Berner Kunstpreis 2003_Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta

Mut sich in die Nesseln zu setzen

www.annelisezwez.ch    Annelise Zwez in Bieler Tagblatt vom 24. November 2003

 

Am Samstag, 22. November 2003, erhält das Künstlerduo Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta den mit 20 000 Franken dotierten Kunstpreis der Stadt Bern. Für ihre risikofreudige und kontinuierliche Präsenz in der Region. Der einst von den beiden per Inserat gesuchte „Kunstinspektor“, Peter Vittali, hält die Laudatio.

Es war ziemlich heavy, diesen Sommer. Als das Duo Rudolf Steiner Barbara Meyer Cesta (rsbmc) seinen denkfreudigen Diskurs um Kunst – Realität – Fiktion – Gesellschaft von den gesicherten Kunsträumen ins ländlich-bernische Rapperswil (Rapp – Kunst im ruralen Raum) verpflanzte und ankündigte ein totes Pferd von einem Helikopter auf einen Traktor abzuwerfen, erhob sich Volkes Stimme wütend. Nichts war mehr da von einer Plattform für Denkakrobatik (wie bei „NJAHBIC“ Ende 2002 im Soussol der Kunsthalle Bern) – die „Rösseler“ und die Rapperswiler nahmen rsbmc beim „Wort“ und wollten wissen, was, wie, wo, wann. Nicht im Netzwerk des Geistes, nicht als Kunst, sondern in der Realität. Wenn auch die Fiktion letztlich siegte, so war es doch eine Zerreissprobe, die Grenzen der Verständigung aufzeigte. Allein, „wir müssen das“, sagte Barbara Meyer Cesta kürzlich, „es ist unsere Aufgabe als Kunstschaffende, Plattformen für Auseinandersetzungen zu schaffen“.

Jetzt erhält dieses Duo, das seit 1996 immer wieder, und in den letzten Jahren in erhöhtem Mass, für subversive Aktionen sorgte, den Preis der Kunstkommission der Stadt Bern. Kein Zweifel, in Rapperswil schüttelte man den Kopf als die Medien den Namen publizierten. Doch rsbmc wurde der Preis nicht für „Fallada“ zugesprochen, sondern, wie aus Kreisen der Kunstkommission zu hören ist, für ihr jahrelanges, risikofreudiges, humorvolles und immer wieder neues Engagement für eine lebendige Kunstszene in der Region. Wahrlich.

Alles begann 1996 als der Fotograf Rudolf Steiner (geb. 1964) und die an der Hochschule der Künste in Bern studierende Barbara Meyer Cesta (geb. 1959) ihre Ateliers beide in einer ehemaligen Garn-Fabrik in Roggwil hatten. Da gründeten sie nicht nur die „Kunsthale“ als von Künstler betriebenen Ort für alternative Projekte, sondern auch „Haus am Gern“, ein Unternehmen nach allen Regeln der Kunst. Dass „Gern“ eine Abwandlung von „Garn“ ist, aber falsche Fährten bezüglich der Wortbedeutung legt, ist für die beiden Künstler geradezu Programm. Das eine ist das andere und wenn man es schüttelt gleich auch noch ein Drittes. „Haus am Gern“ ist ein mobiler KMU-Betrieb, der für Editionen, Aktionen, Präsentationen, Kunst, Vereinsgründungen, Bed & Breakfast und vieles anderes mehr steht.

Einem roten Faden gleich geht es immer um „Plattformen“. Am 15. Mai 2001 zum Beispiel ganz real: Da gab „Haus am Gern“ – mittlerweile im „Atelier Robert“ der Stadt Biel situiert – seinem „Stelllvertreter“, San Keller (und dessen Compagnon Schnittholz) den Auftrag, in der Bieler Seebucht eine Plattform zu bauen und die Expo.01 fristgerecht zu eröffnen. Das Ganze fand in Anwesenheit einer Schar Schwäne statt und war zugleich Gründungsveranstaltung der Gemeinschaft „Young Responsible Artists“ (YRA).

Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta treten in vielfältigster Form in Erscheinung und längst nicht immer als „Provokateure“. So steht der Name Rudolf Steiner zum Beispiel auch für das gelungene Kunst und Bau-Projekt für einen Berner Schiessstand oder für die experimentelle Foto-Installation „Blendung“ im Rahmen von „Black Box“ im Kunstmuseum Bern (2001). Und zu Barbara Meyer Cestas Curriculum gehört unter anderem die „work in progress“- Performance „Ich schreibe das Buch der Wahrheit“, bei welcher sie in verschiedensten Situationen – einer Bibliothek, einem Altersheim, einem Museum – die Bibel Wort für Wort abschreibt oder die Ausstellung „Barbie“ (aktuell in Alfred Maurers „Quelle“ in Biel). Und rsbmc steht nicht nur für „Fallada“, sondern auch für die Denknetzwerke in Overkill-Form präsentierende Ausstellung „Never juge a horse by its color“ in der Kunsthalle Bern oder „Musée en grève“ (Muse en rêve), ein Quell-Wasser-Produkt gleichen Namens, das im Sommer 2002 im Centre PasquArt aufgrund seiner Ambivalenz zwischen Kulturpolitik und Kunstprodukt für heisse Köpfe sorgte und schliesslich gar einen Diskussionsabend „Wie weit darf Kunst gehen“ provozierte. Die Reihe liesse sich um Wesentliches verlängern.

Duo heisst bei rsbmc nicht Konzentration von zwei auf eins, sondern Potenzierung, Ausweitung, Dialog (unter sich und mit der Öffentlichkeit), Interaktion und … sich wohl gegenseitig Mut machend … Provokation. Und dies stets in einem gesellschaftlichen Kontext – sei dieser nun der Kunstbetrieb oder virulente Fragen wie Gewalt, Manipulation, (Un)wahrheit, Vegatarismus, Sexismus, Spiritualität, Tierschutz und –recht betreffend. Die Medien, die sie hiezu nutzen sind analog vielfältig – die Fotografie, die Installation, die Zeichnung, das Zeitungsbild, das Internet, das Objekt, das Tatoo, das Video und anderes mehr.