Jakob Weder im Umfeld Gleichgesinnter Kunsthaus Langenthal 2000

Die Ordnung der Farben – die Klänge des Universums

www.annelisezwez.ch   Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 10. März 2000

Langenthal erinnert in einer grossen Ausstellung an die obsessive Suche nach der Ordnung der Farben im Werk „ihres” wohl grössten Künstlers. Vor 10 Jahren starb Jakob Weder.

Die Einladung zur Ausstellung „Farbklavier und Formorgel” im Kunsthaus Langenthal verspricht aus Anlass des 10. Todesjahres von Jakob Weder (1906-1990) eine Gegenüberstellung der Werke des bedeutendsten Langenthaler Künstlers mit jenen von Hans Hinterreiter, Camille Graeser und Robert Strübin. Somit eine thematische Ausstellung, die sich mit vier Forschern im Bereich der Spiegelbildlichkeit von Farbe und Musik, Farbe und Form auseinandersetzt. Dieses spannende Moment innerhalb der Schweizer Kunst ein und derselben Generation – alle vier Künstler sind zwischen 1892 und 1906 geboren – wurde bisher erst ansatzweise durchleuchtet – zum Beispiel in einer Gegenüberstellung von Robert Strübin und Jakob Weder im Kunsthaus Zug 1992. Doch Hinterreiter und Weder, die beide vom Farbtheoretiker Wilhelm Ostwald (1852-1933) ausgingen, wurden bisher kaum miteinander gezeigt. Und dies im Verbund mit dem Musik in eigentliche Farbpartituren übersetzenden Strübin und dem musikalische Rhythmen in die konkrete Kunst einbringenden Camille Graeser – eine solche Ausstellung gab es bisher schweizweit nicht.

Leider vermag die Ausstellung in Langenthal grosse Erwartungen nicht ganz zu erfüllen, was realistischerweise – das heisst die finanziellen und personellen Möglichkeiten des kleinen Museums bedenkend – eigentlich hätte vorausgesehen werden müssen. Die Präsentation ist ganz primär eine Jakob Weder Gedenkausstellung, die – und das ist nicht unbedeutend – daran erinnern will, dass das in der Kunstgeschichte einmalige Werk Weders nach internationalem Echo in den 80er und frühen 90er Jahre nun wieder in einem Kellerraum des Langenthaler Gymnasiums vor sich hin dämmert. Die Werkschau, die das späte, die universelle Vision Weders einkreisende Schaffen in gültigem Überblick zeigt, ist ergänzt durch Einzelräume mit Werken von Hinterreiter, Strübin und Graeser. Vergleiche sind somit möglich, angesichts des bescheidenen, wissenschaftlichen Dokumentationsmaterials indes sehr schwierig zu fassen. Es kommt hinzu, dass die wohnraumähnliche Architektur des Museums für die Klarheit, Licht und Präzision fordernde, geometrische Kunst wenig geeignet ist .

Jakob Weder hat sich seinen Lebensunterhalt als Zeichnungslehrer am Gymnasium Langenthal verdient. Man sagt, er sei seinen Schüler/-innen nicht durchwegs in bester Erinnerung. Denn seine Obsession galt der heute kaum mehr denkbaren Suche eines Einzelnen nach der Harmonie der Welt. Das Absolute lag für ihn im Gleichgewicht von Schwarz und Weiss. Dieses sei jedoch durch die Brechung des Lichtes in Farbe gestört. Bilder wie „Die Geburt der Urfarben Gelb-Blau aus der Störung des Lichtes” benennen es. So suchte er eine Farbordnung, die es möglich machen würde, in die Balance zurückzukehren. Bei Wilhelm Ostwald glaubte er ein Instrument gefunden zu haben, das die Farben – ähnlich der Musik – in eine Ordnung zerlegt, mit der Harmonie zum Klingen gebracht werden kann. Da Ostwald kein Praktiker war, galt es für Weder dessen Farb- Doppelkegel in Malerei zu übersetzen. Um das Klavier mit 135 Tönen, deren Pigmentanteile er bis auf vier Stellen nach dem Komma berechnete, zu konstruieren, brauchte Weder viele Jahre. Als Ausgangspunkt für seine „Klavier”-Kompositionen dienten ihm vielfach einzelne Takte aus Werken von J. S. Bach, aber auch Schubert und anderen. Darum werden seine Bilder oft Farbsymphonien genannt. Allerdings ging Weder dabei sehr frei mit der Vorlage um. Sein Ziel war nicht die Transkripiton, sondern die Spiegelbildlichkeit. Und solche gelang ihm in grossartiger Weise. Auch wenn er selbst am Ende seines Lebens deprimiert feststellte, dass er das Absolute nicht gefunden habe.

Auch Hans Hinterreiter ging von Wilhelm Ostwalds Farbenlehre aus. Doch dem Architekten und Maler ging es in der Übersetzung der Tonwerte Ostwalds nicht um (Re)-Konstruktion von Harmonie. Er suchte vielmehr in der Kombination des von ihm definierten Form- und Farbenvokabulars die Öffnung immer neuer Räume. Räume, die nicht auf ein Bildformat begrenzt sind, sondern als Fragmente von Unendlichem einen kleinen Ausschnitt lang im Bild sichtbar werden. In der Suche nach einer Ordnung, die sich über die Gesetzmässigkeiten von Farbe und Form vom Fassbaren ins Unendliche fortsetzt, begegnen sich die zwei Künstler. Robert Strübin hingegen nahm sich scheinbar hinter die Musik zurück, indem er – der eigentlich Pianist war – die Kompositionen in Codes zerlegte und sie in Farben neu spielte. Ging es Weder und Hinterreiter um die Verbindung zum Unermesslichen, zeigte Strübin über die Analyse die Bildlichkeit, die sich aus Vereinzelung und Neuformulierung ergeben kann. Musiker haben seine Bilder mehrfach rückübersetzt.

Während die Werke von Weder, Hinterreiter und Strübin in Bezug auf ihr „musikalisches” Vokabular recht gut erforscht sind, gilt Camille Graeser im allgemeinen als Vertreter der Zürcher Geometrie. Ob Formulierungen wie „die konkrete Kunst ist der Musik gleichzustellen, denn sie schafft sinfonische Klänge für die Augen” ausreichen, um ihn analog den anderen drei als Forscher zu bezeichnen, ist schwierig zu beurteilen. Offensichtlich ist jedoch sich, dass sich seine Werke formal und rhythmisch spannend in die Ausstellung integrieren. Und so öffnen sie zur Vielfalt von Wechselwirkungen zwischen Form, Farbe und Musik in der klassischen Kunst ganz allgemein.

Kein Katalog.

Bildlegende:

Jakob Weder: Schlusschor aus der Bachkantate “ Liebster Herr, wann werd ich sterben“, 122 x 171 cm. Bild: azw