Strotter Inst. im Espace libre Centre Pasquart Biel 2010

Stallatmosphäre im Aufbahrungsraum


www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 4. Oktober 2010

Strotter Inst. ist ein „Bauer im Anzug“ und „Katafalk“ der Titel seiner Installation im „Aufbahrungsraum“. Einfacher ausgedrückt ist das Christoph Hess bei Monsignore Dies im espace libre.

Es ist eine liebevolle Ironie, mit der Strotter Inst. den ungeschönten Kunstraum hinter dem Museum Pasquart zum Katafalk, zum offenen Sarg für die Landwirtschaft und die gute alte Zeit der Schallplatten macht. Die Diamant-Nadeln der Lenco-Plattenspieler drehen nicht mehr auf den Schellack-Scheiben. Die Tonzellen in den Dreharmen werden vom Wackeln ihrer Untersätze aktiviert und übertragen die Frequenzen auf Drähte, die den Abgesang intonieren. Die in die Scheiben eingefräste Ländlermusik ist stumm. Auf den Rillen drehen kleine Freiburger-Kühe aus Kunststoff. Die Stromkabel halten keine Kuh-Schwänze, doch zusammen mit dem Torf am Boden, dem unter Spannung stehenden Zaun und den Stalllampen an der Wand unterstreichen sie das Ambiente.

Je aufmerksamer man sich mit der Installation des 1968 geborenen Solothurner Künstlers Christoph Hess alias Strotter Inst. befasst, desto mehr erzählt sie, desto persönlicher wird sie. So gründet die erstaunliche Thematik zum Beispiel darauf, dass der Experimental-Musiker selbst bäuerlicher Herkunft ist und die Schallplatten zum Teil aus dem Fundus der Familie stammen, wo Volksmusik bis heute hoch gehalten wird. Die Anachronie ist gewissermassen Programm; auch das Label „Bauer im Anzug“ ist Teil davon. Bei seinen performativen Live-Auftritten – wie zum Beispiel jenem mit Monsignore Dies an der Vernissage von „Felicita“ – trete er immer im Anzug auf und da sehe man, dass  ihm der überhaupt nicht stehe, meint Hess. Vollends erstaunlich wird die Geschichte, wenn man hört, dass Hess eigentlich ETH-Architekt ist und als solcher neuerdings beim Bieler Büro „0815“ arbeitet.

In dem vom Kanton als Dienstleistung geführten Online-Verzeichnis der Solothurner Künstler ist Christoph Hess als „bildender Künstler“ aufgeführt. Begonnen habe er in den 1980er-Jahren mit Farb-Experimenten, sagt er, dann habe die Performance im Vordergrund gestanden, immer öfter in der Manier eines DJ’s mit Geräuschen und Klangebenen, aber immer auch durchsetzt mit visuellen Elementen. So passt Strotter Inst. geradezu ideal ins Konzept des noch bis Frühjahr 2011 von Monsignore Dies kuratierten Visarte-Raumes, denn auch Dies ist ebenso Audio- wie Visual Artist mit unorthodoxen Ideen.

Es fällt nicht nur hier auf, dass die zwei Ausdrucksformen immer häufiger zusammenfinden; in der Rezeption haben sie indes immer noch Mühe, sowohl von der einen wie der anderen Seite ganz ernst genommen zu werden. Der erste, der das Geräusch nicht nur als Tonspur, sondern ins Kunstwerk selbst integrierte, war vermutlich Jean Tinguely, dessen „Maschinen“ sich nicht nur bewegen, sondern immer auch scheppern. Auch bei Strotter Inst. ist das Besondere, dass die visuelle Ebene – jene der Kühe drehenden Plattenspieler auf den nicht im Gleichgewicht stehenden Unterlagen – autonom erscheint, gleichzeitig aber ganz klar dazu dient, die klingenden, knarrenden, leisen Töne und Rhythmen zu erzeugen. Das heisst das eine funktioniert nicht ohne das andere.

Strotter Inst. ist dabei liebend gern ein Tüftler. So muss man ganz schön hinschauen, um zu begreifen, was da und dort abläuft. Zum Beispiel dass es beim Auftakt-Lenco das von der Decke hängende und über Bela Bartoks stummen Kinderliedern kreisende Magnetpendel ist, das bei jedem Umlauf einen losen Draht anzieht, der dadurch ins Schlingern gerät und dies hörbar kund tut. Das Pendel verweist überdies auf die Zeit, die unbeirrt ihre Kreise dreht und sich letztlich auch nicht um Nostalgie in Sachen Milchwirtschaft kümmert und die Installation zum Katafalk macht.

Info: Finissage 21. Nov. 17 Uhr mit multimedialer „Glückseeligkeit“-Performance und Wurstessen am laufenden Band. Ferner einem Requiem von Gaudenz Badrutt.

 

 

Bildlegende:

Drehen und drehen und drehen sich: Die Kunststoff-Kühe auf Strotter Inst.’s Plattenteller. Bild: azw