Blumen von Manet bis Pipilotti Rist in der Fondation Beyeler in Riehen. Bis 22.05.2005

Blühend dem Tod ins Auge blicken

www.annelisezwez.ch  Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 26. Feb. 2005. Zweiter Text zum Thema: Mittelland-Zeitung vom 1. März 2005

Marc Quinn überzieht Blumen mit Silikon und präsentiert die Fotografie als Pigment-Ausdruck auf Leinwand

Obwohl tausendfach in die Kitsch-Ecke gestellt, verführen Blumenmotive die Künstler immer wieder. «Blumenmythos» in der Fondation Beyeler in Riehen spannt den Bogen vom Impressionismus bis heute.

Die Ausstellung «Blumenmythos», benannt nach einem wunderschönen Blatt von Paul Klee von 1918, ist ohne Zweifel eine Charme-Offensive. Mit 160 Blumenbildern vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis ins Jahr 2004 ist sie ein Augenschmaus, welcher der Stiftung des Basler Kunsthändlers- und -sammlers Ernst Beyeler Besucher in Hülle und Fülle bringen wird.

Gerade bei populären Themen stellt sich die Frage nach dem Mehrwert besonders scharf. Was ist Effekthascherei und was ist Neuland? «Blumenmythos» spannt das Thema erstmals vom Impressionismus über die klassische Moderne bis in die Gegenwart; Malerei, Fotografie, Installation und Video umschliessend. Obwohl Radikales und Experimentelles nur angedeutet wird und die Klassische Moderne überbetont ist, überzeugt der Ausstellungs-Reigen vom Blumen-Stilleben übers Spiegelbild bis zur seriellen Massenproduktion.

Als «Neuland» in obigem Sinn kann man die augenscheinliche Verquickung von Schönheit, Erotik und Tod in Bildern verführerischen Blühens, sinnlichen Befruchtens und morbiden Welkens bezeichnen. Ausgespannt werden die drei Pole zum Beispiel von Marc Quinns mit Silikon überzogenen und als farbintensive Pigment-Drucke auf Leinwand erscheinenden Blumenarrangements, Nobuyoshi Arakis orgiastisch herangezoomten Blüten-Fotos und Anselm Kiefers melancholischen Feldern mit verdorrten Tulpen.

30 Jahre früher schon gelang es dem alternden Picasso die Ambivalenz von Aufblühen und Absterben zu bündeln. Seine Stilleben-Selbstporträts als welkende Blumen in farbigen Vasen gehören formal und thematisch zu den eindrücklichen Bildern der Ausstellung. Sie verbinden sich zum einen mit dem Rosen-Stilleben, das Edouard Manet auf dem Sterbebett schuf und zum andern mit dem abgeschnittenen Kastanienzweig, den Vincent van Gogh in expressiver Handschrift kurz vor seinem Tod malte.

Die chronologisch aufgebaute Ausstellung zeichnet auch die Kunstgeschichte nach. Von der abgebildeten zur erfundenen, von der mit der Kamera durch Vereinzelung magisch aufgeladenen, von der gemalten zur duplizierten, von der realen zur künstlichen Blume. Interessant, wie Jeff Koons kitschig-künstliche Blumenreliefs in ihrer «Unsterblichkeit» auf einmal folgerichtig wirken.

Wie oft bei Beyeler ist die Ausstellung museal auf höchstem Niveau, integriert aber den Standort Schweiz ganz gezielt. Die prominente und im Kontext sinnvolle Integration dreier «Schatten-Blumen» von Uwe Wittwer könnten so für den 49-jährigen Berner sehr wohl einen Karrieresprung bedeuten.

Interessant ist auch, dass die drei einzigen Video-Arbeiten von drei Schweizerinnen stammen und dabei allesamt mit subversiver Verführung spielen: Pipilotti Rists Geschichte vom Autoscheiben einschlagenen Blüten-Stängel, Silvie Défraouis «Exorzismus» mit Palmwedeln und Gabriela Gerosas geheimnisvolle «Blütenstaubfresserin». Schade hat man die DVD-Installation der Letzteren nicht mit Wolfgang Laibs irisierend-gelben Löwenzahn-Blütenstaub in Verbindung gebracht. Doch so viel Spielraum lässt die Ausstellung nicht zu. Klassisch hat Vorrang.