Duo-Werke H R.Giger und Martin Schwarz 1984/2008
Als sie noch wilde Kerle waren
www.annelisezwez.ch Bieler Tagblatt 4. August 2008
1984 verschmolzen H.R. Giger und Martin Schwarz ihre morbiden Visionen zu Duo-Werken und zeigten sie in der Galerie Silvia Steiner in Biel. Jetzt feiern die Bilder in einem Katalog ein Comeback.
Annelise Zwez
Silvia Steiner erlebt zurzeit, wie ihre vor 40 Jahren gegründete Galerie zu Kunstgeschichte wird. Vor 23 Jahren ging sie auf das Ansinnen von Martin Schwarz ein, die 1984 in nächtlichen Séances mit Hansruedi Giger gemalten Albträume in ihrer Galerie zu zeigen. Jetzt erschien im EigenArt-Verlag ein Katalog dazu. H.R. Giger hatte 1984 bereits einen Oscar für die Filmausstattung von Alien I in seinem Palmares und seine erotomechanischen Apokalypsen waren international bekannt. Der Winterthurer Künstler Martin Schwarz war seit den 1970ern als Meister surreal-sarkastischer Verfremdungen, zum Beispiel der Monalisa, bekannt.
Dass die 15 Duo-Werke in Biel Première feierten, zeigt zweierlei: Zum einen, dass die Galerie Silvia Steiner in den 1980er-Jahren als führende Schweizer Galerie betrachtet wurde. Zum andern: Dass selbst einem Shooting-Star wie H.R. Giger damals nicht alle (Kunsthaus)-Türen offen standen.
Die Ausstellung im Mai 1985 wurde viel beachtet, was sich unter anderem in den Medien-Berichten zeigt. Fast in allen Rezensionen kommt indes eine zwiespältige Haltung zum Ausdruck, sei es bei George Luks im Bieler Tagblatt, bei Lilli Sommer in der Berner Zeitung, bei Barbara Engel in Biel-Bienne oder bei Hans Rudolf Reust im Bund. Angemahnt wird vorab die Verkommerzialisierung der ästhetisierten gigerschen Horrorvisionen durch die Poster-, Design- und Plattenhüllen-Industrie. Dem Entsetzen folgte die käufliche Lust auf ein kokettes Gruseln, schrieb der heutige Präsident der Eidgenössischen Kunstkommission H.R. Reust als junger Kritiker.
Für Silvia Steiner war massgebend, dass sie Gigers Werke schon 1972, als diese noch deutlich in der Nachfolge Dalis standen, ein erstes Mal gezeigt hatte, somit zu einer Zeit als Giger noch nicht in aller Leute Munde war. Ein Verkaufserfolg war die Ausstellung nicht, erinnert sie sich. 15 000 Franken für ein Duo-Werk Schwarz/Giger war den Bielern eindeutig zu teuer. Verkauft habe sie lediglich einige kleinere Einzelwerke und Graphiken der beiden.
In der Berichterstattung ging es ganz primär um Giger und kaum je um Schwarz, obwohl ihm Reust attestiert , dass er im Trübsinn seinen philosophischen Humor behält. Vielleicht liegt in der damaligen Einseitigkeit aber doch einer der Gründe für die Initiative des auch als Verleger tätigen Schwarz, die damaligen Duos zusammen mit wenigen Einzelwerken jetzt in einem schwarzen Hochglanz-Katalog zu dokumen-tieren und so auf Verwandtschaft und Differenz hinzuweisen. Wobei sicher dazu kommt, dass die 68- respektive 62-Jährigen heute nicht mehr die wilden Kerle von damals sind, künstlerisch nicht mehr denselben Biss haben und das Unterfangen darum so etwas wie die Sonne von damals reaktivieren bedeutet.
Das ist insbesondere für Martin Schwarz gerechtfertigt, denn die Duo-Werke sind keine Giger. Sie nahmen, wie Schwarz beschreibt, mit einer All-Over-Collage von tagesaktuellen Bildern von ihm ihren Anfang. Schwarz beschäftige sich damals kritisch mit der Lage der Welt in Bezug auf Krieg, Umwelt, Hunger und Tod und wählte dementsprechend. Anschliessend bearbeitete Giger das Szenario, dann wieder Schwarz usw.
Oft hätten sie nebeneinander an zwei Werken gearbeitet und sich dabei immer wieder über den Fortgang unterhalten, erinnert sich Schwarz. Die Endresultate sind nur noch mit konzentrier- tem Blick als Collagen ersichtlich, sie wandelten sich im Mal- und Airbrush-Prozess zu einer Art körpernaher Höllenvisionen, in denen sich (sexuelle) Traumata und Welt-Ängste zu Fantasmorgien bündeln. Im Gegensatz zu den Solowerken Gigers sind sie jedoch nicht reine Psycho-Visionen, sondern von realen Bildstücken mitbestimmt und somit nicht auf eine individuelle, sondern eine kollektive Apokalypse ausgerichtet; Duo-Werke H.R. Giger und Martin Schwarz eben.
Info: Der Katalog ist beim EigenArt-Verlag Winterthur für Fr. 60 ohne und Fr. 120 mit den Originalsignaturen erhältlich. Ebenso im Museum H.R. Giger in Gruyères. Links: www.eigenartverlag.ch, www.hrgiger.com, www.hrgigermuseum.com
10 Jahre Musée H.R. Giger in Gruyères
azw. 1998 wurde im Chateau St.Germain im historischen Gruyères das von Gigers Frau Carmen geführte Museum H.R. Giger eröffnet. Die engen, höhlenartigen, schwarzen Räume auf drei Etagen untermauern den morbiden Charakter der gigerschen Weltvision. Zu sehen sind Werke seit den 1960er-Jahren, vor allem aber der 1980er-Jahre. Ausgestellt ist aber auch die private Kunstsammlung Gigers, die aufzeigt, dass sein Werk in einem Kontext steht, zum Beispiel mit dem Österreicher Ernst Fuchs.
Eine dichte Collage-Malerei von Martin Schwarz zur Katastrophe des 2. Weltkrieges zeigt in Bezug auf die Duo-Werke aufschlussreich dessen Stil als Solokünstler 1983. In einer Art Sonderausstellung werden aktuell auch vier der ingesamt 15 Duo-Werke von Martin Schwarz und H.R. Giger von 1984 präsentiert. Alle anderen befinden sich in Privatbesitz, sagt Schwarz. Gleichzeitig sind auch die vier früheren Kollaborationen Gigers mit Walter Wegmüller und Claude Sandoz von 1973 zu sehen.
Info: Bis Oktober täglich geöffnet
Martin Schwarz
1946 in Winterthur geboren. Ausbildung zum Grafiker/Lithograph.
Liest Schopenhauer
Erfolge mit Collagen und Übermalungen populärer Kunstwerke
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