die expressive, aber dennoch nicht unkontrollierte Tendenz der Künstlerin unübersehbar. Sie zeigt ihre Prägung durch die Kunst der 80er Jahre, aber auch die Affinität zum abstrakten Expressionismus der Nachkriegszeit und zuweilen zur Malerei von Per Kirkeby.