Jetzt Kunst Freilichtausstellung Schüpfen

Wer möchte da schon ins Gras beissen?

www.annelisezwez.ch   Bieler Tagblatt 5. Juli 2008

Zum zweiten Mal profiliert sich „gad-Stiftung“ für Sozialprojekte als Veranstalterin von Jetzt Kunst.  42 Kunstschaffende zeigen in Schüpfen Skulpturen und Installationen unter freiem Himmel.

Annelise Zwez

Assens, Bex, Gürbetal, Schüpfen, Wabern… Freilichtausstellungen gehören auch heuer zum  Kultursommer. Jetzt Kunst in Schüpfen versammelt Skulpturen und Installationen von 42 Künstlern und Künstlerinnen aus der ganzen Schweiz;  bekanntere und unbekannte. Zeigen andere Ausstellungen ausschliesslich orts- und/oder themenspezifische Installationen, sind es in Schüpfen sowohl klassische Skulpturen im räumlichen Dialog mit Dorf und Natur wie auch für Jetzt Kunst speziell Konzipiertes. Der Rundgang ist damit eine Art Kombination aus Erinnerungen an frühe Bieler Plastikausstellungen und der vor bald 30 Jahren entstandenen       Kuspi 08 „Weltlauf mit der Zeit“
Idee ortsbezogener Kunstwerke. Die Mischung erweist sich dabei als durchaus stimmig.

Für Ersteres steht  neben Arbeiten von Andrea Malär, Etienne Krähenbühl, Ueli Gantner zum Beispiel die an eine Kurbelwelle erinnernde Stele des Solothurners Norbert Eggenschwiler aus Gusseisen, einem Material, das wegen seines Gewichtes kaum je skulptural eingesetzt wurde. Die  fünf Meter hohe Schüpfener Stele am „Punkt 531“ wiegt mit Fundament stolze 6.5 Tonnen.

Für Ortsspezifisches stehen in Schüpfen unter anderem die Arbeiten von Maboart, susanne muller, Pat Noser oder auch Art S.O.A.P. Ein Highlight ist dabei der Seismograph von susanne muller, der Jean Tinguelys Zeichenmaschine aus den 1950er-Jahren ins Zeitalter alternativer Energien übersetzt. Mit Wasserkraft aus dem kleinen Ortsbach wird eine Art Fischerrute in Bewegung versetzt, so dass der integrierte Tintenstift je nach Fliessgeschwindigkeit sanfte oder aufgeregte Zeichnungen fabriziert.

Jetzt Kunst 2008 hat kein definiertes Thema. Dennoch setzen einige Themen-Arbeiten Höhepunkte, zum Beispiel die auf einer Wiese auf freiem Feld platzierten hölzernen Bettstatten der Bernerin Anna Schmid, in deren Gevierte just zur Vernissage von morgen Sonntag Sonnenblumen erblüht sind und damit die anvisierten Assoziationen zu schlafen, lieben, sterben zum berührenden Strauss bündeln. Erst in ein paar Wochen hingegen wird Liz Gehrers Arbeit ihre Inhaltlichkeit so richtig zeigen. Die St.Galler Künstlerin hat eine perforierte Plane mit dem Gesicht eines Models auf ein Stück Rasen platziert, so dass das Gras hindurch wachsen kann und dem sarkastischen Titel „Ins Gras beissen“ mehr und mehr Inhalt geben wird.

Doppelbödig ist die aufwändige Installation zum Thema Manipulation der Kallnacherin Monika Loeffel. Von Aussen sieht der hellblaue Netz-Kubus wie ein Versuchsfeld für genmanipulierte Pflanzen aus. Im Innern stecken jedoch 100 x 100 geklonte (Dreikönigskuchen)-„Könige“ auf dünnem Metall. Ein König sei Macht, zwei Könige Krieg, viele Könige (manipulierte) Masse schreibt die Künstlerin. Die immanente Gesellschaftskritik mag dazu geführt haben, dass Loeffels Royal – 4 – KF noch vor der Eröffnung von Vandalismus betroffen wurde (siehe nebenstehenden Text).

