Kunst zwischen Sex und Fruchtfleisch
Branding Themenausstellung im CentrePasquArt in Biel. Bis 25.06.2006
«Branding» heisst die Themenausstellung 2006 des Centre PasquArt. 28 Positionen beweisen, dass das, was der Wirtschaft lieb, der Kunst billig ist: Label, Slogans, Markenzeichen.
«Pom-O-Porn» heisst das neueste Produkt von «Protoplast». Es lanciert den Apfel neu – zwischen Sex und Fruchtfleisch. Die aus zwei Direktoren und einer Direktorin bestehende Basler Protoplast geschäftet als Kunstfirma für fiktive Produkte. Zusammen mit den neuerdings zur Holding expandierten «Ingold Airlines» und der als Aktiengesellschaft tätigen, aber nur im Internet greifbaren «etoy.com» bilden die drei das Kapitel «Firmenstrategien» der Ausstellung «Branding – das Kunstwerk zwischen Authentizität und Aura, Kritik und Kalkül», die heute im CentrePasquArt eröffnet wird.
Ob wir wollen oder nicht täglich werden wir mit Logos, Werbesprüchen und mehr oder weniger versteckten Konsum-Verführungs-Strategien konfrontiert. Bis zum Überdruss.
Kein Wunder, dass sich am Puls der Zeit agierende Künstler und Künstlerinnen die Methodik schon seit längerem angeeignet haben und ironisch, witzig und zuweilen hinterhältig in den Dienst der eigenen Karriere stellen. Nur, als Thema hat das bisher noch kein Museum in der Schweiz aufgeriffen, das PasquArt hat also die Nase vorn.
Methodisch ist die Ausstellung nach demselben Muster gestrickt wie die «Helden heute» vor einem halben Jahr. Dass das Museum mit seinem geringen Personalbestand schon wieder international auffährt, ist erstaunlich, zeugt vom fast schon beängstigenden Elan, mit dem die Crew ihre Aufgabe, das PasquArt national in Szene zu setzen, nachkommt. Die Ausstellung spiegelt aber auch eine junge Kuratoren-Generation, die nonchalant eigene Kenntnisse mit Internet-Surf-Ergebnissen ergänzt und ohne Berührungsängste mit Galerien hier und dort zusammenarbeitet.
Die Ausstellung ist denn auch mehr ein Panoptikum von Zusammengetragenem respektive fürs PasquArt neu Aufbereitetem als in einem künstlerischen Dialog mit den Kunstschaffenden entwickelt. Das werden ihr gewisse Kunsthistoriker-Kreise mit Sicherheit vorwerfen. Aber: Mit dem schlicht jedermann und jederfau bekannten Thema öffnet sie sich einem breiten Publikum, das mit Sicherheit seinen Spass daran hat; vor allem da, wo Markenzeichen und Logos seien sie abgekupfert oder selbst entwickelt direkt ins Spiel eingreifen. Wie etwa bei Nic Hess (geb. 1968), der ebenso witzig wie augenfällig sattsam bekannte «m» und «M» zur Waren-Gleichung kombiniert. Das McDonald’s-M findet man auch beim listigen Russen Kosolapov (geb. 1943, in NY lebend), der daraus allerdings ein At Lenin’s macht. Während Sylvie Fleury (geb. 1961) auf verführerisches «Gift» setzt, hypnotisch duftend in pinksüssen Lettern auf goldenem Grund. Dior lässt grüssen.
«Branding» – dieses Modewort für die Positionierung von Produkten im Weltmarkt – ist in der Kunst eigentlich nichts Neues. Die Künstler-Handschrift ist seit eh und je ein Thema; zuweilen strategisch eingesetzt, vielfach durch die wiederkehrende Präsenz eines Werkes indirekt entstanden. Im Kapitel «Bildsprache» zeigt Dolores Denaro denn auch primär Vielgezeigtes wie die «Handschrift» Ben Vautiers, die LED-Schriftbänder von Jenny Holzer, die Flügelmuttern Bernhard Luginbühls oder die plakativen Zeichen von Olivier Mosset.
Zum Spannendsten gehören die Arbeiten im Kapitel «Eigenmarken», Labels, die Künstler im Kontext von kurz- oder langfristigen Projekten entwickelt haben. Eines der bekanntesten, das mittlerweile schon über 20 Jahre auftaucht, ist Thomas Baumgärtels Banane, mit welcher der Kölner Institutionen für zeitgenössischen Kunst «brandmarkt». Neuerdings gibt es hiezu Bananen-Metamorphosen, die sich spielend als Leoparden, Zipfelkappen oder WM-Fussbälle gebärden.
Auf dem Hochseil tanzt hingegen Daniel Buettis Aktion (Video-Doku), in welcher er Marktständen Tragtaschen mit der Beschriftung «Trau mir» zur Verfügung stellt, die, von der Kundschaft durch die Stadt getragen, unverhofft Beziehung zu den Menschen aufnehmen. Eher flach präsentiert sich da im Vergleich die Marke «yodeli.ch» von Stéphane Decrauzat, die mit Shop-Artikeln gezielt auf die Existenz des Künstlers aufmerksam zu machen versucht.
Eine Sonderstellung nimmt der in München lebende Schweizer Urs Lüthi (geb.1947) ein. Treten in allen anderen Arbeiten die Autoren hinter ihre Handschriften, Labels und Strategien zurück, steht der Kopf beim Altmeister der Selbstinszenierung als Trademark im Mittelpunkt. Er ziert ebenso die Smarties gleich an die Wand gepinnten Frisbies wie die Kaffee-Tassen des Projektes «Art for a better life», das Lüthi für Biel neu inszeniert hat. Mit einer guten Prise Ironie ruft er mit «Weisheiten» wie «Live slowly» oder «waste your feelings» zur Verquickung von Kunst und Leben auf.
Katalog Branding im Verlag moderne Kunst Nürnberg