Delprat Hélène in der Galerie Gisele Linder

Hang zum Circensischen

Annelise Zwez, Kunstbulletin 12 07
 
Die französische Künstlerin Hélène Delprat (geb. 1957) ist eine subtile, fantasiereiche Geschichtenerzählerin mit einem maliziösen Hang zum Circensischen. Nie ist nur das gemeint, was man zu sehen glaubt. „Skeleton Bad Taste“ (das Skelett des schlechten Geschmacks) nennt sie den jüngsten Bildzyklus.


Seit mehr als 20 Jahren – seit Gisèle Linder ihre Galerie an der Elisabethenstrasse eröffnete – zeigt die in Paris lebende Malerin, Bühnenbildnerin, Inszenatorin und Filmerin Hélène Delprat Kapitel ihres Schaffens in Basel. Eben jetzt zum 10ten Mal.

Obwohl das bewegte Bild – insbesondere minimalistisch angelegte Maskeraden vor der eigenen Kamera – und auch die Fotografie in den letzten Jahren an Bedeutung gewannen, zeigt Hélène Delprat aktuell einen ganz neuen, auf die Räumlichkeiten zugeschnittenen Malerei-Zyklus.

„Ob Malerei, Film, Inszenierung – was auch immer – es sind alles Facetten ein und derselben künstlerischen Vision“, sagt die Künstlerin. Diese Vision ist vielschichtig – mal werden Bilder zu Träumen, mal träumt sie von Bildern – hat aber einen roten Faden: Das Tier, das als Allegorie des Menschen auftritt; weniger im Sinne der Fabeln von La Fontaine als vielmehr der Karikatur, häufig der englischen. Das Tier erscheint denn auch als „singe peintre“, als „homme lion“ oder gar als Koch in Eselsfigur mit schwarzer Schürze und doppeltem Kopf: “The  Bad Taste Donkey Burger“.

Die doppelbödigen, zeichnerisch angelegten „Bad Taste“-Szenen sind nicht bildfüllend angelegt, sondern erscheinen oft medaillonhaft, als Blick hinter die Kulissen oder collageartig auf einen kontrastierenden Untergrund platziert. So zeigt sich zum Beispiel das  weisse, mit einer Sense ausgestatte Eichhörnchen zunächst auf einem schwarzen, blumenförmigen Patch mit der Inschrift „My New Job“; das wie ein Abzeichen wirkende Medaillon platziert Delprat nun aber auf einen vorgängig gemalten Untergrund, hier mit bunten, kleinen Bonbons.

Immer wieder gelingt es Delprat Assoziationsfülle auf einen einfachen Nenner zu reduzieren. Dass dahinter dennoch die Lust an der Fülle regiert, zeigt sich darin, dass die Künstlerin einem Literaturstudenten den Auftrag gab, zu einer Reihe von Bildern eine Geschichte zu schreiben. Dieser löst die Aufgabe bravourös, in dem er sich als Beauftragter auf die Suche nach den Bild-Phänomenen macht und – zum Beispiel – in Beartooth Mountain auf die kriminellen Double Donkeys stösst, diese so  zu fotografieren vorgibt wie sie die Malerin malte und so ein faszinierendes perpetuum mobile erzeugt. Die Texte sind Teil der Ausstellung.

Hélène Delprat ist eine Tänzerin zwischen den Zeiten, den Geschichten und ihren Bildern. Zeichnete sie früher liebend gern in Bibliotheken – zum Beispiel mit einem Buch mit Illustrationen von William Hogarth vor sich – so ist ihr mittlerweile die Bild-Ebene von Google zur Inspirationsquelle geworden, wobei ihr aber nach wie vor die Form und Ausschnitt wählende Zeichnung als Intermédiaire dient.

Das Füllhorn der Zeichnungen wird im Moment einer konzentrierten Malphase zur Wundertüte, die intuitiv mit den abstrakten Umfeldern – den Bühnenbildern – interagiert und sich zu Bildstücken (im Gegensatz zu Theaterstücken) verdichtet. Gegeben wird dabei alles, von Liebesszenen mit Schmetterlingen bis zu – häufiger – subversiv oder auch sehr direkt Gewalt, Macht und Ohnmacht, Arroganz und Hinterlist implizierenden.

Es gehört zur Arbeitsweise der Galerie, der Hauptausstellung eine Art Kabinett anzugliedern. Wenn Gisèle Linder jetzt den seit den 1970er-Jahren Wort und Bild verknüpfenden Franzosen Unglee einlud, so weil auch er, wenn auch ganz anders, fragile Fiktionen schafft – sei es mit dem Mittel des Films, der öffentlichen oder medialen Intervention. Sprechende Gesichter, wie sie kürzlich in „Eros II“ in Riehen zu sehen waren, spielen dabei heute die grössere Rolle als die Tulpen, die lange sein Markenzeichen waren.