Aeschlimann-Corti-Stipendium in der Kunsthalle Bern 1999

Die täglichen Bilder und ihre Spiegel

www.annelisezwez.ch  Bis 03.10.1999

Die Berner Kunstförderung des ist bescheiden. Umso begehrter sind die 50’000 Franken, die das Aeschlimann-Corti-Stipendium jährlich vergibt. Die Ernte 99 ist zur Zeit in der Kunsthalle Bern zu sehen.

Der Kanton Bern tut in Sachen Künstlerförderung beschämend wenig. Wenn man bedenkt wie wichtig Stipendien für die Art und Weise wie junge Kunstschaffende heute arbeiten, sind, so nehmen sich die zwei Stipendien à 20’000 Franken und ein Stipendium à 10’000 Franken, die heuer als einzige gesamtkantonale, freie Kunststipendien vergeben wurden, geradezu lächerlich aus. Als Vergleich: Im Kanton Aargau werden aufgrund des bestehenden Kulturgesetzes jährlich zwischen 15 und 20 Kunstschaffende jeglichen Alters mit Stipendien in einem Totalbetrag von maximal 230’000 Franken ausgezeichnet.

Um das von der Berner Kunstgesellschaft betreute Aeschlimann-Corti-Stipendium bewarben sich heuer 102 Kunstschaffende; das entspricht dem Durchschnitt der letzten Jahre. Reglementskonform sind sie alle unter 40 Jahre alt und wohnen entweder im Kanton Bern oder sind hier heimatberechtigt.

Wie heute fast überall üblich, werden die Preistragenden über ein zweistufiges Verfahren ermittelt, das heisst Dokumentationen entscheiden über den Sprung in die zweite Runde. Diesen schafften heuer neun Künstler und zehn Künstlerinnen sowie zwei Künstlerteams.Um“eine zweite Weihnachtsausstellung zu vermeiden“ wurden für die Ausstellung leider nur deren 12 zugelassen. Was die Transparenz der Stipendienvergabe arg beeinträchtigt.

Mehr noch – es wurde den Kunstschaffenden damit ein Bärendienst erwiesen, denn der musealen Präsentation in der Kunsthalle Bern vermögen nur wenige gerecht zu werden. Was natürlich gleichzeitig auf das sehr durchschnittliche Niveau der für die Ausstellung ausgewählten Werke hinweist.

Mit einem grossen Stipendium wurden Martin Guldimann(1970) und Martin Zimmermann (1965) und mit einem kleinen Barbara Meyer Cesta (1959) ausgezeichnet. Eine Wahl, die aufzeigt, dass sich die Jury ganz offensichtlich von einem Thema faszinieren liess und nicht nur von der Qualität der Arbeiten an sich , denn es fällt auf, dass sich alle drei Preistragenden mit den „täglichen Bildern“ auseinandersetzen. Martin Zimmermann (Riggisberg/St.Gallen) indem er in ironischer Art und Weise über die Banalität von Bildern und ihre Wertsteigerung durch die Vermittlung via Fernsehen nachdenkt. Martin Guldimann (Bern) indem er Menschenbilder aus Datenbanken am PC manipuliert und ihnen damit ihre Individualität entzieht. Barbara Meyer Cesta (Roggwil) indem sie mit forschender Akribie über die Art und Weise nachdenkt, wie sich Bildformen – Häuser, Umrisse von Menschen – in unser Bewusstsein einprägen.

Zimmermann zeigt hiezu eine kleine Videoninstallation, Guldimann eine wandfüllende Bildvervielfachung und Barbara Meyer Cesta eine umfangreiche, zeichnerische Dokumentation von Haustypen, eine in ihren Mitteln reduzierte Videoarbeit sowie Figurenschemen aus Dachpappe und Teer.

Die Wahl überzeugt im Fall von Barbara Meyer Cesta; die Hartnäckigkeit und Präzision ihres Schaffens abseits medialer Mainstreams weist auf eigenständiges, künstlerisches Wollen. Die Auszeichnung der Arbeit „Pagagei“, die einen gewöhnlichen, schwarz/weiss gefilmten Spatzen durch fernsehfarbige Gläser zeigt, mag angesichts des Gesamtoeuvres von Martin Zimmermann gerechtfertigt sein. Sie wirft aber bei Martin Guldimann, der letztes Jahr bereits einen Förderpreis erhalten hat (eine Kategorie, welche dieses Jahr nicht aktiviert wurde) aber die Frage auf, ob hier wirklich genügend künstlerisches Potenzial da ist, die zur Zeit vielbearbeitete Manipulation bestehender Bilder zu Individualität voranzutreiben.

Im Vergleich hätte die Wahl ebensogut auf den Thuner Medienkünstler Heinrich Gartentor fallen können, dessen lautstarke und vielteilige Videoinstallation „Paris souterrain“ – ein geheimnisvolles Essay zur Pariser Metro – nicht nur als Arbeit im World Wide Web (www.gartentor.ch), sondern, eindringlicher noch, als Videoskulptur überzeugt. Eine Auszeichnung verdient hätte auch der Nidauer Daniel Zimmermann, der seine fliegenden Dachlatten diesmal als Standbilder zeigt, die über 3D-Gucker räumlich erfahren werden können. Die Nichtberücksichtigung mag ein Hinweis sein, dass die Jury unter dem Präsidium von Urs Staub (Bundesamt für Kultur) das seit langem bearbeitete Thema wohl als „ausgereizt“ betrachtet.

In der Ausstellung sind ferner zu sehen: Jolande Schneiter, Simone Zaugg, San Keller, L/B, Reto Leibundgut, Sabine Mooibroek und Cat Tuong Nguyen.