Franticek Klossner Victorine Müller Kunstmuseum Solothurn
Der Körper als Instrument des Ausdrucks
www.annelisezwez.ch Mittelland Zeitung, 21. Juni 2008
Victorine Müller und Franticek Klossner zeigen im Kunstmuseum Solothurn Körpersprache. Das Gemeinsame zeigt sich indes verschieden.
Annelise Zwez
In den 1990er-Jahre war Victorine Müller (geb. 1961) Schülerin von Franticek Klossner (geb. 1960) an der F + F Schule für Kunst und Medien in Zürich. Bald wurde der Austausch indes ein gegenseitiger und führte jetzt zu einer Doppelausstellung im Kunstmuseum Solothurn. Das Gemeinsame in ihrem Schaffen ist der Körper als Instrument des Ausdrucks. Beide kommen von der Performance her, von der Arbeit am und mit dem Körper. Doch weder sie noch er treten jetzt als Performende auf. Sie zeigen vielmehr eine Videoinstallation, Raum-Skulpturen, Scherenschnitte, malerische Zeichnungen und Cut out-Fotografien. Das Körperliche ist dennoch omnipräsent.
Schnell wird sichtbar, dass Körper-Gefühle sowohl ihn wie sie leiten, dass das Kunst-Wollen aber letztlich ein sehr verschiedenes ist. Franticek Klossner ist der Extravertierte, der mit dem Gesellschafts-Körper arbeitet, diesen beobachtet und mit einer Art körpervertrautem Humor interpretiert. Im Zentrum seiner Ausstellung steht die raumgreifende Videoinstallation Brot, welche in abendmahlähnlicher Anordnung 12 nackte Frauen beziehungsweise Männer zeigt. In Blick-Kontakt von Wand zu Wand bringen die Frauen Weingläser zum Klingen während die Männer trockenes Brot kauen. In der Saalmitte tönen derweil aus realen Brotlaiben auf langgestreckten Tischen (vergebliche?) Worte von Martin Luther King bis Micheline Calmy-Rey.
Höhepunkt der Inszenierung von Victorine Müller hingegen ist die faszinierende PVC-Skulptur Calamar, die sich als riesiger luftgefüllter Fühl-Körper zwischen Mensch und Tier im Raum ausbreitet und zugleich als Schatten auf Wand und Decke erscheint. Die Aussenwelt hat hier keinen Zugang, es ist eine Traumwelt, die sich zeigt; nackt und fragil, abhängig von der im Raum hörbaren Luftpumpe. Stille ist angesagt und gleichzeitig quält die Angst zu erwachen. Nicht zufällig lässt Victorine Müller im ersten Saal die Konturen eines mit Transparentfarbe auf Glas gemalten Falken erscheinen. Ob er Wächter oder Räuber ist, die Künstlerin sagt es nicht.
Victorine Müller: Balllon stratosphérique oder Jeanie in Calamar, PVC-Skulptur-Installation, 2008
So prallen in der Ausstellung Aussen- und Innenwelt im Spiegel körperlicher Äusserungen aufeinander. Was die Spannung ausmacht, ist paradoxerweise die Gleichzeitigkeit der Gegensätze, die starke und sinnliche Präsenz von Körperlichem in scheinbar unzuvereinbarer Art und Weise.
Victorine Müller geht dabei bis an die Grenze. Ihre farbigen Zeichnungen, die Mensch und Tier in einem Zustand offener Metamorphose zeigen, streifen zuweilen den Begriff des Kitschigen, den man aber sogleich mit Nachdruck von sich weist, um die Intimität des Körperlichen, Erotischen und Verletzlichen nicht zu zerstören.
Dieses Ungeschützte, Bedrohte, manchmal auch Elektrisierende, findet bei Klossner eine Art Auflösung im Humorvollen. In überraschendster Weise in einem weissen Scherenschnittband. Ich habe als Teenager mehrere Scherenschnitt-Preise erhalten, gesteht der Künstler. Es ist inhaltlich keine lineare Geschichte, die erzählt wird, aber formal ist sie ein Figurentanz, der aufzeigt, wie Klossner Wahrnehmung in Körperlichkeit und Bewegung übersetzt. Bereits früher haben die Kulturszene persiflierende Zeichnungen dies aufgezeigt und auch jetzt bilden solche den Hintergrund.
Interessant ist wie in beiden Werken das Performative auch ohne Performance im engeren Sinn präsent geblieben ist. Bei der in Grenchen aufgewachsenen Victorine Müller ist es primär die Abhängigkeit ihrer Körper-Skulpturen von stetiger Luftzufuhr, welche die zeitliche Flüchtigkeit, darin aber auch die Ungreifbarkeit von mental Erfühltem betont. Beim Berner Franticek Klossner hingegen sind es die Schauspieler, welche das Performative betonen. Das Theatralische ist aber selbst in den breiten Raum einnehmenden Cut out-Fotografien, das heisst den randvoll mit ausgeschnittenen Figuren einer oder mehrerer Personen gefüllten Köpfen respektive aus Zeitungsartikeln aus aller Welt geformten Gestalten spürbar.
Info: Bis 17. August. Sonntag, 29. Juni, 17.15 Uhr Performance-Abend. Begleitkataloge zu beiden Künstlern. Link: www.kunstmuseum-so.ch