Peter Kogler Anna Jarmolaewa CAN Neuenburg 2002

Die verführerische Macht des immer gleichen

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 18. September 2002

Mit Werken von Peter Kogler und Anna Jermolaewa beherbergt das Centre d’art Neuchâtel (CAN) eine Ausstellung von internationalem Format. Es ist die letzte mit Annemarie Reichen als Leiterin.

Irgendetwas muss dieses CAN an der rue des Moulins in Neuenburg ausstrahlen, denn immer wieder engagieren sich international bedeutende Künstler für die kleine Kunsthalle (fast) ohne Budget. Diesmal der Wiener Künstler und Hochschulprofessor Peter Kogler (43), der als Pionier der Umsetzung von computergenerierter Form in den realen (Bild)-Raum gilt. Die digitale Ameise, die in seinen beiden Installationen im CAN die Hauptrolle spielt, ist schon 10 Jahre alt. An der Documenta IX von 1992 füllte sie als vielhundertfach repetiertes Zeichen auf langen Papierbändern einen ganzen Raum im Parterre des Fridericianums. Danach waren es lange Jahre röhrenartige Gebilde, die – stets in gedruckter Form – Räume tapezierten, u.a. an der Documenta X von 1997.

Was die Installationen des von der Minimal Art her kommenden Künstlers auszeichnet, ist die doppelte Wirkung zwischen Faszination und Bedrohlichkeit. Die Macht und die Kraft der Vervielfachung steht in Wechselwirkung zur Verführung durch die Regelhaftigkeit des Ornamentes. Das ist nicht anders in der Bodenarbeit und in der fünffachen Video-Projektion im CAN, doch kommen da klar neue Elemente hinzu. Der Einbezug des Filmischen in die Computerarbeit bringt seit einiger Zeit Dynamik ins Bildgeschehen. Für die auf einen mehrfach abgewinkelten Paravant projizierten DVD-Videos im CAN heisst das nicht nur, dass die Ameisen rennen, sondern durch unterschiedliche Geschwindigkeitsmomente im Film selbst auch „Tornados“ integrieren, die in Wechselwirkung mit dem Haupttempo ein Rasen im Raum evozieren, das, obwohl nicht sichtbar, erneut Faszination und Bedrohung kumuliert. Umsomehr als die fünf Paravent-Teile von fünf Projektoren aus bespielt werden, durch präziseste Technik aber gleichwohl den Eindruck eines Films vermitteln. Allerdings – und das ist entscheidend – nur fast, nicht ganz. Damit ist die Möglichkeit des Kollapses stets mit drin. Und in diesen winzigen Brüchen signalisert Kogler wie sehr ihm die Fragilität des Systems ein wichtiges künstlerisches Moment ist.

Die zweite Arbeit im CAN überspannt als all-over den Boden des Fensterraumes. Die rot/schwarz auf gummierte Lastwagenplane gedruckten Ameisen sind trotz schrägem Blickwinkel und starker Vergrösserung erkennbar, doch sind die Anordnungssysteme mehrfach überlagert, sodass sie in mehreren Schichten übereinander und damit chaotisch durch den Raum zu rennen scheinen. Kommt hinzu, dass man mit jedem Schritt durch den Raum mit den eigenen Füssen auf den Ameisen geht.

Anna Jermolaewa
Peter Kogler bezieht seine Student/-innen stets als Assistent/-innen mit ein und so wundert es nicht, dass auch die gleichzeitig im Kabinett ausstellende Anna Jermolaewa (32) eine Schülerin Koglers in Wien war. Es ist spannend zu sehen, wie die St. Petersburg stammende Künstlerin das repetitive Moment des Lehrers übernimmt, aber ganz anders einsetzt. Ihre Videos laufen mit ganz kurzen Loops vielfach ab und erzeugen so ein ironisches Moment des Manipulierten, des Unablässigen und immer Gleichen. In den beiden Arbeiten im CAN kommt ein feministisches Moment hinzu, mockiert sich die Künstlerin doch mit einer kleinen, Wasser spritzenden Giesskanne über die unentwegte Erregbarkeit männlicher Lust – und dies gleich auf mehreren, zeitlich nicht synchron laufenden Monitoren gleichzeitig. Oder sie führt die männliche Lust sich mit schnellen Wagen auf haarigem Untergrund immer wieder den Kopf einzurennen durch endlose Repetition ad absurdum.

Annemarie Reichen geht
Mit der Ausstellung von Peter Kogler und Anna Jermolaewa verabschiedet sich Annemarie Reichen vom CAN. Die 27jährige Kunstgeschichte-Studentin kam vor knapp drei Jahren als Assistentin von CAN-Leiter Marc Olivier Wahler im Rahmen der 10. Bieler Plastikausstellung nach Biel. Nach Wahlers Wahl nach New York übernahm sie in Zusammenarbeit mit dem Vorstand die Leitung des CAN und realisierte daselbst als jüngste Kunsthallenleiterin der Schweiz einige gute und frische Ausstellungen (u.a. „After Effect“). Doch die (unentgeltliche) CAN-Leitung, der Druck Geld zu verdienen und das Studium voranzutreiben erwies sich nun als zu aufwändig, sodass sich Annemarie Reichen nun entschloss, vorerst das Studium abzuschliessen. Die Nachfolgeregelung ist im Gang.