Aeschlimann-Corti-Stipendiaten Bern 2009

Wird Zimoun ein zweiter Tinguely?

www.annelisezwez.ch     Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 4. Mai 2009

In Bern wurden die Aeschlimann-Corti-Stipendien vergeben. Den Hauptpreis erhielt Zimoun für  seine ratternden Modelle im „Gestell“ . Dazu gab’s vier Förderpreise. Biel ging leer aus.

Nachdem 2007 und 2008 die Preise der von der Berner Kunstgesellschaft verwalteten Louise Aeschlimann und Margareta Corti-Stiftung allesamt an junge Künstlerinnen gingen, fragte das BT vor Jahresfrist: Wo sind denn die Männer? 2009 ist eine Art Revanche: Der Hauptpreis in Höhe von 30 000 Franken geht an den 32jährigen Berner  Installations-Künstler Zimoun, die vier Förderpreise von je 10 000 Franken an Franisco Sierra,  Alain Jenzer, Manuel Burgener sowie das Künstlerin-nen-Duo Corina Steiner/Elke Lehrenkrauss. Ihre Werke sowie jene von 14 weiteren Nominierten sind bis zum  1.Juni im Kunstmuseum Bern ausgestellt.

Was auffällt ist, dass alle fünf respektive sechs Ausgezeichneten hauptsächlich in der Stadt Bern leben und arbeiten. Das betont die seit Längerem auffallende Lebendigkeit der Stadtberner Kunstszene. Umso mehr als auch die 14 weiteren zur Ausstellung Eingeladenen grossmehrheitlich in Bern auftreten, wenn sie nicht gerade im Ausland weilen. Wie viele junge Bieler Kunstschaffende  – Alterslimite sind die obligaten 40 Jahre – unter den 79 Bewerbenden der erste Runde waren, gibt die Kunstgesellschaft nicht preis. Möglicherweise haben einige den Termin schlicht verpasst und zuwenig bedacht, dass Auszeichnungen nicht nur Geld bedeuten, sondern vor allem auch Prestige. Obwohl privat sind die  AC-Stipendien die am stärksten wahrgenommenen Berner Kunstpreise.

Dass der Hauptpreis 2009 an den bereits verschiedentlich aufgefallenen Zimoun geht, ist leicht nachzuvollziehen. Seine ratternden und vibrierenden Klang-Kleinobjekte sind verführerisch heiter, zeitgenössisch und mit sicherem Gespür inszeniert. Führte Jean Tinguely in seinen Bewegungsskulpturen einst das mechanische Zeitalter ad absurdum,  macht der „Uhrenmacher“ Zimoun Ähnliches mit unserer Zeit entsprechenden kleinteiligen, material- und klangbezogenen Übertragungskräften. Er nutzt Handy-Vibratoren, Schallwandler, Pendelmotoren um Dinge in Umlauf, in Bewegung, zum Schütteln, zum Tönen zu bringen.

Förderpreise sind meist variabler in der Zuteilung. Auch heuer hätte man sich  andere Konstellationen vorstellen können, zum Beispiel Stefan Guggisberg statt Alain Jenzer oder Steiner/Lehrenkrauss. Man kann sich auch fragen, ob ein Förderpreis für einen Francisco Sierra, dessen malerisch herausragendes Stilleben eines handgefertigten Teeservices eben vom Aargauer Kunsthaus angekauft wurde, noch adäquat ist, zumal der 1977 in Chile Geborene auf eidgenössischer Ebene bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

Erfreulich ist der Förderpreis für Manuel Burgener. Der 31-Jährige hat sich mit einer eigens für den Raum konzipierten, „kubistischen“ Wandarbeit beworben. Die 288 aufgeklebten A4-Seiten zeigen einen mehrfach gespiegelten Massstab, der  auf vielfach geknickten Flächen liegt. Die Komplexität von Mass und Zahl und Perspektiven verweist eindrücklich auf die Variabilität von Wahrnehmung.

Aus Alain Jenzers Installation zu Alltags-Ritualen rund um den Tod gefällt vor allem ein Pixel-Scherenschnitt als „Trauerkarte“ mit der SMS-geläufigen Buchstaben-kombination CU (see you). Steiner/Lehrenkrauss’ mit einem Förderpreis ausgezeichnete Porträtserie der „Monaden“ überzeugt durch Ernsthaftigkeit, bewegt sich aber in einem in den letzten Jahren tausendfach bearbeiteten Feld.

Die Ausstellung mit 19 jungen Positionen gibt einen spannenden Einblick in Berner Aktualität. Sie spiegelt die Gleichzeitigkeit der verschiedensten Medien – von Zeichnung und Malerei über Video, Fotografie und Installation bis zu Objekt und  Skulptur. Bedenkenswerter als die mediale Vielfalt ist indes das Fehlen inhaltlich pointierter Standpunkte, sowohl bei den Ausgezeichneten wie den Nominierten. Zwar gibt es komplexe, intelligente Arbeiten, aber im Vergleich zu internationalen Präsentationen, ist das weitgehende Fehlen gesellschaftlich, politisch oder sozial relevanter Projekte doch erstaunlich. Die Berner Kunstschaffenden zementieren damit das  – bezüglich Einzelpositionen falsche – Cliché des unpolitischen Schweizer Künstlers.

Die Namen

Die Jury des AC-Stipendiums setzte sich 2009 zusammen aus:
Susanne Kulli (Vorsitz), Vanessa Achermann, Istvan Balogh, Andreas Fiedler, Matthias Frehner.
In der Ausstellung vertreten: Linus Bill, Manuel Burgener, Sam Graf, Stefan Guggisberg, Ronny Hardlitz, Alain Jenzer, Renée Magaña, Martin Möll, Omar Alessandro, Annaïk Pitteloud, Ana Roldàn, Nadin Maria Rüfenacht, Patricia Schneider, Francisco Sierra, Corina Steiner/Elke Lehrenkrauss, Egle Vido, Niklaus Wenger, Urs Zahn, Zimoun.

Bildlegenden:

Mit einem AC-Preis ausgezeichnet (v.l.n.r.): Alain Jenzer, Zimoun, Corina Steiner, Francisco Sierra, Manuel Burgener (es fehlt Elke Lehrenkrauss)   Bild: azw

Kleiner Ausschnitt des „Gestell aus dem Atelier“, für welches Zimoun den AC-Hauptpreis erhielt.      Bild: azw