Urs Dickerhof Kulturpreisträger Biel 2004
Für Biel kämpfen lohnt sich
www.annelisezwez.ch Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 2. Dezember 2004
Im Rahmen der Kulturpreis-Feier vom Sonntag erhält Urs Dickerhof die Kulturelle Ehrung der Stadt Biel. Für seine Verdienste um die Schule für Gestaltung und sein kulturpolitisches Engagement.
Interview:
Im Editorial des eben erschienenen Almanach der Schule für Gestaltung Bern und Biel 2003/04 schreiben Sie: „Obsessionen sind eine aufregende Begleitung“. Ist Ihre Tätigkeit an der Schule für Gestaltung ihre Obsession?
Urs Dickerhof: Es ist eine Obsession geworden. Am Anfang war es eigentlich ein Pausenfüller. Ich hatte einen grossen Kunst am Bau-Wettbewerb in der Nähe von Dortmund gewonnen, der in letzter Minute auf Eis gelegt wurde. Gleichzeitig kam die Anfrage aus Biel. Beim ersten Mal sagte ich nein, beim zweiten Mal war das Deutschland-Projekt aufgeflogen und da dachte ich: Ich kann es ja mal probieren. Ich fand schnell guten Kontakt zur Ingenieurschule, welcher die Gestaltung angegliedert war, und die wollten, dass sich etwas ändert. Plötzlich bekam das Ganze eine Eigendynamik und damit war ich wie gefesselt. Ich konnte viel Lehrpersonal neu anstellen, die Pensen besser verteilen und hatte nun mit Künstlern und Gestaltern zu tun, die das einbrachten, was sie auch in ihrer Ateliers taten. Und da fand ich mich aufgehoben.
In einem Samstags-Interview von 1999, sagten Sie, dass Sie sich 2001, das heisst mit 60 Jahren zurückziehen wollten, um ihr künstlerisches Schaffen vermehrt voranzutreiben. Und jetzt sind sie immer noch Direktor der Schule für Gestaltung. Warum?
2001 fiel die definitive Entscheidung, dass wir ein neues Schulhaus beziehen können. Da dachte ich: Wenn jetzt nach 12 vergeblichen Anläufen der Zusammenzug in ein einziges Gebäude endlich gelingt, dann will ich auch noch ein wenig profitieren davon. Aber das ist nur der eine Grund. Der andere ist: Nach der Fusion der Bieler Schule mit Bern, die zwei Jahre vorher stattfand, waren einige Probleme noch nicht abgeschlossen. Ich hatte das Gefühl, wenn ich jetzt aussteige, lasse ich etwas im Stich und das habe ich noch nie gemacht.
Sie erhalten am Sonntag die Kulturelle Ehrung der Stadt Biel. Für Ihre Verdienste um die Bieler Grafik-Fachschule. Insbesondere für Ihren Einsatz, dass die Schule im Zug der Fachhochschul-Reorganisation nicht nach Bern abwanderte. Bestand diese Gefahr je konkret?
Um 1998 stelllte das Amt für Berufsbildung die Frage: Braucht es in diesem Kanton zwei Schulen für Gestaltung. Wenn man um die Grösse der Berner Schule weiss sie hatten neben dem Lehre/ Schule-System, eine Grafik-Fachklasse, dazu eine Keramikfachklasse und drei Vorkurse. Wir hatten eine Grafik-Fachklasse und einen Vorkurs. Da lag die Antwort eigentlich auf der Hand, auch wenn nie konkret von Liquidieren die Rede war. Ich hatte das Glück, dass in Bern der Projektleiter der Reorganisation Hans Ulrich Hermann war, den ich kannte und der kompetent war. So wurde es ein Spiel mit offenen Karten.
Welche Strategie wendeten Sie dabei an?
Mein Anspruch war: Wir sind im Bereich Fachklassen derart kompetent, dass man zum Schluss kommen muss, Bern sei aufzulösen. Das war natürlich ein arroganter Anspruch. Und es folgte die Knochenarbeit, das zu beweisen. Die anfänglich bittere Pille war für mich, dass meine Abteilung dreimal grösser wurde. Aus 90 Studenten wurden auf einen Schlag 275 und das an zwei Standorten. Das war eigentlich zu viel für mich. Aber es hat sich dann nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr positiv entwickelt; die Grafik ist jetzt vollumfänglich in Biel, die Keramik in Bern und Vorkurse gibt es hier und dort. Und alle Züge können ihre Eigenständigkeit leben. So fahre ich heute fast so gerne nach Bern wie ich hier in Biel bin.
