Anna Margrit Annen bei Carla Renggli

«Ich arbeite mit Räumen, mit erinnerten, imaginierten Räumen und solchen, in denen ich mich tatsächlich aufgehalten habe… Nicht Möbel, nicht Wand, sondern der Raum dazwischen, die Leere, das begrenzte Nichts… interessiert mich», schreibt Anna Margrit Annen (*1951 in Baar/ZG) zu ihrer Ausstellung «bewohntes Unbewohnt» bei Carla Renggli in Zug. Die zur Zeit in Paris arbeitende Künstlerin zeigt Zeichnungen, Malerei und Video. Bezogen auf ihr Gesamtschaffen könnten es auch plastische Arbeiten und/oder Raum-Installationen sein.

Die Künstlerin wählt die visuelle Erscheinungsform ihres Schaffens nach konzeptuellen Kriterien; Medium und künstlerische Vision müssen sich in ihrem Empfinden formal und inhaltlich bedingen. Bilder sind Flächen, Videos zeigen Räume, plastische Arbeiten sind bestimmt von den eingesetzten Materialien usw. Im ausgestellten Bildzyklus der «imaginierten Räume» stehen emotionale Vorstellung und die Darstellbarkeit des Raumes in der Fläche in konstituierendem Austausch.

Was die Spannung dabei ausmacht, ist, analog dem Gesamtwerk der Künstlerin, die Suche nach der Wechselwirkung zwischen dem innerkörperlichen Erfühlen, Ertasten, Erleben eines Raumes und den ordnenden, sichtbaren Systemen oder Bahnen, nach welchen dies geschieht. Das Frühwerk der Künstlerin (ab circa 1980) ist bestimmt von organischen Strukturen, die sich zeichnerisch-malerisch manifestieren. Diese werden jedoch schon in den späteren achtziger Jahren mit frei angewendeten, wissenschaftlichen Systemen konfrontiert, zum Beispiel in Form von Gedankengängen. Emotionales und Analytisches, Immaterielles und Materielles durchdringen sich, wobei die «Forschung» stets dem bildhaften Moment gilt, in dem sich die beiden Wahrnehmungsformen begegnen.

Eindrücklich gelingt dies der sich seit 1995 an der audiovisuellen Abteilung der Schule für Gestaltung in Basel weiterbildenden Künstlerin in den in Zug präsentierten, jüngsten Videoarbeiten: «Dünne Hüllen» und «Nicht Möbel, nicht Wand». «Dünne Hüllen» ist ein dem Prinzip der abbildenden Dokumentation folgendes, unbearbeitetes Video. Es zeigt die Künstlerin (anonym, das heisst ohne dass der Kopf sichtbar ist) in ihrem Atelier in Luzern, wie sie in endloser Abfolge dünne rote, grüne, blaue, gelbe Plastiksäcke, auf einem Stuhl sitzend, aufschlitzt, als tuchartige Fläche kurz vor die Kamera hält und dann zusammenlegt. Die Nüchternheit der alltäglich wirkenden Tätigkeit steht bewusst in Kontrast zu den gedanklichen Momenten von Raum und Fläche, Farbe, Transparenz, Sichtbar- respektive Unsichtbarkeit.

«Nicht Möbel, nicht Wand» umfasst drei parallel laufende Bänder, die sowohl bildhaft wie in der räumlichen Anordnung eine Raumsituation zeigen, in der die Künstlerin das Spiel von Licht, Wind und Vorhang nutzt, um das Dunkle in Helligkeit, das Feste in Vibrierendes zu verwandeln. Die auflösende Kraft steigert sich im zweiten und dritten Video, in denen die Künstlerin mit einer transparent-farbigen Folie einen diffus, immateriell wirkenden Horizontal-Streifen ins Bild integriert. Es gelingt Anna Margrit Annen, mit einfachen Mitteln, mit Langsamkeit und Präzision eine Räumlichkeit zu evozieren, auf die in der Wahrnehmung sowohl der forschende Blick wie die Sensorien des Körpers reagieren. Die Qualität der Arbeit liegt aber auch in der Gleichzeitigkeit des Nachdenkens über die Konstitutiven der visuellen, künstlerischen Erscheinung wie der Umsetzung inhaltlicher Zielsetzungen.

 

Bis