Ansprache von Annelise Zwez anlässlich der Vernissage von «Twann Tüscherz eingerahmt»

Rebhaus Wingreis  9. August 2024

Vorbemerkung: Die Initiative für die Ausstellung der Kunstsammlung von Twann-Tüscherz in Wingreis ging vom Vorstand der Stiftung Rebhaus Wingreis aus. Weil ich die Sammlung kenne und (ohne Auftrag irgendwelcher Art) ergänze, wurde ich als „Expertin“ angefragt und wurde dann schliesslich zusammen mit Heidi Lüdi zur Co-Kuratorin. Meine Ansprache war nicht die einzige an der Eröffnung – über die Bedeutung des einstigen Berner Patrizier-Hauses sprach insbesondere der Stiftungsratspräsident, Marco Annoni (alt Berner Regierungsrat). Sie ist entsprechend nicht „vollständig“. Dennoch:

Sehr verehrte Anwesende

Ich kann mich gut erinnern wie ich an einer – vermutlich eher langweiligen – Sitzung im Gemeindehaus in Twann das Bild «Blick auf Twann und Bielersee» von Fritz Furer betrachtete und es stilistisch so um 1940 ansiedelte. Mmh, ist das eigentlich nicht ein bisschen daneben – wir diskutieren doch über die Gegenwart, dachte ich. Zwar ist der Bielersee immer noch plus/minus da, wo er immer war, aber der Blick auf Twann ist längst nicht mehr «nature pure».

Das führte mich zur Frage was es denn eigentlich sonst noch in der Kunst-Sammlung der Gemeinde gibt? Im Magazin auf der Burg fand ich zusammen mit Gerhard Engel  und Ronald Wüthrich natürlich nur jene Werke, die nirgendwo platziert sind und so war mein Eindruck eher zwiespältig. Und es fehlte definitiv die Gegenwart. Davon später mehr.

Zunächst monierte ich, dass man Bilder nicht unverpackt in Gestelle einordnen dürfe, weil dadurch die Rahmen leiden, ev. sogar die Leinwände einander touchieren. Immerhin waren die Bilder, einem älteren Inventar folgend, auf der Rückseite angeschrieben.

Das mit den Rahmen war wortwörtlich zu nehmen, umsomehr als der in der Sammlung – und entsprechend auch in unserer Ausstellung hier – reich vertretene Klein-Twann-Maler August Jäger zuweilen die recycelten Rahmen farblich zu einem Teil des Bildes machte, ohne dabei aber Rücksicht zu nehmen auf die vorhandenen Untergründe, sodass die Farbe mit der Zeit abblätterte. Die Gemeinde hatte ein Ohr für mein Anliegen, hier Abhilfe zu schaffen und gab einen kleinen Kredit frei für die Restauration des «Dorfweg von Tüscherz», was das Bild entscheidend aufwertete. Achten sie darauf, wenn sie das Bild finden, wie Jäger durch die rotweisse Bahnschranke auf die Präsenz der Eisenbahn hingewiesen hat und das rot-weiss zugleich als wichtigen Farbtupfer einsetzte. Ich mag das Bild, das jetzt neu im Sitzungszimmer des Gemeindehauses hängt.

Genau diese Angewohnheit Jägers gab übrigens auch den Ausschlag für die Wahl des Bildes für den Flyer. Allerdings ist zu sagen, dass wir keine Beweise dafür haben, dass der Blick auf den See mit der Petersinsel tatsächlich von August Jaeger stammt  – das Bild ist nicht signiert. Aber es illustriert den Titel der Ausstellung «Twann-Tüscherz eingerahmt», der Regina Hadorn bereits an unserer ersten gemeinsamen Vorbereitungssitzung spontan in den Sinn kam, in sehr schöner Art und Weise.

Wir sprechen von der Sammlung Twann-Tüscherz. Da gilt es zu bedenken, dass diese in ihrer heutigen Namensgebung erst entstand, nachdem die Sammlungen von Twann und Tüscherz  im Zug der Fusion der beiden Gemeinden zusammengelegt wurden. Und wenn wir schon dabei sind, achten sie darauf, wie zahlreich die Bilder mit Bezug zu Tüscherz sind.

Eine Sammlung entsteht, wenn sich Menschen für eine solche engagieren, sei es in privatem Rahmen oder in einem institutionellen und noch viel mehr da, wo eine Sammlung keine zwingende Aufgabe ist, wohl aber eine Bereicherung darstellt.  Das war in den 1990er- und auch nach 2000 so in Tüscherz. Da bildeten Hans Dahler, in Tüscherz wohnhaft und Präsident des Bieler Kunstvereins, zusammen mit K.P. Meyer – ebenfalls in Tüscherz wohnhaft und Zeichnungslehrer am Gymnasium in Biel und anderen eine Art Interessenteam; das heisst wo immer sie regionale Ausstellungen oder antiquarische Bilderangebote sahen, hielten sie Ausschau nach Motiven mit Tüscherzbezug. War man sich über Preis, Qualität und Budget einig, kam Fred Perrinjaquet zum Zug und kaufte das Bild für die Tüscherzer Sammlung. Als Beispiele seien erwähnt das «Oberdorf Tüscherz» von Otto Clénin, resp. Jan-Pieter Terwey, der «Dorfeingang West Tüscherz» von Walter Clénin (BILD), das «Oberdorf» von Heidy Hanselmann oder das wunderschöne, kleine Aquarell des Schützenhauses auf der Achere, gemalt von einer gänzlich unbekannten Sophie Weibel, anno 1896.

