Heiner Kielholz im Kunstmuseum Winterthur. 2006

Und plötzlich dieses rote Bett

Nach Jahren selbstgewählten Abseits im Valle di Poschiavo tritt der Aargauer Künstler Heiner Kielholz (62) wieder an die Öffentlichkeit. Diesmal mit Intérieurs, Stillleben und Landschaften im Kunstmuseum Winterthur.

Als Heiner Kielholz zwischen seinen Reisen jeweils ins Fricktal zurückkehrte, hörte man in Aargau noch des öftern: „Der Holz ist da“, wie es Klaus Merz in einem Text formuliert. Seit er vor zehn Jahren im Valle di Poschiavo Wohnsitz nahm, schien der seit 35 Jahren zu den bekanntesten Aargauer Künstlern Zählende gleichsam verschwunden zu sein. Um so mehr als er daselbst nicht einmal ein Telefon einrichtete. Zwar kehrte er 2002 für eine Ausstellung in den Disteli-Räumen des Kunstmuseums Olten zurück, doch verpassten zu viele die kleine Schau zum Buch „Orte“ (Edizione Pereferia).

Für Dieter Schwarz, Direktor des Kunstmuseums Winterthur, ist Heiner Kielholz seit den legendären Ausstellungen der Aarauer „Ziegelrain-Künstler“ in der Galerie Palette in Zürich (um 1970) ein Begriff, wie er an der Vernissage sagte. Nie habe er ihn aus den Augen verloren. Und weil es zum Profil des Hauses gehöre, Werke herausragender Einzelgänger zu erwerben, habe Winterthur in den letzten Jahren einige Arbeiten von Heiner Kielholz angekauft. Die Ausstellung sei die Konsequenz davon.

Auf Wunsch von Heiner Kielholz werden in der grossen, fünf Haupt- und zwei Nebenräume umfassenden Präsentation ausschliesslich Aquarelle und Ölbilder gezeigt, die der Künstler vor dem Motiv malte. Sei es in Triest, Burgos, Herznach, Mithimna, Poschiavo, Oradea, Venedig oder San Carlo. Sei es in den Wohnungen, einem Hotel, in der Landschaft, vor der Kulisse einer Stadt. Das mag nicht so verführerisch sein wie die ornamentalen Grossformate im Helmhaus in Zürich vor zehn Jahren, doch gerade darum ist die Ausstellung näher am Künstler, was sie bei vertieftem Betrachten ungemein spannend macht.

„Wir haben eine Woche gearbeitet und das Beste aus den kleinen Formaten und den grossen Räumen herauszuholen versucht“, sagt Heiner Kielholz. Ja, doch, er sei zufrieden. Er ist es mit Recht. Die Präzision, mit welcher die Werke tendenziell chronologisch, thematisch und ortsbezogen in einen harmonischen (einen musikalischen?) Rhythmus gesetzt sind, macht die Ausstellung zu einer Parallele dessen, was auch die einzelnen Bilder auszeichnet: Karge Zurückhaltung und 100prozentige Präsenz. In einem Kabinett stellt Dieter Schwarz Werke von Giorgio Morandi und Alberto Giacometti aus der Sammlung dazu; das geht unter die Haut mit Blick auf Kielholz.

Subjektiv empfundener Höhepunkt der Ausstellung mag der Poschiavo-Raum sein; Intérieurs, die zwischen 1995 und 2003 in den Wohnräumen des Künstlers entstanden. Nichts in diesen immer wieder anders begrenzten Blickfeldern verrät das 21. Jahrhundert. Ein Tisch, ein Stuhl, ein Bett, ein Buch, der Blick in einen anderen Raum, zum Fenster, in die Küche. Was für eine Distanz zur jungen Kunst heute! Eine rote Bettdecke inmitten der vorherrschen Grau- und Brauntöne wirkt hier schon fast lasziv. Man spürt die bewusst gewählte, kritische Distanz zum urbanen Leben in unserer Zeit, die Solidarisierung mit der Randsständigkeit der Bergregion. Zugleich aber auch die Melancholie der Einsamkeit. Da ist immer nur ein Stuhl und das Bett ist schmal. Das Leben scheint abwesend zu sein und doch ist es da – in der Malerei, in den Rhythmen von Vertikalen und Horizontalen, im einfallenden Licht, in der Differenzierung der Farben. Des Malers Blick braucht sich nur um wenig zu verschieben und schon ist es ein neues Bild, ob gleich danach oder ein Jahr später gemalt. Es ist ein an zurückliegenden Maltraditionen Mass nehmendes Werk, ohne Zweifel, aber in seiner Qualität zeitlos, packend – vielleicht sogar erschütternd.

Katalogbuch mit Texten von Dieter Schwarz, Uli Däster, Klaus Merz, Maja Naef u.a.