Marie-Françoise Robert Begleittext Ausstellung 2008

Auf der Suche nach dem Klang

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Annelise Zwez zu den in Papier geschichteten Erinnerungen von Marie-Françoise Robert

Im Hinblick auf den Atelier-Transfer von der Beatusstrasse an die Postgasse sah Marie-Françoise Robert die in Schachteln und Mappen aufbewahrten Collagen der letzten 20 Jahre durch.  Und schaubte das eine und andere aus. Das gehört sich so für eine selbstkritische Künstlerin. Aber vor dem endgültigen „out“ schaute sie das bei Seite Gelegte nochmals  an.

Und reagierte so wie sie das immer tut, wenn sie Bilder vor sich hat. Sie sah Details, spürte Kombinationen und griff zur Schere. Versunken in intensive Stunden eigener, zurückliegender Arbeit begannen sich  die alten Collagen auf einmal in  „Musik“ zu wandeln; mal mit, mal ohne Worte, mal laut, mal leise, mal farbig, mal verhalten, mal sanft, mal voller Kraft. 

Daraus wuchs eine  Idee, die sich  rückblickend als mehr denn nur eine neue formale Lösung für die Umsetzung ihrer künstlerischen Suche erweist. Marie-Françoise Robert rundete das Neue im Alten und machte eine Vielzahl von „Schallplatten“ daraus, die sie bewusst „Records“ nennt, also ebenso Erinnerungs- wie Tonträger. Eingedenk alter Plattenspieler, bei denen man mehrere Scheiben gleichzeitig auflegen konnte, formte sie die Rondellen zum „Konzert“. Formal auch heutige CD-Stapel und wohl auch die Platten-Sammlung ihres als DJ tätigen Sohnes aufnehmend, entstanden so zahlreiche Bild-Klang-Werke, die installativ oder geschichtet präsentiert werden können.

Die Arbeiten sind wichtig, weil sie einen anderen Zugang zum Gesamtwerk der Künstlerin eröffnen. Schon immer war klar, Marie-Françoise Roberts Collagen sind keine Kombinationen erzählerischer Formen. Sondern Assemblagen von Farbklängen, Texturen und Ornamenten, die mit unserer Zuordnung der Fragmente zu Organischem, Kristallinem, aber auch Gegen-ständlichem rechnen. Durch die intuitiven – malerischen, emotionalen, poetischen – Setzungen löst die Künstlerin die Rückbindungen  indes immer wieder auf und überführt sie  – ähnlich einem Komponisten – in eine abstrakte Dimension,  in eine Art visuelle Musik. Dass darin Vernetzungen mit Zeitschichtungen im Werk von Paul Klee anklingen, ist angesichts der Vertrautheit der Künstlerin mit Klee fast schon naturgegeben.

Es fällt auf, dass Marie-Françoise Robert das mediale Spektrum ihres Werkes in letzter Zeit stark ausgeweitet hat. Schichten heben sich voneinander ab, betonen Formen und Räume, vereinzeln sich oder treten in Dialog mit eigenen Fotografien und Elementen von Malerei. Das Moment der Collage, der Zwiesprache von Verschiedenem, das sich zu Einheit formen will, ist davon freilich nicht tangiert,  der Zusammenklang von Kombinationen bleibt der rote Faden im Werk.  Das zeigt nicht zuletzt die erstaunliche Gruppe von schwarz-weissen Bildern, welche das Moment der Schallplatte aufgreifen, nun aber bewusst malerisch und im Zentrum subtile, ferne, reiche Landschaften umschliessend.              
September 2008