Was hat den Entscheid schliesslich ausgelöst?
Die Bieler Schule hatte einen hervorragenden Ruf in der Schweiz. Sowohl die Abgänger der Vorkurse wie die Grafiker hatten eine gute Zukunft. Das konnte man schon mal politisch ummünzen. Zugute kamen mir auch meine kulturpolitischen Engagements, nicht zuletzt in diversen Fachhochschul-Gremien. Da wurde meine Stimme gehört. Bern war da in der schwächeren Position. Geholfen hat uns sicher auch die Zweisprachigkeit, die wir immer schon hegten und pflegten und die uns ein grosses Anliegen ist.
Gehört zum System Gestalterschule, wie Sie sie verstehen auch ein bestimmter Unterrichtsstil oder sind die gesetzlichen Vorgaben hiefür zu eng?
In den Vorkursen sind wir sehr frei und nutzen dies auch. Zeugen dessen, was gemacht wurde, sind nur die Schul-Abgänger. Da kommen aber auch Forderungen und zwar sehr disparate. So ist unser Problem eher: Können wir das alles bieten? Zum Beispiel seinerzeit die Einführung der Arbeit am Bildschirm. Wir konnten, dank neuer Lehrkräfte ziemlich früh; auch das war ein Argument für Biel. In den Fachklassen gibt es Ausbildungsreglemente und das hilft uns auch. Die Eigenständigkeit und Eigenartigkeit ergibt sich durch die Dozierenden.
In welcher Beziehung steht die Schule für Gestaltung eigentlich zur Stadt Biel?
Kritisch betrachtet kann man sagen, bis wir jetzt hier im ehemaligen SAFAG-Gebäude ein Zentrum haben, gab es uns eigentlich nicht. Wir hatten immer eine gute Beziehung zum Kunstverein und zum Museum PasquArt, aber wir hatten noch nie einen offiziellen Besuch der Stadt, weder an den alten Orten noch hier. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass wir lange im Rücken der Ingenieurschule waren. Seit wir autonom sind, ändert sich manches; die Bushalte-Stelle «Schule für Gestaltung» war für mich ein fantastisches Zeichen dafür.
Mit dem Nachdiplomstudium und der Reihe Praxis und Perspektiven hat man den Eindruck, die Schule öffne sich zur Zeit sehr stark zur Stadt hin. Warum gerade jetzt?
Da gibt es eine einfach Antwort: Wir müssen uns jetzt nicht mehr schämen. Verteilt auf vier nicht sehr ansehnliche Orte und chronischem Platzmangel konnten wir vor dem Umzug ins SAFAG-Gebäude ganz einfach niemanden einladen. Ich habe früher nicht einmal zu Sitzungen in die Schule nach Biel eingeladen. Währendem wir jetzt nationale Zusammenkünfte anbieten können. Das neue Haus ist ein Quantensprung für uns und wir wollen es dementsprechend nutzen. Wir stellen plötzlich auch fest, das Lehrkräfte nach Biel ziehen oder hieher zurückkehren.
Bleiben auch die ehemaligen Schüler vermehrt hier?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt; je mehr Schüler hier ihre Vollzeit-Ausbildung absolvieren, desto mehr tragen den Namen Biel in die Schweizer Gestaltungsszene. Und da fallen viele von ihnen auf. Die Gruppe Silex zum Beispiel, aber auch hier in Biel sind Gestalter-Büros wie Moxi oder Kong eng mit der Schule verbunden und das wird sich sicher noch verstärken.
Hat sich der Einsatz somit gelohnt?
Ich bin in Biel verliebt und darum habe ich gekämpft für Biel und freue mich über das Resultat, auch wenn die Reduktion der Grafikausbildung von vier auf drei Jahre eine bittere Pille ist, da wir die Schüler nicht mehr so weit führen können wie bis anhin. Allerdings haben wir durch die Verlängerung der Schulzeit schliesslich nur ein einzigesSemester preisgeben müssen und auch die Lehrerpensen konnte ich so einigermassen halten. Aber das brauchte Einsatz!