„Crossing“: Katia Bassanini im Foyer des Centre PasquArt in Biel. 2002
Lacht über die Lust der Helden
www.annelisezwez.ch Erschienen in Bieler Tagblatt vom 4. Juli 2002
Eine Partybomben-Weste hat Katia Bassanini heuer den Eidgenössischen Preis für freie Kunst gekostet. Die Tessinerin streift mit Lust den Rand politischer Korrektheit. In Biel klingt die WM nach.
Manchmal ist sie ganz schön tough, die junge Amerika-Tessinerin Katia Bassanini (33). Was sie an der Weste des Selbstmordattentäters interessiert, die als Chinatusche Teil ihrer Foyer-Ausstellung im PasquArt ist, hat nicht direkt mit Kamikaze zu tun. Das nach einer Zeitungsfotografie locker gepinselte Blatt zeigt vielmehr wie schön und gut die Mütter und Schwestern die Westen nähen fürs letzte Bild vor dem tödlichen Auftritt. Räumlich nicht weit davon entfernt hängt wie ein Poster in einem Teenager-Zimmer die Zeichnung eines kleinen Polizeiautos, wie es da und dort vor Einkaufszentren steht und die Kinder mit einem der Mutter entlockten Frankenstück durcheinander schüttelt. Katia Bassanini ist eine Satirikerin mit Lust lässt sie kleine und grosse Helden kopfüber in der Luft baumeln oder türmt ihre Siegespokale aus billigem Material zu Abfall-Haufen. Und dies nicht zufällig wenige Tage nach dem Ende der Fussball-WM.
„Man glaubt gar nicht wie schwierig es ist, all diese Pokale so zu türmen, dass sie sich gegenseitig tragen“, sagt die Künstlerin vor dem unter Scheinwerfern strahlenden Herzstück ihrer Ausstellung in Biel. Und natürlich ist auch dies schon wieder symbolisch die Konstruktion von Siegen, die zerfällt, wenn jemand den Teppich wegzieht.
Katia Bassanini bespielt den zweiten Teil des sommerlangen „Crossing“, welches im temporären Fotomuseum PasquArt an die Vielfalt der Kunst im Haus erinnert. Und auch für diesen zweiten Teil hat Dolores Denaro, erstaunlicherweise, eine provokative Künstlerin eingeladen. Eine, welche die „Commedia dellarte“ über alles liebt und eine spitzbübisch-feministische Position vertritt, welche freilich die Rolle der Frauen im Wettstreit um die Macht des Männlichen gezielt mitdenkt. So stammen auch die Pokale, die mehr als ein Jahrhundert sportlicher Leistung eines Luganeser Turnvereins zeigen, nicht nur von Männerwettkämpfen. „Pokale haben grundsätzlich maskulinen Charakter“, sagt die Künstlerin, „das meine ich hier, nicht das lokale Moment.“ Sie ist übrigens nicht die erste die mit Pokalen spielt im PasquArt. 1994 zeigte Christoph Büchel einen „goldenen Pokalfries“ im Rahmen der Ausstellung der Eidgenössischen Preise für freie Kunst in Biel. Und erst kürzlich zeigte das Duo AndreasLutz/AndersGuggisberg in St. Gallen eine „Hochzeitstorte“ mit mehrdeutigen Pokalen.
Tessiner Künstler/-innen haben es einfach und schwer in der Schweiz. Einfach, weil das föderalistische System die Südschweiz integrieren will. „Crossing“ mit vier Kunstschaffenden aus allen Landesregionen ist ein Beispiel. Schwer, weil gerade deswegen oft Skepsis gegenüber der Qualität aufkommt. Im Fall von Katia Bassanini ungerechtfertigterweise. Ihr Schaffen hat zwar (noch) nicht existentielle Tiefe, ihre Satire tanzt auf zeitgenössischem Strom, doch sie tut es intelligent, einer Performance gleich, die Ereignisse in der Welt wie Sterne vom Himmel holt und auf die (Kunst)-Bühne stellt.