Lexikon-Text Lilly Keller, wohnhaft in Cudrefin und Thusis.
Geboren 19. Februar 1929, Bürgerin von Burgdorf und Winterthur.
Objekte, Malerei, Collage, Glasplastik,Tapisserie.
Lilly Keller verbringt ihre Jugend in gutbürgerlichem Milieu in Muri bei Bern; oft ist sie bei ihrer Grossmutter in Thusis (GR). Ab 1949 besucht sie die Kunstgewerbeschule Zürich. Sie findet Zugang zur oppositionellen Kulturszene, lebt mit Muz Zeier, später mit Friedrich Kuhn zusammen. 1952 bricht sie ihre Ausbildung ab und wird freie Künstlerin. Sie malt, collagiert, näht, webt erste Tapisserien.
1953,55, 56 werden Keller Eidgenössische Stipendien für angewandte Kunst zugesprochen. 1953/54 kehrt sie nach Bern zurück, wo sie 1955 Sam Francis kennen lernt, der ihr Türen öffnet. Sie stellt in Zürich, London, Tokio, Bern und Basel aus. Zeitgleich bewegt sie sich im Umfeld von Daniel Spörri, Meret Oppenheim, Peter von Wattenwyl u.a.
1961 wird ihr das Louise Aeschlimann Stipendium zuerkannt. 1962 heiratet sie Toni Grieb und baut mit ihm eine alte Mühle in Montet-Cudrefin (VD) zum Atelier-Haus mit Gartenanlage um. Sie hält Pfauen und Hühner, pflanzt botanisch Seltenes.1962 ist sie an der „Biennale de la Tapisserie“ in Lausanne vertreten und führt in der Folge zahlreiche Wandteppiche für öffentliche Bauten aus.
Ab 1980 wird ihr Schaffen vermehrt plastisch.1984 webt sie ihre letzte Tapisserie und schafft mit Roberto Niederer erste Glasskulpturen (z.T. in Kombination mit Stahl). Sie beteiligt sich an situativen Freilichtausstellungen und stellt in der Treppenhalle des Kunstmuseums Bern aus (1987). Die Assistenz von Michel Hänggi ermöglicht ihr (bis heute) monumentale Objekte und Reliefs mit Polyurethan und der Natur respektive dem Alltag entnommenen Materialien.
Ab 2000 verbringt Keller vermehrt Zeit in Thusis; die Berge werden zum Thema. 2007 verwandelt sie das Museum Bickel in Walenstadt zur raumgreifenden Inszenierung ihrer Grossformate. 2010 erscheint die erste Monografie, Peter Batanta dreht einen Dokumentarfilm, das Kunsthaus Grenchen zeigt Werke aus 6 Jahrzehnten (2011). 2014 sendet das Schweizer Fernsehen das Film-Porträt „Il faut cultiver son jardin“ und 2015 erscheint das „Literarische Porträt“ von Fredi Lerch.
Um ihre „wilde“ Malerei zu zähmen, habe sie 1953 mit geometrienahen Kompositionen in textilen Materialien und Techniken zu arbeiten begonnen, sagt Lilly Keller. Ihr Webstuhl ist waagrecht angelegt, d.h. das Gewobene verschwindet sogleich in der Rolle. Ohne „Karton“ arbeitend, verlangt dies Präzision und ständig neue Entscheide; etwas das Kellers Schaffen in allen Sparten ein Leben lang charakterisiert.
Parallel zu den Tapisserien malt Lilly Keller in abstrakt-surrealistischem Stil. Von Anfang an begleitet sie die Collage, die ihr Raum für assoziative Kombinationen bietet, sei es in tagebuchartigen Künstlerbüchern, in Objektkästen oder Arbeiten auf Papier. Als zentrale und lebenslang unerschöpfliche Inspirationsquelle erweist sich die Form- und Lebensfülle ihres Gartens. Kaum ein Objekt ohne Artefakte aus der Natur; sichtbar, bemalt oder versteckt. So ist es für Keller z.B. zwingend, dass in den Blatt-Skulpturen (ab 1996) stets das Originalblatt enthalten ist, auch wenn es sich im Innern längst aufgelöst hat.
Kontrapunkt dazu ist seit jeher die nonkonformistische und konsumkritische Haltung der Künstlerin. Wenn sie Hunderte von Konservendosen-Deckeln als Kreisscheiben in Polyurethan steckt und bemalt, so ist diese darin enthalten, auch wenn die Künstlerin die Bildskulptur als Ausdruck kreativer Verwandlung versteht. Dasselbe gilt für die Tondi mit Kaffeerahmdeckeln (2005), die figürlichen Kompositionen mit Zigarettenpackungen (2013), die LED-„Bambus-Wälder“ (2011), die Netzwerke mit Verpackungsgittern (2014/15), die Polyurethan-Schlangen (2014/15). Die Materialien sind Fundgut und als solches für Keller eine Herausforderung zur Neugestaltung.
Werke befinden sich in den Sammlungen der Schweiz. Eidgenossenschaft, Schweiz. Nationalbank, Stedelick Museum Amsterdam, Kunstmuseum Bern, Kanton Bern, Stadt Thun Kunst am Bau: u.a.Gymnasium Langenthal, Freies Gymnasium Bern, Inselspital Bern, Glaserei Hergiswil.
Publikationen: Fredi Lerch in „Lilly Keller ein Literarisches Porträt“ (Vexer-Verlag 2015). – Eva Inversini, Susanne Neubauer in „Lilly Keller“, Kunsthaus Grenchen, 2011. – Annelise Zwez in Kunstbulletin 7/8 2011. – Andreas Bellasi, Ursula Riederer in „Lilly Keller. Das Leben. Das Werk“. Texte: Bellasi/Riederer, Konrad Tobler (Benteli-Verlag 2010). – Annelise Zwez in Kunstbulletin 7/8 2007. –
Gramaccini in Berner Almanach, Bern, 1996.
rhr. in „Der Bund“, Bern 21. Januar 1987
Hans Christoph von Tavel in: Lilly Keller, Kunstmuseum Bern, 1987.
Annelise Zwez in: Schloss, Schlösser, Luftschlösser, Galerie in Lenzburg, 1985.
Magazin Der blaue Berg, Nr.6 (Räume),No.8 (SOS),No.12 (Erotisches), Bern 1979, 1981, 1984.
Johannes Gachnang in:5. Berner Kunstausstellung , Kunsthalle Bern, 1980.
Film:
„Lilly Keller – Die Kunst der Entgrenzung“, Dokumentarfilm von Peter Battanta. DVD 36:30 Minuten, deutsch. Produktion: @balancedmovies.ch,
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