Interview mit Dolores Denaro und Helene Cagnard PasquArt Biel 2002
Am liebsten ein Haus mit viel Ausstrahlung
www.annelisezwez. ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt 20. April 2002
Seit anfangs Jahr bilden Dolores Denaro (31) und Hélène Cagnard (34) die Direktion des CentrePasquArt. Kein einfaches Amt angesichts der Ebbe in der Kasse. Doch welches sind die Visionen?
Will man sein Gepäck im CentrePasquArt in einem Fach aufbewahren, so muss man hiezu neuerdings die Dame an der Kasse um einen Schlüssel bitten. Haben Sie Angst vor Attentaten?
Dolores Denaro: Nein (lacht). Der Hintergrund ist praktischer Natur. Wir hoffen, dass uns so weniger Schlüssel abhanden kommen.
Am 3. Januar standen sich eine erfahrene Mitarbeiterin des Hauses als Vizedirektorin und eine mit dem CentrePasquart noch wenig vertraute Direktorin für den Neustart gegenüber. Wie haben Sie sich organisiert, um gemeinsam stark zu sein?
Hélène Cagnard: Der Alltag hiess uns sogleich das Konkrete anpacken. Die Vernissage Miriam Cahn stand bevor.
Dolores Denaro: Ich musste zuerst das Haus kennen lernen, wissen, wer die Anspruch- und Ansprechpartner sind. So haben wir schnell aufgeteilt, wer für was zuständig ist. Und das geht gut so. Weitergehendes war in nur drei Monaten noch nicht möglich. Grundsätzlich ist es indes so, dass ich die Verantwortung trage, Entscheidungen fälle, dann aber Freiheiten auf andere übertrage.
Wie haben Sie die 160 Stellenprozente aufgeteilt?
Hélène Cagnard: Wir haben uns von Anfang an auf 80/80 geeinigt.
Dolores Denaro: Von der Stellenausschreibung her war alles möglich, doch mir schien es wichtig, dass beide so viel wie möglich da sind.
Kein Fulltime-Job heisst mehr Freizeit, oder täuscht das?
Hélène Cagnard: In die Kultur muss man total eintauchen. Man ist vielleicht zu 80 Prozent im Büro, aber aufhören nachzudenken, -zulesen, zu schauen ist kein Thema.
Dolores Denaro: Ich bin in einer Übergangssituation. Zu den 80 Prozent hier arbeite ich dieses Jahr noch 20 Prozent für die Johannes Itten-Stiftung, für welche ich eine Wanderausstellung vorbereite. Und im September schliesse ich das Masterprogramm in Kultur-Management an der Universität Basel ab. Ergibt zusammen mindestens 180 Prozent (lacht).
Sie haben zwei sehr verschiedene Charaktere, denken und schauen anders, sind aber beide als Kunsthistorikerinnen im selben Beruf tätig. Wie zeigt sich das Unterschiedliche?
Dolores Denaro: Für mich ist zentral, dass Interesse, Beruf und Freizeit ein und dasselbe sind. Zudem ist mir das Vermitteln sehr wichtig, mit Kunstschaffenden direkt zu kommunizieren, aber auch Führungsaufgaben wahrnehmen zu können.
Hélène Cagnard: Ich denke wir ergänzen uns. Ich mag die Klarheit und Geschwindigkeit, mit welcher Dolores Strukturen setzt und darin entscheidet. Für mich ist der Rahmen wichtig. Gleichzeitig finde ich es spannend, offen zu bleiben, so viel wie möglich wahrzunehmen und dann zu überlegen, was sich umsetzen und realisieren lässt.
Das CentrePasquArt gibt es in seiner heutigen Erscheinungsform erst seit 1990, hat also noch keine lange Tradition. Ein Haus zum Formen. Wenn Geld keine Rolle spielte, wie sähe Ihr Traum-PasquArt aus?
Dolores Denaro: Gerne würde ich grosse thematische Ausstellungen inszenieren und diese grossräumig kommunizieren. Zum Beispiel eine Neuauflage der «Freien Sicht aufs Mittelmeer», also ein Bild der aktuellen Kunstszene Schweiz zeichnen; mit Arrivierten und mit Newcomern.
Hélène Cagnard: Ich wünschte mir, breiter vermitteln zu können; tiefer in die Themen eindringen zu können. Eine Ausstellung ist ein Zustand für Reflektionen. Darum interessieren mich auch thematische Ausstellungen, da sie grundsätzlichere Recherchen ermöglichen. Ein Thema, das ich seit langem mittrage, ist das Verschwinden von Bildgegenständen aus dem Bereich der Sichtbarkeit.
Leider sieht die Realität anders aus. Wie ich gerüchteweise gehört habe, geben Sie kein Ausstellungsprogramm preis, bevor die Stadt nicht auf die Anfrage der Stiftung CentrePasquArt um Erhöhung der Subventionen reagiert hat. Ist das Ihre Strategie, um aufzuzeigen, dass es ohne Budgeterhöhung nicht geht?
Dolores Denaro: Ich möchte da keinen Kommentar abgeben. Ich will weder Notfallszenarien in die Welt setzen noch jemandem etwas versprechen, das ich nicht halten kann. Theoretisch sind aber schon Vorstellungen da.
Wie sprechen Sie mit Finanzdirektor Stöckli, wenn Sie ihn antreffen und ihn doch eigentlich am liebsten schütteln möchten, damit er endlich vorwärts macht, und zwar in Ihrem Sinne?