Zur Sammlung Twann-Tüscherz kamen in den letzten 10 Jahren einige Werke von zeitgenössischen Kunstschaffenden hinzu, wobei der rote Faden, der sich durch die ganze Ausstellung zieht, auch hier der regionale Bezug ist.  Sie kamen als Schenkungen der Kunstschaffenden oder von privater Seite in den Besitz der Gemeinde Twann-Tüscherz. Ausgangspunkt waren die eingangs erwähnten Gedanken zu Fritz Furer respektive eine fast zeitgleich stattfindende Ausstellung von Marianne Engel in einer Bieler Galerie. Ich kannte die Künstlerin von Ausstellungen im Aargau und in Zürich und ging darum an die Vernissage. Und da sah ich zu meiner Verwunderung Rita Engel von Twann im Gespräch mit Marianne. Bis mir ein Licht aufging…. Marianne ist eine Twanner Engel! Die studierte Biochemikerin trat damals  insbesondere mit Fotografien, die sie nachts mit Langzeitbelichtung realisierte, in Erscheinung. Dies mit dem Ziel, etwas vom geheimen Leben von Pflanzen und Dingen sichtbar zu machen. Davon später mehr. Zu sehen war auch eine Edition, die einen Eisenhut-Stängel zeigt, dessen Blüten mit fluoreszierenden Pigmenten angereichert sind. Editionen sind preislich günstig, da die Werke ja mehrfach existieren. So habe ich den glasfaserverstärkten Epoxidharz-Abguss ohne viel zu denken gekauft und der Gemeinde als Start zur Sammlung Gegenwart geschenkt. Anders bei Manette Fusenig – langjährige Zeichenlehrerin am französischen Gymnasium in Biel – die ihr Atelier im Gebäude der Schmid Metallbau AG in Chlyne Twann hat. Sie konnte ich 2014 animieren, der Gemeinde ein Werk zu schenken, wobei wir schmunzelnd die Bedingung stellten, dass der Gemeinderat in corpore im Atelier auswählt und dabei eine Lektion Kunst absolviert. Und lachend haben wir uns bei den Vorbereitungen für heute gefragt, ob wir das Bild, das den Twannbach zeigt, aber «Moskau» heisst (BILD), wegen des Ukraine-Krieges umbenennen müssten. Haben wir nicht, aber schauen Sie genau hin, wieso es so heisst.

Ich könnte noch dieses und jenes erzählen, aber ich halte hier ja nicht einen Vortrag und vieles steht in den Bildlegenden, die Heidi Lüdi und ich in – notabene aufwändiger, aber für Sie als Besuchende hoffentlich wertvollen – Art und Weise verfasst haben.

Darum komme ich hier bereits zur Überraschung des heutigen Anlasses. Seit Jahren kannte ich die bereits 2007 entstandene Nachtfoto von Marianne Engel vom Ausgang der Schlucht  – zwischen dem Winzerbetrieb Klötzli und dem Atelier von Manette Fusenig. Ihr Titel «Ahnenmühle». BILD Er verweist einerseits auf die Twanner Vorfahren der Künstlerin, aber unabhängig davon auf noch viel mehr. Wie wir vom Kulturanthropologen Kurt Derungs wissen, war der keltische Namen des Twannbachs «Dubona», was ethymologisch so etwas wie dunkles Wasser bedeutet oder – der deutschen Linguistin Maria Bess folgend – dunkle Wassergöttin. Dies aufgrund der Annahme, dass die Kelten ein animistisches, d.h. beseeltes Weltbild hatten und überdies Gewässer stets weiblich benannten. Dunkel bedeutete in vorchristlicher Zeit nicht «bedrohlich», sondern beschützend respektive Eingänge zur «Anderswelt». Wenn wir so denken, laden wir die «Ahnenmühle» von Marianne Engel mythologisch auf und das tue ich gerne. Darum hätte ich sie schon lange gerne in der Sammlung gesehen. Aber einfach so über eine Galerie kaufen….das überstieg meine Möglichkeiten. Also fasste ich mir vor einigen Monaten ein Herz und fragte die Künstlerin, ob sie der Gemeinde Twann eine Version der Bilddaten der Ahnenmühle schenken würde, wenn ich im Gegensatz dafür sorgen würde, dass sie zwischen Acrylglas zum Bildobjekt würde. Und zu meiner grossen Freude sagte sie spontan zu, sodass die Ahnenmühle  nun hier hängt und ich sie im Namen von Marianne Engel  heute abend offiziell an die Gemeinde Twann-Tüscherz übergeben darf.

Mit dem Wunsch, dass Sie fortan den Blick von der Chly Twann-Brücke zur Twannbachschlucht neu sehen werden, schliesse ich und über geben das Wort zurück an Danièle Hubacher.