Knuchel Christine Begleittext Dossier

Als wärs ein Wunder

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Annelise Zwez: Nach einem Gespräch mit Christine Knuchel

„Wenn ich zwischen Amseln im Garten und einem tollen Auto vor dem Haus wählen müsste,  würde ich ohne zögern den Vögeln den Vorzug geben“, sagt  Christine Knuchel. Ihre Beziehung zur Natur ist eine Liebesgeschichte.  Der Liebe gleich ein nie versiegendes, letztlich unstillbares Verlangen.

Darum malt sie Natur. Mit ungeteiltem Blick mitten ins Herz. „Oft brauche ich nicht weit zu gehen, um plötzlich im Garten, im Feld, im Wald etwas zu entdecken, das mir den Atem verschlägt:  Licht, das durch feine Gräser dringt, Blumen, die ihre Farben verschenken, Überbordendes, das sich gegenseitig hält – ich kann es nicht benennen, aber es trifft mich als wär’s ein Wunder.“
Am liebsten würde sie den Moment vor Ort malen. Aber der Moment ist nicht von Dauer.  Darum fotografiert sie ihn. Und beginnt dann im Atelier damit, das Gefühl, das sie packte mit den Mitteln der Malerei wieder auferstehen zu lassen. So genau wie möglich.

Die Zeit, die Christine Knuchel dafür benötigt, ist mindestens so lang wie ein Keim braucht, um Pflanze zu werden; vielfach Monate. Sie  projiziert ihre Fotografien nicht auf den Bildträger – sie hat sie neben sich beim Malen. „Nur so kann ich mir bewusst werden,  was die Pflanze lenkt, wie Licht und Schatten in diesem „Theater“ wirken, wie sich Gegenläufiges stützt, was es bedeutet, wenn eine Knospe auf geht. Ich will die Natur begreifen – nicht wissenschaftlich, sondern als Künstlerin.“ Oft wählt sie dafür  Grossformate und Nahblicke. Die Grösse, die sie im Kleinen erlebt, soll in der von ihr geschaffenen Bildlichkeit in den Raum ausstrahlen.

Internationale Ausstellungen der letzten Jahre in Schaffhausen und Basel  hiessen „Fleurs“, „Blumenmythos“, „Blütensaft“. Christine Knuchels Werk gehört in einen Kontext, der vom  Barock bis zur Gegenwart reicht und tausend Facetten aufweist. Knuchels Position ist dabei weder postmodern, noch spielt sie Natürlichkeit gegen Künstlichkeit aus und liebäugelt auch nicht mit der  Pop Art. 
Fruchtbarer ist es, das Werk aus den 1970er-Jahren heraus zu begreifen, als individuelles Suchen nach Weltverständnis wichtige Triebfeder von Kunst war.  Dass ihr Schaffen damit in Widerspruch zum urbanen Mainstream des frühen 21. Jahrhunderts steht, ihr Festhalten am Leben in ländlicher Umgebung und der enorme Zeitaufwand pro Bild anachronistisch sind, gehört indes bewusst zu Christine Knuchels Lebens- und Kunstkonzept.                       

 Annelise Zwez, August 2008