Dolores Denaro: Ich habe befürchtet, dass solche Fragen kommen. Ich möchte Hans Stöckli nicht schütteln. Wir sprechen über viele Dinge. Es hängt auch nicht alles von ihm ab, wichtig ist auch der Gemeinderat, die Stiftung usw. Wir stehen in Verhandlungen; dabei geht es darum, Lösungen zur Klärung der finanziellen Situation zu finden. Ich bin zuversichtlich.
Die Stadt gibt sich im Expo-Sommer mit 2002émotions betont kulturell. Gibt insgesamt 635 000 Franken für Kulturprojekte aus. Über das Photoforum profitierte indirekt auch das Centre. Doch ist da nicht manchmal der Gedanke, mit diesem Geld hätte man ums Überleben kämpfenden Institutionen aus der Patsche helfen können?
Dolores Denaro: Eigentlich nicht. So kurz nach dem Direktionswechsel hätten wir kein grosses Ausstellungsprojekt für den Sommer auf die Beine stellen können. So sind wir froh, dass ein wichtiges Projekt läuft. Wie viele Besucher kommen werden, wird sich zeigen.
Hélène Cagnard: Ich freue mich über jedes kulturelle Ereignis! Auch wenn, vielleicht, tatsächlich die Publikumszahlen.
Dolores Denaro: Nicht zu vergessen ist die Teilnahme des CentrePasquArt an der gemeinsam mit den Museen Neuhaus und Schwab realisierten Museumsnacht im August, die dank 2002émotions zustande kommt.
Gibt es neben all dem Schwierigen rund um die Zukunft des PasquArt auch bereits Erfreuliches, das in die Wege geleitet werden konnte?
Hélène Cagnard: Erste Erfolge zeitigt bereits das neu lancierte Vermittlungsprogramm. Die beiden ersten «Kunst über Mittag» mit Manette Fusenig, bei denen jeweils auf eine oder zwei Arbeiten eingegangen wird, ernteten sowohl in der deutschen wie der französischen Fassung gute Echos.
Dolores Denaro: Auch meine Führung vom letzten Sonntag war gut besucht. Und dann freue ich mich – als eine Art erstes Statement meinerseits – auf das «Crossing» der vier Künstler (paare) parallel zu «Photographie &Mac220;à la carte!&Mac221;» mit Rudolf Steiner/Barbara Meyer Cesta (Seeland), Katia Bassanini (TI), Gregori Bezzola (GR), Shahryar Nashat+Ryan Gander (GE/UK).
Seien wir einmal «vorsichtig optimistisch», um den aktuellen Lieblingsbegriff der Wirtschafts-Auguren zu verwenden, und nehmen an, das CentrePasquArt verfüge spätestens ab 2003 über ein realistisches Budget. Wie wollen Sie das Haus kulturpolitisch und künstlerisch positionieren?
Dolores Denaro: Zur Zeit erarbeiten wir unter anderem einen Marketing-Plan, das heisst eine Analyse, welche die besonderen Bedürfnisse Biels evaluiert. Man kann einem Museum nicht einfach ein x-beliebiges Konzept überstreifen. Da muss Verschiedenstes berücksichtigt werden. Für den Betrieb eines Hauses braucht es nicht nur Subventionen, sondern auch Angebote, die Geld erwirtschaften. Darum wäre zum Beispiel eine rein regionale Ausrichtung falsch. Das CentrePasquArt hat einen guten Namen, den es mit regionalen, nationalen und internationalen Impulsen zu festigen gilt.
Welche zwei Ausstellungen, die Sie seit anfangs Jahr sahen, haben Sie am meisten beeindruckt?
Hélène Cagnard: Sehr gut gefallen hat mir Olafur Eliasson im Musée d’art moderne in Paris. Eindrücklich fand ich auch die Ausstellung von Breda Beban in Thun.
Dolores Denaro: Leider hatte ich in letzter Zeit kaum Zeit für Ausstellungsbesuche. Doch im vergangenen Jahr hat mich die Biennale Venedig sehr beeindruckt, im Speziellen Ernesto Neto, der danach auch in Basel und Zürich zu sehen war.
Zur Zeit läuft von Seiten der Stadt Biel die Untersuchung «Knoepfel», die prüfen soll, ob die drei Museen PasquArt, Neuhaus und Schwab allenfalls unter eine Oberdirektion gestellt werden sollen. Wie sehen Sie die Chancen, dass hier nicht einfach Makulatur produziert wird?
Dolores Denaro: Die Fragestellung ist so nicht richtig. Der Auftrag lautet, in einer sehr offenen Form mögliche Reorganisationen zu prüfen. Da die Museen ins Gespräch integriert sind, besteht sicher die Chance, dass das eine oder andere umgesetzt wird. Es wird sich zeigen, was die Studie Knoepfel schliesslich empfehlen wird und wie der Gemeinderat darauf reagiert. Die Sache ist sehr komplex.
Wo sind Sie in fünf Jahren?
Dolores Denaro: Diese Frage habe ich den Mitarbeiter/-innen des Hauses im Hinblick auf das nächste Personalgespräch gestellt. Wo wollen wir sein in fünf Jahren? Ich persönlich? Ich möchte hier im PasquArt sein.
Hélène Cagnard: Ich bin ein Mensch, der in der Gegenwart lebt und nicht gerne allzu viele Zukunftspläne macht. So bleibe ich offen für alles.