Die Dinge selbst sprechen lassen

George Steinmann im Helmhaus in Zürich. Bis 01.04.2007

Die Essenz im Schaffen des Berner Konzeptkünstlers George Steinmann (geb. 1950) ist, dass er die Dinge selbst sprechen lässt; seien es Wasserquellen, Wälder oder vom Menschen geschaffene Orte.

International bekannt wurde George Steinmann Mitte der 1990er-Jahre als er eine Einladung, in der Kunsthalle Tallin (Estland) auszustellen, dahingehend umsetzte, dass er den wertvollen, in der kommunistischen Ära heruntergekommenen Bau mit grossem logistischem Aufwand renovieren liess und die Erneuerung als „nachhaltige Skulptur“ bezeichnete. Zuvor hatte sich der Berner in seinem Schaffen vor allem mit der Natur beschäftigt, ihre Substanzen und Wirkkräfte erforscht und hinterfragt und in eine ästhetische Form gebracht, die deren Konstitutive sichtbar machte; mit Pflanzensäften, extrahierten Quellsubstanzen und anderem als Mal-Mittel für Geometrien  und (musikalische) Rhythmen, aber auch mit einem Hang zum Dokumentarisch-Naturwissenschaftlichen.

Die von Andreas Fiedler kuratierte Ausstellung im Helmhaus in Zürich bringt die verschiedenen Richtungen im komplexen Denk-Werk Steinmanns erstmals zusammen und zeigt damit überraschend deutlich auf, dass die eine auch die andere ist. Ob Steinmann über 20 Jahre hinweg (Ur)-Wälder oder in der russischen Arktis von industrieller und militärischer Ausbeutung geschundene Landschaften fotografiert, immer versucht er durch ausdauerndes und grenzüberschreitendes Nachdenken zum Sprachrohr der Dinge zu werden, mit denen er sich befasst; quasi Interpret von deren innerer und äusserer „Musik“ zu werden. (Steinmann tritt auch als Blues-Musiker auf).

Konkret kann das heissen, dass er, überwältigt von den Umweltzerstörungen in Sibirien eine Firma ausfindig macht, die Giftmüll durch Erhitzen auf 25 000 Grad in stabiles Plasma verwandelt. 12 Fässer mit solchem Plasma sind im Helmhaus den bewusst kleinformatig präsentierten Fotos der gespenstischen Ruinen gegenübergestellt. Hier, wie in vielen Arbeiten, wird auf Verluste hingewiesen, seien sie materieller oder geistiger Art, und gleichzeitig Kräfte integriert, die Prozesse möglicher Erneuerung implizieren. Wenn er dem Entwicklerbad der meisten der durchwegs mittelformatigen Fotos von skandinavischen, kanadischen schweizerischen… Walddickichten Heidelbeersaft beimischt, so nicht, um sie violett glänzen zu lassen, sondern um die die Sehkraft steigernde Wirkkraft des Farbstoffes Myrtilin in die Rezeption zu injizieren. Es gehe nicht darum Wissen zu vermitteln, sagt Steinmann im Katalog-Interview, sondern Wissen zu produzieren.

Vielleicht hat die dreiteilige Videoprojektion „Metalog“ eine Randposition, doch die für das Max-Planck-Institut in Dresden konzipierte Arbeit zeigt exemplarisch, was sich in Steinmanns Arbeit verbindet: die Naturwissenschaft, die Beschaffenheit architektonischer oder geographischer Orte und die, vielfach unsichtbaren – auch feinstofflichen – Prozesse, die darin und dazwischen ablaufen.

Ein so vielschichtiges Werk visuell sicht- und sinnlich fühlbar zu machen, sei für ihn eine Herausforderung gewesen, sagt Andreas Fiedler. Seine Methode ist zum einen Präzision und raumfüllende Ausführlichkeit, was Sinn macht, vor allem aber eine von anbiedernden Elementen losgelöste, weitgehend nackt in den White Cube gestellte Präsentation – mit Ausnahme leicht heidelbeerfarbiger Wände und dem letzten Raum, wo die Ingredienzen, die Quellsubstanzen, die Wasser (zum Teil in homöopathischer Potenzierung), die Flechten, die Pigmente einem Natur- (und Denk)-Labor gleich ihre Fülle manifestieren.