Weihnachtsausstellung Kunsthalle Bern 2001

Neuer Dialog zwischen Alt und Jung

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 15.12.01


Der einseitige Jugendkult der 1990er Jahre ist vorbei. Das Berner Weihnachtsausstellungskonzept mit Dialogen zwischen Alt und Jung ist symptomatisch dafür. Die Qualität der Präsentation überzeugt.

Die «Modusgruppe» der Weihnachtsausstellung in der Kunsthalle Bern setzte sich zum Ziel, die 138 eingereichten Dossiers weder auf Alter, auf Geschlecht noch auf die eingesetzten Medien hin zu jurieren, in der Selektion jedoch strenge Massstäbe zu setzen. Die Vorgehensweise ist nicht so banal, wie sie scheint. Sie spiegelt vielmehr nach Jahren der Fokussierung auf «jung» und «multimedial» das Bedürfnis, die Kunstszene wieder als Gleichzeitigkeit von Generationen und Techniken zu sehen und dabei Relevanz kritisch zu befragen. Obwohl auch dieses Konzept, wie jedes andere, Missverständnisse einschliesst, ist das Resultat doch höchst befriedigend. Die nur gerade zwanzig Werkgruppen ergeben ein museales Ensemble (den Frust der 85 Prozent Abgewiesenen für einmal ausblendend).

René Zäch in der Jury
Dass dabei die Geschlechter- und die Generationenquoten wie die medialen Möglichkeiten zwischen Video, Malerei, Skulptur, Objekt, Installation und Fotografie ausgewogen sind, entspricht dem mehr oder weniger expliziten Wunsch der Jury, ein Rund zu formen. Wobei die Wahl der Mitglieder dies quasi vorprogrammierte: Marianne Burki, Direktorin des Kunsthauses Langenthal, René Zäch, Künstler aus Biel, Martin Guldimann, Künstler aus Bern, Kathrin Frauenfelder, Kunsthistorikerin aus Zürich, und Bernhard Fibicher, Leiter der Kunsthalle Bern.

Klar, dass zwanzig Werkgruppen verteilt auf die zwei Stockwerke der Kunsthalle eine luftige Sache ergeben . Wesentlich für die Qualität ist aber das Engagement des Kunsthallen-Leiters, der alle Künstler/-innen besuchte und mit ihnen die Werkauswahl vornahm. Problematisch ist in Bern seit eh und je, dass der Eindruck besteht, es handle sich um eine kantonale Veranstaltung. Dem ist aber nicht so. Teilnahmeberechtigt ist, wer im Bereich der Telefon-Vorwahlnummern 031 und 034 wohnt oder arbeitet respektive Mitglied der Künstlergesellschaft «visarte», Sektion Bern, ist.

Nichtsdestotrotz gibt es Qualitätsunterschiede. Angesichts der arktischen Temperaturen hochaktuell ist das Projekt von Ewald Trachsel: Er montierte auf dem Dach eine Schneekanone, welche die Kunsthalle und deren Umgebung mit «Kunst»-Schnee beschneit (was nur bei Temperaturen unter Null möglich ist). Der Langenthaler Künstler benutzt seit Jahren Naturprinzipien als Formenkanon. Gesetzmässigkeiten befragt auch Gunter Frentzel. Seine Vierkantstäbe ausfächernden Konstruktionen gehen immer ans Limit der möglichen Balance. Sie sind ein Beispiel für die anvisierte Erneuerung des Dialogs zwischen den Generationen. Die gespannte Ruhe seiner Arbeit markiert nicht einfach einen 70er-Jahre-Kontrapunkt zu den im selben Raum hängenden «Niederschlägen» von Filip Haag. Sie ergibt im Verbund mit den aquarellartig wirkenden Abfallprodukten fotochemischer Prozesse vielmehr eine Steigerung ästhetischer Ausdrucksformen auf der Basis unterschiedlicher Gesetzmässigkeiten.

Haus am Gern
Der Oberlichtsaal steht unter dem Motto: überraschende Wandlungen. Ueli Bergers Ruderboot aus Karton-«brettern» kippt in dem Moment ins Hintergründig-Poetische, da man realisiert, dass die Ruder aus dem Boden des Schiffes herausgeschnitten sind. Uwe Wittwers Fotografien wandeln sich in dem Moment in «Malerei» zurück, da der Titel sie als Wandlungen nach Pieter de Hooch (1629 – 1684) verrät. Spitziger sind die Aktionen des Bieler «Haus am Gern» (Rudolf Steiner/Barbara Meyer-Cesta). Ihr «TCS»-Wimpel liest sich mit YRA verdächtig politisch, meint aber «Young Responsible Artists», eine Gemeinschaft, die sie im Mai auf der Bieler «Arteplage Expo.01» gründeten (das BT berichtete). Brisanter noch ist das gequälte Lächeln, das ihre «Segnungen» auslösen. Im Vorfeld bot das Duo den Mitausstellern nämlich an, ihre Werke durch einen katholischen Priester segnen zu lassen. Fünf liessen sich gestern darauf ein.

Für Hunde verboten
Unter den Video- und DVD-Arbeiten stechen jene von Pascale Grau und Peter Aerschmann hervor. Graus Loop einer immer wieder neu roten Klee fressenden Schweizerin mit dem bitteren Titel «ins Gras beissen» hat jene ironische Schärfe, die Schauen zur Lust macht. Aerschmanns Flachbildschirm-DVD ist ein Gesellschaftsporträt zwischen Humor und schmerzender Enge. Der PC-bearbeitete Digitalfilm zeigt endlose Häusersilos in Berlin Mitte im Wechsel mit kleinen Begebenheiten; etwa einer Verbotstafel mit der Aufschrift: «Städtische Spiel- und Liegewiese. Zutritt für Hunde verboten».

Kunsthalle Bern: Weihnachtsausstellung mit Peter Aerschmann, Ueli Berger, Corinne Bonsma, Diana Dodson, Franz Fedier, Gunter Frentzel, Pascale Grau, Gertrud Guyer-Wyrsch, Filip Haag, Haus am Gern, Sylvia Hostettler, Patricia Karda, San Keller, Franticek Klossner, Heidi Künzler, Ida Maibach, Susanne Schär, Natsuko Tamba, Ewald Trachsel, Uwe Wittwer. Bis 6. Jan. (25.12. und 1.1. geschl.)