www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 12. Juli 2011inFOLIO Research Group

 

Die €žNeue Masche€œ im Museum Bellerive in Zürich geht dem Stricken und Sticken in Kunst und Design nach. Zu sehen ist auch eine Arbeit aus der Sammlung des Centre Pasquart in Biel.

 

Lange war stricken und sticken verpönt. Doch dann kam eine neue Generation und schnitt die Alten Zöpfe ab. Wie sich Phönix aus der Asche erhob, zeigt die Ausstellung €“Neue Masche“€œ in Museum Bellerive in Zürich und mixt dabei Kunst, Mode und Design in buntem €žsowohl als auch€œ. Da wird vermeintlich Funktionelles, wie ein Kleid, zur Skulptur oder, umgekehrt, mit dicken Kabeln Gestricktes zur Lounge mit Sofa und Fauteuil.

Der rote Faden, der sich von Werk zu Werk schwingt, ist einerseits real inszeniert, andererseits auch in den Arbeiten selbst zu finden. Es ist eine ganz besondere, eine emotionale Beziehung zum verwendeten Material und/oder zur angewandten Technik. Wobei die Spannweite von konzeptuellen Überlegungen, etwa den punktuell bestickten und da gleichsam materialisierten Fotografien von Marion Strunk,  bis zur Stricksucht im köstlichen Animationsfilm der Finnin Laura Neuvonen geht.

 

Eva Ahfus, die kürzlich tödlich verunglückte Leiterin des Museums, schrieb denn auch im Konzept, dass gerade dieses Subjektive das Neue sei im Umgang mit den einstmals als Kunsthandwerk minder geschätzten Methoden. Punktuelle Vergleiche zeigen es auf: Etwa die Gegenüberstellung des €ž“Tanz“ –  ein von Kirchner entworfenes und von Lise Gujer 1923 als Gobelin gesticktes Kissen – und der Knospe€œ, einem Gobelin-Bild des Berner Künstlers Reto Leibundgut, der die Tradition mit  Lust, Ironie und einer Portion Manie unterwandert.  Ja, das Manische klingt da und dort an, sei es in der  riesigen €ž“Knitting Wall“€œ von Isabel Berglund, in die man sich als Besuchende €žeinfädeln kann, sei es der immense, maschinengestrickte „€žReichstag Berlin“€œ, den Annette Streyl als schlaffes Ungetüm über einem Bügel hängend präsentiert.

 

Erstaunlicherweise gibt es in dieser internationalen Ausstellung auch Bezüge zur Region Biel/Seeland. Einerseits spiegelt sich die  aktuell leider unterbrochene Serie zeitgenössischer Ausstellungen mit textilen Materialien im Aarbergerhus in Ligerz. Sowohl die daselbst gezeigten, Stick-„€žMalereien“€ von Ficht Tanner  wie die gestrickten Figurenszenen Jürg Benningers sind Teil der „€žNeuen Masche“€œ. Noch evidenter ist der Bezug durch die Videoinstallation „€žHeimlich“€œ von Pascale Wiedemann aus der Sammlung des Pasquart (siehe Bild). Der 1997 im Rahmen von „€žNonchalance“€œ angekaufte vielfarbige Ringel-Schwanz mit  integriertem Video als intimem Blick ins Innere,  fristete in den letzten Jahren eine Art Dornröschen-Schlaf und animiert nun in Zürich zu neuer Betrachtung im Kontext einer weitgreifenden Tendenz. Wiedemann ist mir ihrem Partner Mettler auch mit der köstlichen „€žBallung“€œ, einer Ansammlung von Woll-Pompons mit Hundeleinen, sowie €“Orkantaumel“€œ in der „€žNeuen Masche“€œ vertreten.

 

Die Ausstellung setzt breit an. Nachhaltig eingeschrieben haben sich zum Beispiel auch die Modekollektion von Hussein Chalayan, die Stickereien türkischer Nationalzeichen und politischer Propaganda zeigt oder die bestickten Vogue-Seiten von Hiraku Miyakawa, in denen die Stiche ihre übertragene Bedeutung mit beinhalten.

Wie Co-Kuratorin Tanja Trampe dem BT schreibt, ist das Echo auf die Ausstellung höchst erfreulich und mit bisher 8000 Besuchern rekordverdächtig. Einzig für den –Lusthäkelgarten“€œ im Aussenraum, für welchen an der Kasse ein „€žKnitting kit“ bezogen werden kann, um an der Installation weiter zu arbeiten, wünscht sie sich noch ein paar mehr aktiv eingreifende Besucherinnen (und Besucher?).

 

Museum Bellerive, Höschgasse 3, 8008 Zürich. Bis 24. Juli 2011.  Di-So 10-17, Do 10-20 Uhr. An der Finissage laden Regula Michell und Meret Wandeler zur interaktiven Häkelaktion (10-17 Uhr).

 

Bildlegende:

 

In der „€žNeuen Masche– ist unter anderem die Videoinstallation €“Heimlich“von Pascale Wiedemann aus dem Besitz der Stiftung Sammlung Pasquart zu sehen. Bild: azw