Girls, Girls, Girls CAN (Centre d’art) Neuenburg 2005

Ganz schön sexy

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 19. Mai 2005

Es gibt Männer, die meinen, Kunst von Frauen müsse sexy sein. Das ist eng, die Probe aufs Exempel dennoch anregend. Zu sehen im Centre d’art Neuchâtel.

Die beiden Kuratoren – Stéphane Pencréac’h (Künstler) und Richard Leydier (Redaktor bei artpress/Paris) – sind freimütig: Sie hätten vor einigen Jahren in einer gemütlichen Runde über Kunst von Frauen diskutiert und seien zum Schluss gekommen, bedeutende Künstlerinnen gebe es nicht. Das aber goutierten ihre Partnerinnen nicht. Und so hatten die beiden Machos – sie bezeichnen sich selber als solche – fortan einen Auftrag.
Mit dem anders als im deutsch- und englischsprachigen Raum in Frankreich kaum vertieften Blickwechsel zu Kunst und Frau im Rucksack suchten sie, «was reizvoll war», wie sie sagen. Nämlich Kunst von Frauen, die Sexualität zum Thema macht.

Das Resultat war im Mai 04 eine Sondernummer des Kunstmagazins artpress und ist jetzt eine Ausstellung im Centre d’art Neuchâtel, im neu lancierten CAN. War artpress vor einem Jahr ein Heft zwischen Kunst und Pornographie von Frauen, hält sich die Ausstellung in Neuenburg knapp an die Schnittstelle.

Lustvolles, Surreales und Aufreizendes begegnet Ironischem und, wenn auch nur vereinzelt, Bedrohlichem respektive Verinnerlichtem. Die Künstlerinnen stammen fast durchwegs aus der Pariser Kunstszene, in welcher auch die Schweizerin Marianne Müller ihren Platz hat.

Es ist ein Phänomen, dass die Sexualität mit dem Aufkommen von Aids praktisch aus der bildenden Kunst verschwand. Frauenakte wie sie einst Gustav Klimt skizzierte, waren nicht mehr denkbar. Umsomehr als gleichzeitig ein Quasiverbot an die Adresse der Männer aufkam, Frauen als Objekte der Begierde darzustellen. Nun zeigt sich schon seit einiger Zeit – und im feministisch unbelasteten Frankreich doppelt – dass jüngere Frauen die Lücken gefüllt haben. Und zwar anders als ihre österreichischen, amerikanischen und deutschen Mütter. Sie kippen den alten Streit, ob es ein Verrat am Geschlecht sei, sich lustvoll zu zeigen, über Bord und tun, was sie wollen, mal mit Witz, mal mit Pfeffer, mal bös, mal lieb, zuweilen auch ein bisschen banal.

Da ist noch ein Phänomen, welches das Ganze brisant macht: Sexuell aufreizende Bilder von Männern und Frauen ähneln sich enorm. Das hat den Frauen schon mal den Vorwurf eingetragen, sie würden die Männer kopieren.

Doch halt: Dahinter stecken Sigmund Freud und Co. Sprich: Die Männer projizieren ihre sexuellen Gefühle seit eh und je aufs Gegengeschlecht (Homosexualität hier mal ausgeklammert). Während Frauen Sexualität weitgehend über den eigenen Körper – oder allenfalls jenen eines weiblichen Modells – durchspielen. Männer respektive ihre geschlechtlichen Attribute sind in den Werken der Ausstellung in Neuchâtel quantité négligeable.

Zu den Highlights unter den 19 Positionen gehören die stilistisch den frivolen 20er-Jahren nachspürenden Fotos von Ellen von Unwerth. Auf die Frage, was sie anders mache als die Männer, antwortet sie Richard Leydier im Interview: «Die Frauen haben mehr Spass, wenn hinter der Kamera kein Mann mit hängender Zunge lechzt.»
Es ist fast ein wenig ein Dedektivspiel, sich beim Rundgang zu fragen, warum diese oder jene Arbeit gerade eine Frau so gestalte. Eindeutig ist es bei jenen Arbeiten, die im weitesten Sinn mit «Geburt» spielen; an dieses Thema wagen sich die Männer in der Regel nicht. Die grossformatige Foto von Catherine Jammes ist da zu nennen, die ein nacktes Modell mit gespreizten Beinen und einem «geborenen» Gehirn zeigt; ohne Blut, geschönt und symbolisch «sic transit gloria mundi» benannt.

Was ist mit den Dominas und den masochistischen Tendenzen? Die gibt es hüben und drüben, aber so raffiniert mit allen Clichés umgehen wie Chloë de Lysse kann wahrscheinlich nur eine Frau. In ihrem Bilder-Potpourri in verschiedensten Medien wechselt der Blick wie ein Kaleidoskop von Begierde zu Täuschung, von Werbung zu Intimität, von Penis zu Vagina, von Körper zur Kamera. Die Malerei übersetzt stärker als Video und Fotografie, sie ist näher am Gefühl – sei es surreal-träumerisch wie in den Arbeiten von Béatrice Cussol oder Existenzielles touchierend wie bei Lyzane Potvin.

Alles in allem? Es scheint sinnvoll, das Thema wieder einmal abseits von Videoclips und Pornoindustrie aufzugreifen, aber dass alles Gold wäre, was da reizt, wäre eine übertriebene Behauptung.