Louise Bourgeois Kunstmuseum Bern 2007

Versöhnliche Rhythmen einer alten Rebellin

www.annelisezwez.ch                          Annelise Zwez in „Live“ (Magazin AZ) ca. 15.01.2007

   

Louise Bourgeois ist 95 Jahre alt und noch immer Künstlerin. Mit einem Mitarbeiter-stab fast wie einst die Malerfürsten in der Renaissance. Das Kunstmuseum Bern hat  2006 die 19-teilige „Fuge“ gekauft und zeigt sie jetzt mitsamt Skizzen im Graphischen Kabinett.

 

Keine hat die Ambivalenz weiblicher und männlicher Sexualtität so entlarvend umgesetzt wie Louise Bourgeois (geb. 1911 in Paris, seit 1938 in New York). In Skulpturen und Installationen formte sie sich ihr Kindheitstrauma vom Leib.

Doch das ist nur die eine Seite ihres Werkes; in ihren Zeichnungen und Gouachen gab Bourgeois vielfach der Poesie fliessender Gefühle Raum und Ausdruck; mäandernde Linien, vibrierende Schraffuren, sich kräuselnde Kreise und weitende Ringe, zuweilen Körperliches – oder auch Spinnenhaftes –  evozierend. Eine Ausstellung im Aargauer Kunsthaus (mit Meret Oppenheim und Ilse Weber) zeigte es 1999 eindrücklich.

Die nachhaltigste Bourgeois-Ausstellung in der Schweiz fand jedoch 1991 im Kunstmuseum Bern statt. Seither sammelt man in Bern Zeichnungen und Grafiken, vereinzelt auch Skulpturen, aus allen Schaffensperioden. 84 einschlägige Nummern zählt das Inventar.

2005/06 gelang es dem Museum das in einer Auflage von 9 + 1 gedruckte Portfolio mit dem Titel „Fugue“ direkt von der Grafik-Werkstatt der Gebrüder Procuniar in New York zu erwerben. Die 19 Lithographien im Format 30 x 40 cm bilden das Zentrum der kleinen Bourgeois-Ausstellung im Graphischen Kabinett.

Zu sehen sind auch die Skizzen dazu, die Louise Bourgeois 2003 in ein Buch mit Notenlinien zeichnete. Die Formensprache ist überraschend vielfältig, versammelt quasi, was dem Werk schon seit langem eingeschrieben ist: die Linie, die fliesst oder  Schlingen bildet und Rhythmen schafft, die Spirale, die Dynamik bewirkt, das Oval, das sich verschränkt oder signalartig fortpflanzt usw.

Gegenständliche Assoziationen gibt es keine (mehr), der Fuge gleich lässt Bourgeois ornamentale Themen anschwellen, variiert und repetiert sie. Informativ ist, dass sie drei Blätter hinzufügte, auf denen in blut-roter Farbe nichts t als „toi“, „eux“ und „elles“ steht; verweist sie damit auf die schwindende Ich-Kraft, die ein Arbeiten im Verbund mit anderen fordert?                                                                                  Annelise Zwez

16. Januar bis 8. April 2007