Andreas Greber Galerie im Amtshimmel Baden 2000

Das Erwachsenwerden als fragile Zone

www.annelisezwez.ch      Annelise Zwez in Aargauer Zeitung März  2000

Der in Bern lebende Zürcher Fotograf Andreas Greber (geb. 1955) zeigt im Amtshimmel in Baden Foto-Objekte. Dabei geht es um die Verbindung von medialem Experiment und inhaltlichem Ausdruck.

Bei künstlerischen Arbeiten, die ein Medium – welcher Art auch immer – experimentell auszuloten suchen, stellt man oft fest, dass die inhaltliche Dimension nicht dieselbe Kraft hat; das Mittel ist dann zugleich der Zweck. Der Fotograf Andreas Greber, der um 1990 mit Paul Gartmann als Duo in Erscheinung trat, ist dieser Gefahr im Laufe der Zeit nicht immer entronnen. Eine intensive Rückbesinnung auf sich selbst hat in den letzten sechs Jahren indes die Verbindung von Experiment und gedanklicher Vertiefung so intensiviert, dass sie heute die Essenz von Grebers Arbeit ausmacht.

In seiner ersten Ausstellung im Aargau zeigt der als freischaffender Künstler sowie als Dozent an der Fachhochschule für Gestaltung in Biel Tätige zwei Werkgruppen: Körnig strukturierte Wandreliefs und frei in den Raum gehängte Bauplastikfolien, die in ganz unterschiedlicher Art und Weise mit Fotografie beschichtet sind. Hier wie dort geht es um die materielle und die visionäre Einheit der fotochemischen Schicht, des Trägermaterials und der visuellen Aussage.

Beide Werkgruppen ziehen den Blick gleichermassen auf sich. Emotional herausfordernder sind jedoch die transparenten Porträts von Mädchen und Burschen im Alter von 15 bis 20 Jahren. Die Art der frontalen Aufnahme in überlebensgrosser Präsentationsform weckt auf den ersten Blick Assoziationen zu Arbeiten von Franz Gertsch und Thomas Ruff, doch der zweite Blick zeigt, dass er dem Thema Wesentliches hinzufügt. Und dieses Andere hat seine Basis ganz primär in der Applikation der Fotografie auf den Träger “Bauplastik” – etwas, das technisch eigentlich nicht möglich ist. Doch der Künstler hat ein aufwendiges Verfahren entwickelt, das es ihm erlaubt, sein Ziel zu erreichen. Schon am Aufwand lässt sich erkennen, wie wichtig ihm das Material ist – das Hautartige und die weitgehende (aber nicht gänzliche) Transparenz des Plastik, das Temporäre seiner Verwendung als Schutz von Gebäuden im Umbau, oft Wind und Wetter ausgesetzt.

Die in der Vergrösserung eindrücklichen Gesichter – die Mädchen topfrisiert und raffiniert geschminkt, die Burschen eher lässig – präsentieren sich auf den Plastikfolien zugleich als Zeugnisse jugendlicher Schönheit wie als äusserst fragile Erscheinungen. Ganz bewusst hat Andreas Greber Jugendliche im “Zwischenraum” von Kindheit und Erwachsensein porträtiert, die Zeit, da alles offen, aber auch nichts greifbar ist. Fast alle Modelle kamen aus dem Bernbiet zur Vernissage angereist – verschämt und zugleich ungemein stolz betrachteten sie sich selbst als Kunstwerke.

Die Transparenz des Plastik bringt es mit sich, dass die Gesichter doppelseitig sind. Hat man den Raum mit den gestaffelt gehängten Folien durchschritten und dreht sich um, sieht man die Gesichter noch einmal, wenn auch weniger deutlich. Der Eindruck der Kehrseite ist nicht weniger stark, denn nun fühlt man sich plötzlich hinter den Gesichtern, da wo sich die Schwierigkeit des dritten Lebensschrittes (Rudolf Steiner teilt das Menschenalter in Kapitel von je sieben Jahren) nicht übertünchen lässt. Wenn auch die räumlichen Verhältnisse der städtischen Galerie im Amtshimmel nicht optimal sind für Andreas Grebers Installation, so überzeugt sie doch als künstlerisch-fotografische Arbeit an sich.

Die Strukturtafeln sind wesentlich abstrakter. Sie zeigen über die Verwendung von Fotoemulsion die Licht- und Schattenverhältnisse mit Verputz beschichteter Holztafeln. Überraschend sind dabei die zum Ornamentalen tendierende Hell-Dunkel-Strukturen.