Claudia di Gallo Centre Pasquart 2007

Von einer Welt zur anderen

annelisezwez.ch           Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 20.01.2007  


Das Museum Centre PasquArt startet mit Claudia di Gallos «Trailblazer Cosmogramm» ins neue Jahr. Eine multimediale Ausstellung, in deren kosmische Dimensionen nur gelangt, wer eine Boarding Card bei sich hat.


Einen Kunstschaffenden zu einer Museumsausstellung einzuladen, der in der Szene eh schon Schlagzeilen macht, kann zwar spannend sein, zeugt aber nicht unbedingt von eigenem Profil. Gelegentlich wirft man dem Centre PasquArt das vor. Sicherlich gilt das nicht für Claudia di Gallo, deren erste Museums-Einzelausstellung heute eröffnet wird. Sie gehört im Programm-Konzept von Dolores Denaro zu den «Repêchés», das heisst Künstler und Künstlerinnen, die ein Zeit lang von der Bildfläche verschwunden sind, sich hinter den Kulissen jedoch weiter entwickelten und nun neu zur Diskussion gestellt werden. Solche Einladungen brauchen Mut und eigenständige Überzeugung.

Claudia di Gallo machte sich in den 1990er-Jahren mit Arbeiten, oft Installationen, im Spannungsfeld von Körper und Psyche einen national bekannten Namen. Doch immer mehr begann sie das Phänomen der Energie als Wirkkraft zwischen innen und aussen, realem und mentalem Raum, zwischen Diesseits und Jenseits zu interessieren.

Zu den letzten Arbeiten vor der «kreativen Pause» gehören die «Voyager» – eine fünfteilige Airbrush-Arbeit auf Leinwand, die einen Mann in einem silbrigfarbigen Raumfahrt-Anzug zeigt, der durch nicht fassbare Sphären fliegt. Konkret war es ein Turmspringer, den Claudia di Gallofotografierte, digital frei und in neuen Kontext stellte. Die «Voyager»-Serie ist jetzt Auftakt zur «Trailblazer Cosmologie», welche die Künstlerin in den drei Galerie-Räumen und der Salle Poma eindrücklich und durch und durch heutigem Lebensgefühl entsprechend ausbreitet.

Claudia di Gallo hat in den letzten Jahren mit ihrem Lebenspartner die Webdesign-Agentur «fos.to» aufgebaut und sich dabei ausserordentliche Kenntnisse im Umgang mit der digitalen Welt angeeignet. Die Ausstellung im Centre PasquArt zeigt dies auf den ersten Blick. Von den «Voyager» zu den aufwändig inszenierten Sphären-Fotografien von 2006 sind es technisch – aber auch inhaltlich – Meilen.

Claudia di Gallo ist in ihrer künstlerischen Vision – der Begriff hat hier seine Berechtigung – in gewissem Sinn zurück in die frühen 1970er-Jahre, die Zeit, als Harald Szeemann die Bezeichnung der «Individuellen Mythologie» prägte, und hat sich – ort- und zeitübergreifend, Barock und Science Fiction kombinierend – eine eigene Kosmologie geschaffen. Darin geht es um die lebensbestimmende Trinität von Galaxie, Biosphäre und Unterwelt. Als Mensch gehe es darum, so die Künstlerin, die drei Aggregatszustände als interplanetaren Raum zu sehen und bewusst wahrzunehmen.

Anders als die Mythologen der 1970er-Jahre schafft di Gallo nicht einfach Werke, sondern lädt die Ausstellungsbesuchenden ins Transitareal ein, um von da aus die drei Sphären zu erkunden. Zuerst bezieht er oder sie an der Kasse eine «Boarding Card», fährt dann mit dem Lift(!) in den ersten Stock, wo ihm in drei Sälen die drei Sphären vorgestellt werden, nimmt dann den Licht-Lift (oder auch den realen) und fährt in die Salle Poma, welche die Künstlerin mit Hilfe der Gruppe Syntosil in ein extraterrestrisches, 60 Meter langes, weisses Stoff-Labyrinth verwandelt hat. Ein in galaktische Fernen zeigendes Video sowie eine Pendel-Station mit Ruhebänken dienen der Orientierung.

Claudia di Gallo bezeichnet die Ausstellung als «Trailblazer Cosmogramm», das heisst als eine Art Landkarte für Wegsuchende. Ihre Haltung ist dabei nicht etwa eine ironische oder Videospiele imitierende, sondern – und das spürt man – eine durch und durch der eigenen Sinn-Suche verpflichtete. Geschickt nutzt sie dazu aktuelle Muster von Michel Ende über Harry Potter bis Mathew Barney und schafft so Zeitgenossenschaft, die das Lebensgefühl eines jungen Publikums miteinschliesst. Gut auch, dass sie sich nicht auf die inszenierte Fotografie beschränkt, sondern auch reale Objekte – unter anderem eine orgonomische Geige zur Harmonisierung der Lebenswelten – in die Gesamt-Installation miteinbezieht.