Kunsthalle Bern: Weihnachtsausstellung. 2003_2004
Jeder Region ihr eigenes Konzept
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 17. Dezember 2003
Obwohl oder gerade weil es im Kanton sechs Weihnachtsausstellungen bildender Kunst gibt, ist jene in der Kunsthalle Bern meist die bedeutendste. Auch heuer macht ihr niemand den Rang streitig.
Jeder Region ihre eigene Weihnachtsausstellung. Kein Kanton in der Schweiz pflegt die alte Tradition so wie Bern. Der Aargau mit seinem neuen Kunsthaus zum Beispiel hat sie eben ganz gekippt. Und Solothurn will nächstes Jahr neue Wege gehen. Doch das wiederum ist ein alter Zopf, denn nichts wechselt so oft das Konzept wie Jahresausstellungen. Gut so. Für die Ausstellung in der Kunsthalle Bern wurden heuer sieben Persönlichkeiten aus der Kulturszene eingeladen, einen Raum mit Werken von je drei Berner Kunstschaffenden zu bestellen, der Architekt Thomas Jomini zum Beispiel, die Kunsthistorikerin Sabine Rühle, der Musiker Eugen Frischknecht oder das Künstlerpaar Lang/Baumann. Fazit: Kuratieren ist so einfach nicht. Nur vereinzelt gerinnen die Räume zu installativen Konzepten. Themen allein geben kein visuelles Bild und Formverwandtschaft ist noch kein Thema. Und am Schluss zählt immer noch die Qualität der einzelnen Arbeiten.
Das Rund am Eindrücklichsten gepackt hat Kultursekretär Christoph Reichenau. „Die Bodenplastik von Mariann Grunder (77), erweitert durch den Horizontbogen an der Wand, ist sozusagen der Grund, auf dem die Fahnen von Ana Roldàn (26) stehen und der die Kugelblume von Adriana Stadler (46) bewegt“, schreibt er. Und so zeigt es sich. Nicht zuletzt weil Mariann Grunders „Küste und Horizont“ aus flachen im Raum und zur Wand ausgespannten Skulpturelementen aus Marmor und Blei ein Alterswerk der Grande Dame ist, das einem den Atem stocken lässt. Noch kaum je hat Landschaft in der Skulptur so reichen Ausdruck am Rand der Abstraktion gefunden. Als Vergleich kommen einem da nur Richard Long oder übertragen in die Malerei Ferdinand Hodlers späte Landschaften in den Sinn.
Nicht formal, aber inhaltlich und vor allem qualitativ gelungen ist der Raum von Unternehmensberater Reto Sorg mit „dem Verschwinden zugewandten“ Werken; darunter drei neue grossformatige Farbfotografien von Chantal Michel (35), welche die Künstlerin auf und in zur Entsorgung angehäuften Wohnungs-bestandteilen zeigen. Nicht triumphierend, sondern in leichter Unschärfe selbst nahe an der Auflösung; allerdings nicht im Sinne von Todesnähe, eher von etwas hinter sich zurücklassen. Schön nach einigen enttäuschenden Arbeiten nun wieder Überzeugendes der jungen „Berner Internationalen“ zu sehen. Im selben Themenkontext auch eine spannende Arbeit von Osamu Okuda (52), der ein Video der eben renovierten Wohnung, in welcher Paul Klee einst sein letztes Atelier hatte, zeigt. Ohne jegliches Pathos frägt er, was vom „Genius loci“ noch zu spüren ist; nichts, oder doch?
Wenn hingegen der Musiker Eugen Frischknecht „Dichte und Leere“ in Malerei und Musik zu zeigen versucht, so reichen dazu Kompositionsblätter und drei Arbeiten von Babette Berger, Heidi Künzler und Kotscha Reist nicht, um eine Wechselwirkung zu erzeugen.
Fast schon Selbstironie ist es, wenn SabineLang und Daniel Baumann unter anderem eine plastische Arbeit von Ueli Berger aus den 60er Jahren zeigen, die in ihrem rot-blauen Soft-Pop fast ebenso gut vom jungen Burgdorfer Duo stammen könnte. Im Hauptraum auch die vielteilige Minimal Art-Installation von Peter Gysi aus den „Kernstücken“ der „Mantel“-Arbeit, die aktuell in der Salle Poma im Centre PasquArt Biel zu sehen ist.