Wenn Kunst zum Krimi wird
Vor zwei Monaten machte das BT das Legat Franz Kopp an die Stadt Biel publik. Jetzt sind neue Fakten zur geschenkten Kunst und zur Person des Sammlers bekannt.
Annelise Zwez – 19. April 2007
Das sei etwas vom Verkehrtesten, das sie je im BT gelesen habe, monierte eine Dame nach dem ersten Text zum Legat von Franz Kopp an die Stadt Biel. Beim Tee erwies sich dann, dass sie Recht hatte, aber nur in einem Punkt, der nicht die Kunst betraf. Es war eine Falschinformation, dass Franz Kopp (1923-2006) bei den Vereinigten Drahtwerken gearbeitet hatte. Richtig ist, dass ihn Franz Bühlmann – Chef der 1948 gegründeten Amidro (der Einkaufsgemeinschaft der Drogerien) 1952 nach Biel holte und er bis zu seiner Pensionierung 1988 als kaufmännischer Angestellter daselbst arbeitete. Noch eine zweite Stimme machte auf den Irrtum aufmerksam, ansonst blieb das Telefon stumm und die Mailbox leer. Franz Kopp war ein Einzelgänger und von seiner Leidenschaft Kunst, seinem zweiten Leben, wussten in seinem persönlichen Umfeld nur ganz wenige.
Die Bücherkisten
Galeristinnen – Lydia Megert in Bern, Anne Rotzler in Zürich zum Beispiel – wussten da schon besser Bescheid, denn da kaufte Franz Kopp mehrfach Kunst, und auch im Verzeichnis der renommierten, deutschen Kestner-Gesellschaft sowie der Schweizer Künstlergesellschaft GSMBA figurierte er als Mitglied. Die zwei Bücherkisten, welche die Stadt Biel mit den 26 Kleinplastiken und Bildern testamentarisch erhielt sowie ein kleines Konvolut an Persönlichem, das kürzlich dazu kam, haben etwas Licht ins Dunkel gebracht. Zum Beispiel, dass Kopp sich wohl schon als junger Mann in Luzern für Kunst interessiert hatte; das zumindest suggeriert der deutlich Lesespuren aufzeigende Katalog einer Ausstellung Hans Erni im Kunstmuseum Luzern von 1944.
Kunst zu sammeln beginnt Kopp Mitte der 1960er-Jahre, doch durch die «Moderne Malerei» biss er sich schon in den 1950er-Jahren anhand des damaligen Standardwerks von Doris Wild. Und die aufbewahrten Kataloge zu den Bieler Plastikausstellungen gehen zurück bis in die frühen 50er-Jahre. Ob hier der Schlüssel ist zu seiner Vorliebe für Plastiken?
Die Frage, wie Kopp zu seinem einzigen Luzerner Werk, der Arbeit des Surrealisten «Max von Moos» kam, haben die Bücherkisten nicht beantwortet, aber da fand sich eine Kopie eines Formulars, in dem Kopp klipp und klar festhält, dass er das Bild weder ausleihe noch seinen Namen irgendwo verzeichnet haben wolle. Die Kunst war sein Privatissimum. Eine Leidenschaft, die er sich aufgrund einer kleinen Erbschaft leisten konnte.
Der Beweis
Eigentlich war da die Hoffnung, die Kisten würden erhellen, wie Franz Kopp zu jener unsignierten sitzenden Plastik kam, die das BT im Februar als möglicherweise von Germaine Richier stammend erwähnte. Denn dass die Gipsfigur tatsächlich die «Femme assise» Richiers aus dem Jahr 1944 ist, konnte bald einmal bewiesen werden. Ein Gang in die Bibliothek des Zürcher Kunsthauses brachte den Katalog der Ausstellung «Germaine Richier» in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig (Winter 2006/07) auf den Tisch des Lesesaales. Beim Blättern – welche Überraschung (und welche Freude)! – ist plötzlich unübersehbar das Bild der Bieler Plastik da. Wie konnte das sein? Der Kommentar erhellte es: Es ist ein in Zürich gemachtes Foto des Originalgipses der «Femme assise», das 1946 auf dem Umschlag des Kataloges der Galerie Moos in Paris erstmals publiziert worden war. Wo sich der Gips heute befindet, sagte der Kommentar natürlich nicht… In Venedig war einer der sechs Bronze-Abgüsse ausgestellt. Konservator Chris-tian Klemm vom Kunsthaus Zürich bestätigte in der Folge die Rückschlüsse Biels.
Gipse selten im Handel
Doch wie kam die «Richier» in die Sammlung Franz Kopp, wo sie eigentlich eine Aussenseiterin ist, stehen doch abstrakte, vielfach metallene Kleinskulpturen im Zentrum. Eine Ahnung gibt es inzwischen. Franz Kopp hat mehrfach bei Anne Rotzler, der Inhaberin der renommierten Galerie Gimpel und Hannover in Zürich, gekauft, unter anderem den markanten «Kreisel» von Matschinsky-Denninghof (Kostenpunkt im Jahr 1970: 8000 Franken). Anne Rotzler – eine der Koryphäen unter den Galeristinnen des 20. Jahrhunderts und überdies eine jederzeit höflich anteilnehmende Frau – vertrat in ihrer Galerie auch Germaine Richier…
Die Gipse von Bronze-Skulpturen sind selten im Handel und werden vom Markt auch kaum beachtet. So ergibt sich die eigenartige Situation, dass die Kunstgeschichte (siehe das Foto im Katalog) zwar gerne auf die Gipse Bezug nimmt, denn sie sind die eigentlichen Originale, ihr Geldwert aber unbedeutend ist. Kleinere Bronzen von Germaine Richier werden, wie Jan Scharf vom Auktionshaus Dobiaschofsky sagt, zu Preisen um 30 000 Franken gehandelt. Auch das steht in Widerspruch zur Kunstgeschichte, die Richier gerne neben Alberto Giacometti stellt, dessen Skulpturen freilich ein Vielfaches kosten. Der Kunstmarkt hat seine eigenen Gesetze. Für Biel ist es ein Glücksfall, die «Femme assise» von Germaine Richier – einer der bedeutendsten Bildhauerinnen des 20. Jahrhunderts – in seiner Sammlung zu wissen.
Bei den kürzlichen Recherchen im Kunstdepot der Stadt konnte en passant eine zweite bisher als «Inconnu» figurierende Plastik identifiziert werden. Franz Kopp hat die dazugehörige Rechnung als Buchzeichen verwendet… und so ist jetzt klar, dass die präzisest gearbeitete Steinskulptur vom Japaner Osama Nakajima (geb. 1937) stammt und – später als alle anderen Werke – 1980 an der Kunstmesse in Basel bei der Edition E gekauft wurde (für 10 000 Franken).
Link: Online-Datenbank der Bieler Kunstsammlung: www.biel-bienne.ch/ww/de/pub/aktiv/kultur/kunstsammlung.cf
Das Legat
Franz Kopp (1923-2006) hat der Stadt Biel einen grossen Teil seiner Kunstsammlung testamentarisch vermacht.
Es handelt sich um eine Kollektion von 26 Werken, die grossmehrheitlich zwischen 1965 und 1975 angekauft wurden.
Viele der Plastiken, Reliefs und Bilder sind von internationaler Qualität.
Unter den Kunstwerken befinden sich Arbeiten von Gottfried Honegger, Walter Bodmer, François Morellet, Michel Engel, Ruprecht Geiger, Jan Schoonhoven, Heinz Mack, Günther Uecker u. a. (azw)