Erica Pedretti Roter Turm u Amtshimmel Baden 1997

Drehen und wachsen, schwingen und fliegen

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Aargauer Zeitung November 1997

Ausstellung zur Kunst am Bau-Arbeit von Erica Pedretti im Roten Turm in der Galerie im Amtshimmel in Baden

„Was lange währt, wird endlich gut“, könnte man bezüglich der Beziehung von Erica Pedretti zur Stadt Baden sagen. 1985 war die ebenso als Plastikerin wie als Schriftstellerin bekannte Künstlerin zum „Kunst am Bau“-Wettbewerb für das Bezirksgebäude Baden eingeladen. Der eingereichte, luftig-leichte „Doppel-Flügel“ – als Thema damals „Markenzeichen“ der Künstlerin – siegte nicht, aber das „Modell“ wurde als eigenständiges Objekt von der Stadt angekauft. Und hing seither im Büro des Stadtbaumeisters. Der „Flügel“ verlor nicht an Kraft. Mit leichtem Schwingen rief er sich in Erinnerung als es 1996 um den Wettbewerb zur künstlerischen Gestaltung des Lichthofes im Rahmen der Renovation des „Roten Turms“ (Amtshaus-Erweiterung) ging. Im Zentrum des Schaffens der im bernischen La Neuville Arbeitenden stehen inzwischen nicht mehr die Aufbruch, Flug, zuweilen auch Absturz, symbolisierenden Flügel, mit welchen die Künstlerin um 1980 nationale Aufmerksamkeit auf sich zog.

Für den hohen, engen Lichthof des „Roten Turms“ entwarf die Künstle­rin in Zusammenarbeit mit ihrer Tochter, der Bühnenbildnerin Mar­tigna Pedretti, eine dem Schaffen der 90er Jahre entsprechende, spi­ralförmige Vierkantsäule aus Naturholz mit wenig Rot, die sich nach oben über den optischen Distanzeffekt hinaus leicht verjüngt. Und diesmal gewann sie. Inzwischen ist die Säule realisiert und öffent­lich zugänglich. Die bis zum 21.Dezember im Amtshimmel eingerichtete Ausstellung dokumentiert das Kunst am Bau – Werk als Teil des Ge­samtschaffens der Künstlerin. Zu sehen sind Flügel und Säulen, als Objekte, Plastiken und Zeichnungen. Das Werk Erica Pedrettis ist nicht sehr gross; der Doppelbegabung der Künstlerin entsprechend ist es die Hälfte eines Ganzen. So umreissen die Themen „Flügel“ und „Säulen“ den Kern des Gesamten der letzten 20 Jahre.

Einige Zeichnungen von 1991 tragen den Titel „Ich denke an Rom“ – die Künstlerin weilte da­selbst 1988 als Gast des Istituto Svizzero. Sie lassen erkennen, dass die Idee der Säulen wohl in Rom enstand, zei­gen aber auch die Verbindung vom Schwingen und Fliegen zum Drehen und Wachsen. Die Säulen auf diesen Blättern ragen in alle Richtun­gen, streben auf, heben beinahe ab vom Grund, beinhalten aber auch das mögliche Fallen. Ambivalenz im Sinne der Unvereinbarkeit von Sehnsucht und Realität gehört mit zur spezifischen Kraft des Werkes von Erica Pedretti. So wachsen ihre „Bäume“ denn auch nicht in den Himmel, sondern enden, mit Ausnahme einiger kleinerer Arbeiten, an der Decke des Realraums – in den gegebenen Räumen des Amtshimmels leider etwas abrupt. Die Ausstellung vermag darum emotionell nicht auszulösen, was dem „Roten Turm“ nebenan gelingt: Wort­loses Staunen über die innere Stimmigkeit.

 

Erica PedrettiGalerie im Amsthimmel, bis 21. Dezember 1997. Mi 14 – 20, Do/Fr 14 – 18, Sa/So 11 – 16 Uhr. Am 9. Dezember, 19 Uhr, liest Erica Pedretti in der Ausstellung aus ihrem literarischen Werk.