Jetzt Kunst kann landschaftlich nicht direkt mit den grossen Freilichtausstellungen in Bex oder Môtiers konkurrieren. Zu Gute halten kann sich Schüpfen jedoch, dass  der dorf- und bahnhofnahe Standort leicht erreichbar und – wie die Veranstalter betonen – auch rollstuhlgängig ist. Jetzt Kunst kann sich auch bezüglich illustrer Namen nicht mit den Grossen messen. (Noch) zu wenig Klang hat der Name in der Szene als dass „man“ mit dabei sein müsste, um so mehr als das Budget äusserst bescheiden ist, nicht einmal für die Materialkosten der Künstler aufkommen kann. Hingegen sei es „herrlich“, so hört man von da und dort, dass dank des Arbeitseinsatzes der Männer der „gad“-Stiftung Hilfeleistung zur Verfügung stehe, wie sonst kaum irgendwo. Das verspricht als nicht unwesentlichen Faktor einen guten Unterhalt der Ausstellung bis im Herbst.

Ein Teilnehmerfeld mit vielen unbekannten Kunstschaffenden heisst nicht zwingend weniger Qualität. In Schüpfen findet man Originelles –  unter anderem auch von von Maboart, Adrian Fahrländer, Monsignore Dies, Kuspi 08, Pat Noser und Le kou Meyr. Daneben gibt es aber auch (zu) vieles, das derart déja-vu ist als dass es auch nur einen Hauch von „neu“ zu langer Geschichte der Schweizer Freilichtausstellungen beitragen könnte – zum Beispiel Himmels-Spiegelungen oder einen Wasserlauf rhythmisierende Stangen, Luftzeichnungen aus geschälten Ästen, markierte oder blockierte Wege usw.
                                                                            Bernhard Gerber „In Formation“ 146+1

Wieder anderen gelang es nicht, ihre Visionen ins Bildhafte zu übersetzen. Auch der Versuch das Medium Video einzubinden, ist nicht zwingend genug. Wie zu vernehmen ist, soll Jetzt Kunst aber in Zukunft Biennale sein, somit ist schon 2010 eine weitere Chance zur Profilierung gegeben.

Info: Jetzt Kunst wird von der „gad-Stiftung“ für Sozialprojekte veranstaltet.
Die Ausstellung dauert bis 21. September
Der Rundgang ist ausgeschildert
Informationszentrum und Katalog-Verkaufsstelle ist der „avec“-Laden beim Bahnhof (täglich geöffnet).           

Wird Vandalismus zum Thema?

azw. Die erfolgreriche erste Ausgabe von Jetzt Kunst im Jahr 2005, welche um die 20 000 Besucher nach Schüpfen lockte, konnte sich rühmen, von keinerlei Vandalen heimgesucht worden zu sein. Das „provinzielle Glück“ wurde anderem auf die Enge Verbindung von Dorf und Ausstellungsparcours zurückgeführt. Jetzt aber musste schon vor der Vernissage die Polizei wegen drei Vandalenakten avisiert werden. Die Installation „In Formation“ mit 146 Zivilschutz- und einem Militärhelm von Bernhard Gerber und die Fäden bei  Kari Jollers „Antennen“ konnten jedoch dank „gad“-Manpower bereits wieder instand gestellt werden. Wüst sieht es aber nach wie vor im „Herzen“ von Monika Loeffels „Royal – 4 – KF“ aus; erstaunlicherweise wurde 27 Felder im Zentrum umgelegt, nicht den Rändern entlang.  Ein gezielter Akt?
Die Veranstalter sind sich bewusst, dass die besten Hüter der Ausstellung die Bewohner von Schüpfen selbst sind. Diese seien, so „gad“-Präsident Rolf Zumstein, der Ausstellung gegenüber sehr wohlwollend eingestellt; darum habe man jetzt auch einen Flyer in alle Haushaltungen verteilt, mit der Bitte um Wachsamkeit. Denn leider sei Vandalismus inzwischen auch in Schüpfen zum Thema geworden, nicht nur im Zusammenhang mit Kunst.