Facetten eines Malerlebens unterwegs

Heiner Kielholz zeigt im Kunstmuseum Olten Arbeiten zum Buch „Orte“. Mittelland Zeitung 19_06_2002

Heiner Kielholz ist unter den Schweizer Malern der vielleicht bekannteste Geheimtip. Was auf ausgedehnten Reisen aufs Blatt fand, ist Gegenstand einer Ausstellung im Kunstmuseum Olten und eines von Stephan Kunz in den Edizione Pereferia herausgebebenen Buches.

Nichts ist Heiner Kielholz fremder als Karrieredenken. Dennoch ist es ihm mit Sicherheit nicht unangenehm, dass in Olten bereits die vierte Museumsausstellung seines Schaffens stattfindet; nach Olten (1983), Aarau respektive Graz (1987) und Zürich (1997). Die Spannung von Gegensätzen prägt sein Leben. Um es auszuhalten, verbringt er seit 30 Jahren lange Zeit auf Reisen. Unterwegs sein als Lebensnotwendigkeit.

Das Leben zur Kunst machen, ein Satz, den sich heute viele auf die Fahne schreiben. In gewissem Sinn gilt er auch für Heiner Kielholz, aber ebenso überhaupt nicht. Denn Kielholz war und ist nicht als Ausdruck seiner selbst, sondern als Maler unterwegs. Als einer der schaut und das zwischen Sehen, Empfinden und Erfahrung Oszillierende in Bilder übersetzt. So wie das Maler schon immer gemacht haben. Nur eine Spur anders.

Als Heiner Kielholz 1972 – nur ein Jahr nach der Teilnahme an der Biennale von Sao Paulo (zusammen mit Christian Rothacher) – erstmals abreiste, ging er nicht, wie viele andere seit den 60er Jahren, nach Indien. Sondern nach Italien und später nach Griechenland, Spanien, ins frühere Jugoslawien, die Türkei, nach Ungarn, auch Frankreich und Österreich. Dabei zog es ihn – anders als die jungen Künstlernomaden heute – selten in die Hauptstädte, sondern vielmehr in kleine Orte, auf kleine Inseln. Die Titel seiner Arbeiten erzählen davon. Das Fremdsein, das er suchte, war nie ein Radikales, sondern stets ein Verbindendes im Anderen.

Möglicherweise liegt in diesem Schauen aus dem Eigenen ins Andere der Schlüssel zur Faszination, die seine scheinbar traditionelle Malerei auszeichnet, gestern und heute. Die ornamentalen, architektonischen, figürlichen oder gänzlich frei flottierenden Blätter sind uns als Zeichen europäischer Kultur nicht fremd und doch sind sie vom Künstler aus ihrem Kontext herausgegriffen, fragmentiert und als Bild verselbständigt. Sind aus der Zeit und dem Anekdotischen ihres Umfeldes herausgefiltert. Die Komposition (im musikalischen Sinn) bedient sich dabei bei Rhythmus und Klang, bei Farbe als Licht, bei Form als Modulation von Bewegung und Statik. Analog der Musik sind die Blätter gegenständlich und abstrakt, unabhängig davon, ob sie eine oder mehrere Figuren, eine Stadtviertel, eine Landschaft zeigen oder auch „nur“ ein Ornament oder eine geometrische Konstellation.

Heiner Kielholz ist als Maler unterwegs. Skizzieren vor Ort heisst nicht einfach Eindrücke festhalten, nicht die Tagesbefindlichkeit in Bilder einbringen, sondern bewusst gestalten. Möglichst ausserhalb der eigenen Lebensgeschichte das finden und zeigen, was als Qualität, als Kultur, als Form- und Farbsprache fassbar ist. Und zwar immer wieder neu angesetzt. Es gibt in Kielholz‘ Schaffen nur selten Reihen, die sich von Blatt zu Blatt weiterentwickeln, etwa das wunderschöne, fünfteilige „Lied der Schlange“, das 1998 in Burdur enstand.

Und trotzdem dreht sich das Rad, manchmal über Jahre hinweg. Ein Wiederkehren an einen Ort kann – wohl intuitiv – Dinge und Klänge wachrufen, die früher schon da waren. Die Entstehungsdaten der Blätter halten es zuweilen fest. Und diese Ranken, die immer auch wieder als Motiv erscheinen, sind auch die Melodie der Ausstellung, für welche Patricia Nussbaum, was selten geschieht, sämtliche Disteli-Räume geleert hat, weil der Künstler so gerne in kleinen Räumen ausstellt. Da klang zweifellos die Geschichte von 1983 nach, als Paul Meier, der Vorvorgänger Nussbaums, Kielholz alle Parterre-Räume zur Verfügung stellte, der Künstler aber schliesslich – eher verzweifelt denn als Spleen – nur einen einzigen Raum bespielte und all die Leihgaben, die er angefordert hatte, unausgestellt wieder zurückgehen liess.

Das ist nun nicht mehr so, aber auch diesmal hat der Künstler während Wochen vor Ort gearbeitet, die Zwischentöne der Arbeiten gesucht und sie einer Reise in durch die Zeit gleich zum Bild komponiert. So, dass der Fluss spürbar, aber immer dann, wenn man ihn anhalten, Charakteristiken benennen will durch das Nachbarblatt eines anderen belehrt wird. So scheint es etwa, dass die frühen Blätter aus den 70er Jahren noch nicht die Leichtigkeit des Skizzenhaften erlaubten, im noch so kleinen Blatt Bildanspruch erfüllt werden musste, doch dann zeigt sich unverhofft, dass dies eben doch nicht stimmt und auch später Angedeutetes und zur geschlossenen Form Tendierendes nebeneinander bestehen.

Was für die Ausstellung gilt, prägt analog das von Stephan Kunz (Aargauer Kunsthaus) in den Edizioni Periferia in Poschiavo herausgegebene Buch „Orte“, dessen Umschlag die Koordinaten der Reisen aufzeigt und so verrät, wo in Europa die unbekannten Ortsnamen wie Burdur, Aksheni, Edolo, Zamora etc. anzusiedeln sind. Dem Künstler entsprechend enthält das Buch nur kurze Texte, jedoch auch einige Notate des Künstlers, die parallel zu den Papierarbeiten während Reisen entstanden sind; Beschreibungen, Eindrücke und ein ganz klein wenig Einblick in Persönliches. Dass das Buch in den „Edizioni Periferia“ von Flurina und Gianni Paravicini-Tönz mit Sitz in Luzern und Poschiavo erscheint, ist geradezu biographisch. Zum einen hat der 60jährige Aargauer seit 1995 seinen Wohnsitz in Poschiavo, zum anderen ist er im Rahmen der „Innerschweizer Innerlichkeit“ bekannt geworden und drittens ist er nach wie vor ein Randgänger.